"Für Resignation haben wir keine Zeit"
- "Für Resignation haben wir keine Zeit"
- Krater und einstürzende Gebäude
- Auf einer Seite lesen
Der Klimawandel setzt dem Permafrost zu: Er taut und setzt zusätzlich Treibhausgase frei. Ein Teufelskreis.
Im Anthropozän verändert der Mensch die Erde nach seinen Vorstellungen und seinen Bedürfnissen. Eine Folge ist der Klimawandel, der es überall immer wärmer werden lässt. Das zeigt sich aktuell in den Hitzewellen mit großer Trockenheit und Waldbränden, wie sie seit vielen Wochen durch Europa rollen. Aber das ist nur "ein Vorgeschmack auf die Zukunft", wie Clare Nullis, Sprecherin der Weltwetterorganisation (WMO) es formulierte (Heiß, heißer, am heißesten).
Weltweit nehmen die extremen Wetterereignisse zu. Das gilt auch für die Polarregionen. Im vergangenen Jahr wurde ein neuer arktischer Temperaturrekord von 38 °C in der russischen Stadt Verkhoyansk offiziell bestätigt (Unglaublich: Rekordhoch brachte der Artkis Hitze bis 38°C!).
Tauender Permafrost
Eine der potenziell besonders verhängnisvollen Konsequenzen ist das Auftauen des Permafrosts. Der dauerhaft tiefgefrorene Boden erwärmt sich nachweislich seit Jahrzehnten.
Im Fachjournal Frontiers in Environmental Science berichtete kürzlich ein internationales Team von mehr als dreißig Fachleuten um Benjamin Abbott von der amerikanischen Brigham Young University und Jens Strauss vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam (AWI) über die Veränderungen in den Permafrostregionen und forderte von der globalen Politik1:
Wir müssen die Emissionen fossiler Brennstoffe stoppen, um die Permafrost-Ökosysteme zu schützen.
Permafrost ist weiter verbreitet als man denkt. Zehn Prozent der Erdoberfläche wird von Dauerfrost beherrscht. Ungefähr ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel sind Permafrostböden. Sie finden sich in allen kalten Regionen wie z.B. in den Alpen, am weitesten verbreitet sind sie aber im hohen Norden, rund um die Arktis, vor allem in Russland, Kanada und den USA.
Nur die obere, aktive Schicht taut im Jahreszeitwechsel von einigen Zentimetern bis zu einem Meter tief auf, die untere Schicht bleibt bis zu einer Tiefe von mehreren hundert Metern durchgehend gefroren. Die sich verändernde Auftautiefe zeigt die kurzfristigen Schwankungen des Wetters, die steigenden Temperaturen in der Tiefkühlschicht dagegen die längerfristigen Klimaveränderungen. Experten messen an vielen Orten kontinuierlich diese Daten und speisen sie in eine globale Datenbank ein, dem Global Terrestrial Network for Permafrost (GTM-P).
Der größte, dickste und kälteste Permafrost befindet sich in Sibirien, dort beträgt die Jahresmitteltemperatur der unteren dauergefrorenen Schicht rund minus zehn Grad Celsius. Noch kälterer Boden mit minus 15 Grad Celsius bietet das nördlichste Kanada. Dort liegt die Jahresmitteltemperatur bei. Relativ warm mit einer Durchschnittstemperatur von minus zwei Grad Celsius ist dagegen die dauerhaft gefrorene Erdschicht auf Spitzbergen.
Flammender Appell
Durch den Klimawandel verändern sich die Permafrostregionen sowohl an Land wie auch im Meer besonders schnell. Die Temperaturen der Landoberfläche erhöhten sich in diesen Gebieten zwei- bis viermal schneller als im weltweiten Durchschnitt.
Eine riskante Entwicklung, denn in der Erde ruhen dort seit langer Zeit die eingefrorenen organischen Überreste von Tieren und Pflanzen, die sofort durch Mikroben zersetzen werden, sobald sie auftauen. Dabei entstehen Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4), die für eine weitere Erhitzung der Welt sorgen könnten.
Wie schnell das passieren wird, darüber wird in der Fachwelt noch heftig debattiert. Jens Strauss betont, dass weder Untergangsfantasien noch Verharmlosung wirklich Sinn machen:
Wir müssen zwar nicht damit rechnen, dass der Permafrost in ein paar Jahren riesige Mengen Treibhausgase auf einmal in die Atmosphäre spuckt und das Klima damit unweigerlich zum Kippen bringt. Aber immerhin setzen die Permafrost-Regionen heute schon Treibhausgase in einem Umfang frei, der nahezu den jährlichen Emissionen von Deutschland entspricht. Wir können durchaus noch etwas tun. Für Resignation haben wir keine Zeit.