Freies Unternehmertum, zwei Frauenleichen und ein Blumenträger

Seite 6: Kommunisten, Islamisten, Populisten

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Vom Standpunkt rechter Ideologen aus durfte Ted Cruz also mit vom Stolz geschwellter Brust in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner gehen, nachdem ihn die Lügenpresse zur Reinkarnation von Joe McCarthy erklärt hatte. Cruz wurden gute Chancen eingeräumt, ehe er in den Vorwahlen seinen Meister fand, Donald Trump. Alles, was Cruz bisher aufgeführt hatte, um sich in Szene zu setzen - die Mitbewerber verächtlich machen, falsche Behauptungen in Andeutungen kleiden, durch Assoziation Schuld zuweisen, Verschwörungen aufdecken oder über sie raunen -, konnte Trump viel besser.

Cruz machte auch dumme Fehler. Womöglich glaubte er, man könne den McCarthyismus des Kalten Krieges 1:1 auf die Gegenwart übertragen. Bei einer Veranstaltung zum amerikanischen Unabhängigkeitstag mit dem Titel "Defending the American Dream" hielt er eine Rede, in der er sich über die Harvard Law School ausließ, die er ein paar Jahre vor Barack Obama besucht hatte. Obama, sagte er, sei der radikalste US-Präsident der Geschichte (auf rechten Websites kann man nachlesen, dass Obama mit seiner Gesundheitspolitik nicht nur eine ruinöse Steuerverschwendung betrieb, sondern einen totalitären Staat errichten wollte).

Als Universitätspräsident hingegen, so Cruz, sei Obama bestens geeignet. Als er, Cruz, in Harvard studiert habe sei in der juristischen Fakultät nur ein einziger Republikaner zu finden gewesen, wohl aber zwölf Marxisten, die einen kommunistischen Umsturz befürworteten. Zwölf Marxisten! Aus dem Lehrbuch des Roy Cohn: Frei Erfundenes sollte man mit präzisen Angaben untermauern, weil das ein (nicht vorhandenes) Wissen suggeriert. McCarthy wirkte glaubwürdig, weil er nicht von "ungefähr 200" Kommunisten im Außenministerium fabulierte, sondern von 205, wahlweise auch von 57 oder 81. Dass die Zahlen variierten war da nicht mehr so wichtig.

Cruz sprach bei einer Veranstaltung der von den milliardenschweren Koch-Brüdern gegründeten Organisation Americans for Prosperity. Ein Obama-Bashing kommt da immer gut an. Der Redner hatte aber offenbar nicht bedacht, dass sich die Warnung vor der kommunistischen Gefahr doch etwas abgenutzt hatte und es die Sowjetunion, die der selige Ronald Reagan einst durch einen Rüstungswettlauf in die Pleite getrieben hatte, nicht mehr gab. Donald Trump war da viel klüger. Seine Kommunisten sind die Muslime. Obama ist ihr Agent.

Le Club

Ist Trump demnach ein Naturtalent, das mit der Muttermilch einsaugte, was Cruz erst mühsam lernen musste und nur halb verstanden hatte? Nicht wirklich. 1948, als Trump geboren wurde, gab es in Manhattan zwei besonders angesagte Clubs, in denen man Gast sein musste, um zur High Society zu gehören: das "El Morocco" und den "Stork Club". Das sind die beiden Etablissements, von denen Humphrey Bogart, seines unbeherrschten Verhaltens wegen, zur unerwünschten Person erklärt wurde, was dann als autobiographisches Element in den Film In a Lonely Place einging.

The Wrong Man

In den frühen 1970ern hatte der "Stork Club" dicht gemacht, was einen nicht weiter wundert, wenn man Hitchcocks The Wrong Man gesehen hat. Henry Fonda als Manny Balestrero spielt in der Kapelle des "Stork Club" den Kontrabass und ist in einer musikalischen Endlosschleife gefangen, was Hitchcock Gelegenheit gibt, die Hölle als die Wiederkehr des ewig Gleichen zu inszenieren. Einen öderen Arbeitsplatz als diesen hat man selten in einem Film gesehen. Man kann sich gut vorstellen, dass die Kapelle so lange dasselbe Lied spielt, bis alle tot vom Hocker fallen.

In den frühen 1970ern war der Rivale des "El Morocco" ein Laden mit dem todschicken Namen "Le Club". Der junge Donald Trump entschied sich für den "Club", der - verglichen mit dem "Morocco" - etwas leicht Verruchtes hatte. "Zu den Mitgliedern gehörten einige der erfolgreichsten Männer und schönsten Frauen der Welt", lässt er in The Art of the Deal schreiben. "Es war einer von diesen Orten, wo es nicht unwahrscheinlich war, einen reichen 75-jährigen Typen zu sehen, der mit drei Blondinen aus Schweden hereinkam." In dem Buch berichtet er von mehreren Anläufen, die erforderlich waren, um dort auch Mitglied zu werden.

Trump wollte man im "Le Club" nicht haben, weil er aus Queens stammte und damit aus einem Stadtteil, der damals das Gegenteil von hipp war und für den die Reichen und die Schönen von Manhattan nur Spott übrig hatten. Donald schaffte es schließlich, in die exklusive Mitgliedsliste aufgenommen zu werden. Das ist die Trump-Version der "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Geschichte. Darin liegt die Anziehungskraft begründet, die er auf die gesellschaftlich Benachteiligten ausübt, seine treuesten Fans. Trump fing als Millionärssohn an, aber eine Aufstiegsgeschichte ist es trotzdem. Darum lässt sich die Hoffnung damit verbinden, dass der amerikanische Traum doch nicht geplatzt ist.

Wie angesagt "Le Club" war ist daran zu erkennen, dass sich Jackie Kennedy entschied, ihn zum Schauplatz für eines der Society-Highlights der 1970er zu machen, die gemeinsame Geburtstagsparty für ihre Kinder John Jr. und Caroline. Am Eingang des Clubs kam es zu einer Prügelei zwischen Gästen und Paparazzi. Das sorgte für einen kleinen Skandal und für große Schlagzeilen, weil einer von den Photographen ein ehemaliger Marine war, der tapfer sein Land verteidigt hatte. Die prominenten Schläger waren dabei interessanter als der Geschlagene. Wie hieß nochmal der im Irakkrieg gefallene US-Soldat, dessen Eltern Trump beleidigte?

Freies Unternehmertum

Die Episode mit dem Kleberfabrikanten Heinrich Haffenloher in Helmut Dietls Kir Royal heißt "Wer reinkommt, ist drin". Diese Erfahrung durfte auch Trump machen. Im "Le Club" lernte er 1973 einen hervorragend vernetzten Anwalt kennen, der dort ebenso Stammgast war wie viele seiner illustren Mandanten: Roy Cohn, früher Einflüsterer von Joseph McCarthy und jetzt Helfer von Donald Trump. Donalds Vater hatte in Brooklyn und Queens ein Wohnungsimperium aufgebaut. Als Donald Roy traf hatte die Trump Management Corporation eine Klage des Justizministeriums am Hals.

Kir Royal

Die Abteilung für Bürgerrechte warf den Trumps vor, nicht an Angehörige von Minderheiten zu vermieten und Bewerber mit dunkler Hautfarbe zu belügen ("Leider nichts frei.") oder mit Ausreden abzuwimmeln. Das verstieß gegen das Gesetz, den Fair Housing Act von 1968. Die Firmenanwälte rieten zur außergerichtlichen Einigung. Roy empfahl Donald, dem Ministerium den Krieg zu erklären und dieses seinerseits vor Gericht zu zerren. Also wurde eine Gegenklage wegen Rufschädigung eingereicht. Streitsumme: 100 Millionen Dollar. Die Klage wurde bald abgewiesen, erzielte aber die gewünschte Wirkung.

Am Ende stand eine Einigung, nun jedoch zu günstigeren Konditionen für das Unternehmen. Die Schlagzeilen über die 100-Millionen-Dollar-Klage gegen die Regierung überlagerten die Nachricht, dass sich die Trumps bereit erklärten, zukünftig auch an Angehörige von Minderheiten zu vermieten. Donald gab nie zu, etwas falsch gemacht zu haben. Einen Fehler zugeben war Schwäche. So hatte Trump es von seinem Mentor Roy Cohn gelernt. Roy brachte Donald zudem bei, dass jede Art von Publicity gute Publicity ist. Wenn Roys Name gerade nicht in der Zeitung stand versorgte er die Presse mit süffigen Geschichten, um Abhilfe zu schaffen. Donald tat es ihm nach.

Die Klage des Ministeriums war übrigens das Resultat einer ganzen Reihe von Anti-Diskriminierungsgesetzen, die der in seiner Bedeutung sehr unterschätzte Lyndon B. Johnson, der Nachfolger von John F. Kennedy, mit viel Geschick und trotz enormer Widerstände durch den Kongress gebracht hatte. Johnsons Gesetze zur Stärkung der Bürgerrechte waren für konservative Weiße - und insbesondere für solche, die von den rassistischen Strukturen in der US-Gesellschaft profitierten - ein unzulässiger Eingriff des Staates in die Entscheidungsfreiheit eines Amerikaners.

Johnsons Partei zahlte dafür einen hohen Preis. Die Bundesstaaten im Süden des Landes, bis dahin eine solide Machtbasis der Demokraten, wurden zu Hochburgen der Republikaner. Für einen Unternehmer wie Donald Trump eröffnete sich die Möglichkeit, sich in einer Verbindung von Geschäftsinteressen und Ideologie als Kämpfer für die amerikanischen Werte zu präsentieren. Wer Trumps Weg ins Weiße Haus nachzeichnen will sollte mit dem Jahr 1973 beginnen, in dem er in einem New Yorker Promilokal Roy Cohn kennenlernte und auf dessen Anraten den Pioniergeist der Gründungsväter und das freie Unternehmertum gegen eine diktatorische Regierung verteidigte.

Kulturfrevel in der Fifth Avenue

Die Schlacht gegen das Justizministerium war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Roy beriet Donald fortan bei größeren Geschäften und in rechtlichen Angelegenheiten, ließ seine Verbindungen in die höheren Ränge der Macht für ihn spielen. Auch diese Geschichte könnte man durch Filme erzählen, mit Breakfast at Tiffany’s von Blake Edwards beispielsweise. Der Anfang genügt. Audrey Hepburn fährt im Taxi beim Juweliergeschäft vor. Dabei kann man einen Blick auf das Bonwit-Teller-Kaufhaus erhaschen (erste Einstellung, linker Bildrand), ein architektonisches Juwel im Art-déco-Stil und seit seiner Errichtung im Jahre 1929 ein heimliches Wahrzeichen von New York.

Breakfast at Tiffany’s

Als Breakfast at Tiffany’s in den frühen 1960ern in den Kinos lief hielten viele Filmfreunde danach Ausschau, weil Audrey Hepburn während der Dreharbeiten dort eingekauft hatte. Dabei entstanden Pressephotos, die dann in der Werbekampagne Verwendung fanden. Das war nicht nur eine gute Reklame für Bonwit Teller, sondern förderte auch das Bewusstsein dafür, welches Juwel da neben Tiffany & Co. stand. 1979 kam Donald Trump, kaufte das Gebäude und ließ es abreißen. Heute ist nichts mehr davon übrig. An sein Versprechen, Teile der Fassade zu retten und dem Metropolitan Museum of Art zu übergeben fühlte sich der Investor nicht gebunden. Leider zu teuer.

Jetzt steht da anstelle eines Art-déco-Juwels ein auf Dominanz ausgerichteter Protzbau, der Trump Tower. Größer wurde New York dadurch nicht. Nur höher. Statt kunstgeschichtlich bedeutsame Skulpturen zu erhalten und damit, wie es der damalige Bürgermeister Ed Koch ausdrückte, einer moralischen Verpflichtung gegenüber den Bürgern von New York nachzukommen, zog Trump vor Gericht, um - beraten von Roy Cohn - steuerliche Vergünstigungen einzuklagen. Der Investor fühlte sich diskriminiert. Attacke war die erste Unternehmerpflicht.

Wenn man sich an gelungener Architektur erfreut und glaubt, dass Bauten etwas mit Kultur und Identität zu tun haben, ist der Anfang von Blake Edwards’ Film - von heute aus betrachtet - mit schmerzlicher Nostalgie erfüllt. Könnte man Audrey Hepburn per Zeitmaschine in die Gegenwart transportieren und noch einmal frühmorgens in der Fifth Avenue vorfahren lassen, sie würde gar nicht erst aus dem Taxi steigen oder, wenn doch, vor Schreck den Kaffeebecher fallen lassen und schreiend zu Mr. Yunioshi laufen.

Einen Bauunternehmer gibt es auch in Rays In a Lonely Place. Er ist einer von zwei mächtigen Männern, die eine unheimliche Präsenz entfalten, indem sie Einfluss auf die Handlung nehmen, obwohl wir sie nie zu sehen kriegen. Der eine, der Produzent Bert Brodie, will einen Bestseller über die Luxusprobleme des Geldadels von Long Island verfilmen lassen, weil das ordentlich Kohle bringt. Der andere heißt Baker und verdient sein Geld mit Immobilien. Seinen Namen kennen alle. Menschen scheint er genauso als sein Eigentum zu betrachten wie seine Häuser.

Laurel Gray war mit dem Mann liiert und kurz davor, ihn zu heiraten. Mr. Baker hat ihr sogar einen Swimmingpool gebaut - nicht so sehr, um ihr eine Freude zu machen als vielmehr, um den Wert der Immobilie zu steigern. Laurel hat Baker schließlich verlassen, weil sie sein besitzergreifendes Wesen nicht mehr ertragen konnte. Ray wird gern unterstellt, er habe mit den Beverly Patio Apartments aus Selbstverliebtheit die Villa Primavera nachbauen lassen, weil er früher dort gewohnt hatte. Falls dem so gewesen sein sollte ändert es nichts daran, dass die Wohnanlage im Film mehrere narrative Funktionen erfüllt, ohne dass ein einziger Dialogsatz dafür erforderlich wäre.

Der Film vertraut so sehr auf Ausstattung, Kulissen, Inszenierung, das nuancierte Spiel der Darsteller (und auch auf George Antheils Musik), dass es fast schon exzessiv wirkt, wenn sich Dix Steele beklagt, dass Laurel - die Überwachungsthematik - von ihrem Balkon in sein Fenster sehen kann. Wenn Laurel vor dem durch Stadtentwicklung reich gewordenen Immobilientycoon in die Villa Primavera flieht, einem jener für Hollywood identitätsstiftenden Gebäude im Spanish-Revival-Stil, von denen bis heute ein seltsamer Zauber ausgeht, darf man das als Kommentar zu Bakers Bautätigkeit verstehen, als Abkehr von den Sachen, die der Baulöwe in die Landschaft stellt.

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