Frankreich: Zwei Jahre Freiheitsstrafe für Besucher von Terror-Webseiten

GIGN-Spezialeinheit der französischen Gendarmerie mit dem Einsatzschwerpunkt der Terrorismusbekämpfung. Bild: Domenjod/CC BY-SA 4.0

Die nächste Verlängerung des Ausnahmezustands bis Ende Juli ist auf den Weg gebracht. Dazu kommt das "strengste Anti-Terror-Gesetz in Europa"

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Zum dritten Mal will die französische Regierung den Ausnahmezustand verlängern, mit Verweis auf zwei große Sportereignisse im Juni und im Juli, die Fußball-EM und die Tour de France. Der Senat hat der Verlängerung bis zum 26. Juli bereits mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Volksversammlung stimmt nächste Woche ab.

Ein "Nein" wird nicht erwartet. Auch wenn Amnesty International die Abgeordneten dazu auffordert, dagegen zu stimmen.

Härte zeigen

Im Hintergrund spielt bei der Entscheidung mit hinein, dass sich die Regierungspartei von der FN keine Laxheiten vorwerfen lassen will. Sie zeigt Härte. Nicht nur, wenn es gegen terroristische Gefahrenabwehr geht, sondern auch bei der Durchsetzung des neuen Arbeitsrechts, das immer wieder Hundertausende auf die Straße bringt, um gegen eine Umgestaltung zu protestieren, die sie nicht für sozialdemokratisch halten. Die Härte der Polizei gegen die Demonstranten bleibt in der linken Regierung ohne Echo.

Beobachtern fiel zudem auf, dass die Rechtfertigung für die zweite Verlängerung des Ausnahmezustands bei der dritten Verlängerung eigentlich keinen Grund mehr liefert. Es geht um ein Gesetz, das der Justiz und der Polizei erhebliche Befugnisse einräumt. Le Monde bezeichnet es als das "strengste Anti-Terror-Gesetz in Europa". Premier Valls hatte im Februar auf dieses Gesetz verwiesen, um die zweite Verlängerung des Ausnahmezustands zu begründen. Solange dieses Gesetz noch ausstehe, gebe es eine Sicherheitslücke.

GIGN-Spezialeinheit der französischen Gendarmerie mit dem Einsatzschwerpunkt der Terrorismusbekämpfung. Bild: Domenjod/CC BY-SA 4.0

Nun hat das Gesetz aber den französischen "Vermittlungsausschuss" der beiden Kammern passiert und wird aller Voraussicht nach am 25. Mai abgesegnet. Danach kann es verkündet werden und in Kraft treten.

Möglicherweise gibt es Widerstand gegen Teile des Gesetzes vom Verfassungsrat, der ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht in Deutschland darüber entscheidet, ob ein Gesetz oder Teile im Einklang mit der Verfassung stehen.

Strafen für den regelmäßigen Besuch von "terroristischen Webseiten"

Für wahrscheinlich wird dies bei dem Delikt gehalten, das vage formuliert ist und hohe Strafen aussetzt: Mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug und einer Geldstrafe von 30.000 Euro kann bestraft werden, wer regelmäßig "terroristische Webseiten" besucht. Was heißt regelmäßig, wie werden terroristische Webseiten definiert? Den Strafverfolgern und der Justiz werden große Spielräume eingeräumt. Die Straftat gab es bislang noch nicht.

Neu ist auch die Regelung, wonach eine Person, die von einem Ort kommt, wo terroristische Gruppen agieren, etwa in Syrien, für einen Monat in Hausarrest verfügt werden kann, selbst wenn kein Delikt vorliegt. Das ist einer der Stellen, weswegen kritische Abgeordnete davon sprechen, dass das Anti-Terrorgesetz stark von Regelungen des Ausnahmezustands inspiriert sei.

Polizeigewahrsam bei Identitätskontrollen

Auch in der Ausweitung der Befugnisse bei der Identitätskontrolle sind solche Momente erkennbar. So kann die Polizei künftig Personen, selbst wenn deren Papiere in Ordnung sind, für vier Stunden in Gewahrsam nehmen, ohne dass ein Anwalt eingeschaltet wird, wenn es "ernsthaften Grund zur Annahme gibt, dass das Verhalten der Person mit Aktivitäten verbunden ist, die einen terroristischen Charakter haben".

Wer Erfahrungsberichte über Hausdurchsuchungen in der ersten Periode des Ausnahmezustands gelesen hat, der weiß, dass Polizisten die "seriösen Gründe" bereits in petto hatten, bevor sie die Haustür eintraten und mit den Bewohnern gesprochen hatten. Anwälte und Menschenrechtsorganisationen würden bei diesem Passus des neuen Gesetzes an die Decke gehen, schreibt Le Monde.

Dass darüber hinaus generell die Befugnisse bzw. die Spielräume der Staatsanwaltschaft und der Polizei im Zusammenspiel mit Richtern ausgedehnt werden, mit dem Ergebnis, dass die Überwachung der Kommunikation von verdächtigen Personen wie auch Hausdurchsuchungen sehr viel leichter anzuordnen sind, ist anscheinend schon so zur Gewohnheit geworden, dass sich darüber niemand mehr laut aufregt.