Frankreich will militärischen Beistand der Europäer
Der französische Verteidigungsminister Le Drian fordert Unterstützung bei Einsätzen in Afrika und gegen den IS. Update: Putin unterstützt die Operation des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulles im östlichen Mittelmeer. Es solle kooperiert werden wie mit Alliierten
Den Artikel 42 (7) des EU-Vertrages kannte bis gestern keiner. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat ihn bei der heutigen Pressekonferenz nach dem Treffen der EU-Verteidigungsminister extra zitiert, weil sie davon ausgeht, dass er der Öffentlichkeit unbekannt ist.
Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
Die EU-Formulierung ist weiter gehender als der Artikel 5 des NATO-Vertrags, erklärt Augen-Geradeaus-Autor Thomas Wiegold. Die Nato verlange von jedem Mitgliedsstaat nur die Maßnahmen, die er für erforderlich erachtet.
Dass Frankreich möglicherweise nach den Anschlägen vom Freitag, den 13. November, den Nato-Bündnisfall ausrufen könnte, gehörte zu den schaurig-erregten Spekulationen an den Tagen danach. Hollande sprach aber gestern in seiner Rede vor dem französischen Kongress (Hollande im Ausnahmezustand) davon, dass er seinem Verteidigungsminister Weisung erteilt habe, heute vor seinen europäischen Kollegen den Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages geltend zu machen.
In Nachrichtenkurzform übersetzt heißt das: "Frankreich hat die EU-Staaten offiziell um militärischen Beistand gebeten. Alle Mitgliedsstaaten haben diesen zugesagt."
Was Deutschland betrifft, so wird es mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hinauslaufen, dass die Bundeswehr ihren Einsatz in Afrika, etwa in Mali, verstärken wird. Tatsächlich, soweit das Ergebnis des Verteidigungsministertreffens über die Pressekonferenz (Audio, Text) bekannt gegeben wurde, gab es keine konkreten Zusagen. Diese würden alle in bilateralen Gesprächen vereinbart.
Aber der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian gab Anhaltspunkte dafür vor, wo Frankreich militärische Unterstützung wünsche. Frankreich könne nicht allein "auf diesen Bühnen" stehen, sagte. Danach präzisierte er.
Frankreich kann nicht alles machen: Zugleich in der Sahelzone sein, in der zentralafrikanischen Republik, im Libanon und in der Levante (gemeint ist Asch-Scham, Syrien, Anm. d. A.) und darüber hinaus mit seinen Streitkräften sein eigenes Territorium absichern. Also werden wir in technische Diskussionen mit unseren Partnern darüber eintreten, was man zusammen machen kann und was jeder dazu beitragen kann. Das kann dann auf dieser Bühne oder auf anderen Bühnen stattfinden.
Dass Frankreich zum ersten Mal den genannten EU-Vertragsartikel bemühte, wird damit erklärt, dass Frankreich über die öffentlich bekundete Solidarität durch Äußerungen und Stellungnahmen nach verbindlicheren Zusagen strebt.
"Wir werden sehr genau hinhören, was Frankreich uns zu sagen hat, und aufmerksam (...) analysieren, worum Frankreich uns bittet", wurde die deutsche Verteidigungsminister von der Leyen vor dem Treffen von Reuters zitiert. Man kann angesichts der Rede von einer größeren Verantwortlichkeit Deutschlands, die von der Leyen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Bundeswehreinsätzen im Ausland erwähnte (vgl Bundeswehreinsatz in Mali: Das nächste planlose Unterfangen?), davon ausgehen, dass sie den Anfragen von Monsieur Jean-Yves Le Drian prinzipiell nicht ablehnend gegenüber stehen wird.
Mehr Bundeswehreinsätze dürften bei Unionspolitikern ohnehin keinen größeren Widerstand auslösen. Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, bekundete sogar Unterstützung für eine deutsche Beteiligung bei Bodentruppen in Syrien. Allerdings war er da noch von einem Nato-Bündnisfall ausgegangen.
[Update 1]. Nach Informationen des ZDF hatte Jean-Yves Le Drian in Brüssel auch ausdrücklich um militärische Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak gebeten.
[Update 2]. Laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Tass hat der russische Präsident Putin den Kommandeur des Kreuzers Moskva im Mittelmeel angewiesen, mit dem Kommando des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle, den Hollande ins östliche Mittelmeer befohlen hat, direkten Kontakt aufzunehmen und zu kooperieren wie mit Alliierten - ein erstes Zeichen für eine Kooperation, die Hollande in den Tagen nach dem Attentat öffentlich als neuen politischen Horizont signalisierte. Damit verbunden ist eine Kehrtwende der französischen Syrien-Politik. Bislang setzte man vor allem darauf, die Gegner von Baschar al-Assad zu unterstützen.