Fukushima: Aufräumen wird noch Jahrzehnte dauern

Wassertanks im AKW Fukushima. Bild: Tepco

Die Energie- und Klimawochenschau: Toyota beginnt den Ausstieg aus dem Diesel; die Berliner Energiewende und Folgenbeseitigung in Fukushima

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Während hierzulande allenthalben Regression zu herrschen scheint, und - nimmt man Tonlage und Lautstärke zum Maßstab - mindestens der Untergang des Abendlandes ob drohender Fahrverbote für Diesel-Pkw bevorzustehen scheint, zeigt die Konkurrenz aus Fernost, dass es auch ohne geht: Toyota kündigt an, in Europa keine Dieselautos mehr verkaufen zu wollen.

Im letzten Jahr hatten noch 15 Prozent der in Europa verkauften Toyota einen Dieselantrieb, 2012 waren es noch 30 Prozent. Ein Firmensprecher sagte einem Bericht der Japan Times zu Folge am Montag auf dem Genfer Autosalon, dass das Unternehmen keine Ressourcen in die Entwicklung von Dieseltechnologie mehr stecken, sondern sich ganz auf seine Hybridtechnik konzentrieren wolle. Der Absatz von Toyota-Hybridfahrzeugen, die einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor haben, habe stark zugenommen.

"Glaubwürdigkeit der Energiewende Schaden zugefügt"

Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake (Bündnis 90/Die Grünen) will nicht mehr. Wie die Berliner taz berichtet, hat Baake Peter Altmaier von der CDU einen Brief geschrieben, in dem er um seine Entlassung bittet. Altmaier wird im neuen Kabinett das Ressort übernehmen, zudem auch die Energiepolitik gehört. Baake gab an, die Klima- und Energiepolitik der alten neuen Koalition nicht mehr mittragen zu können.

Der Koalitionsvertrag sei "in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz eine herbe Enttäuschung", zitiert die taz aus seinem Brief. Die Klimaziele würden deutlich verfehlt. "Der internationalen Glaubwürdigkeit der Energiewende wird damit großer Schaden zugefügt."

Baake war 1998 bis 2005 Staatssekretär im Bundesumweltministerium und unter anderem an den Verhandlungen über den Atomausstieg und an der Einführung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) beteiligt. Seit 2014 war er Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und dort unter anderem für die jüngsten Novellen des EEG verantwortlich, mit der das alte Fördersystem weitgehend abgeschafft wurde.

Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger ist seitdem strikt über Ausschreibungen limitiert. Das passt zu Baakes Position als wirtschaftsliberalen Grünen, dem die Anwendung von marktkonformen Instrumenten in der Energiewende als oberstes Gebot gilt.

Für das Handelsblatt ist er dennoch "umstritten". Aber so nennt man wohl Personen und Institutionen, mit deren Politik man nicht übereinstimmt, sich aber auch nicht detailliert auseinandersetzen mag.

Aus CDU-Kreisen war bereits Baakes Entlassung gefordert worden. Beides jedenfalls Zeichen dafür, dass es um die Energiewende unter der neuen Regierung Merkel schlecht bestellt sein wird.

Morde an Umweltschützern

Immer wieder kommt es vor, dass Umweltschützer, dass Umweltaktivisten ermordet werden, meist im Auftrag großer Agrar- oder Bergbaufirmen. Einige wenige Fälle finden internationale Beachtung, wie der des brasilianischen Kautschukzapfers Chico Mendes oder des nigerianischen Dichters Ken Saro-Wiwa. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges.

200 Fälle zählte die Organisation Global Witness in Kooperation mit der britischen Zeitung Guardian 2016. 2017 waren es 197. Vor allem in einigen lateinamerikanischen Ländern aber auch auf den Philippinen lebt es sich gefährlich, wenn man Landraub und Umweltzerstörung nicht duldsam zuschaut.

Und selten gibt es Gerechtigkeit, bemühen sich die Verfolgungsbehörden tatsächlich ernsthaft um Aufklärung und Bestrafung. Insofern ist von einer löblichen Ausnahme zu berichten. Die Plattform Blickpunkt Lateinamerika schreibt, dass in Honduras ein mutmaßlicher Hintermann im Mordfall Berta Cáceres verhaftet worden sei. Dieser sei zur Tatzeit vor zwei Jahren Exekutivpräsident des Energieunternehmens Desa gewesen.

Desa baut an dem Wasserkraftwerk Agua Zarzca, gegen das Cáceres Proteste organisiert hatte. Sie war, wie seinerzeit berichtet, in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 ermordet worden.

Der nun verhaftete Castillo Mejía ist nach einem Bericht der Plattform insight crime ein ehemaliger Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes und Teil eines größeren Korruptionsnetzwerkes. Desa bezeichnet ihn hingegen als unschuldig, Umweltschützer schreiben jedoch, dass er aus dem Land habe fliehen wollen.

Fukushima-Jahrestag

Am Sonntag, dem 11.3., jährt sich zum siebenten Male die dreifache Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Ein schweres Seebeben der Stärke 9 auf der Richterskala und ein nachfolgender Tsunami verwüsteten die Küstenregion nördlich von Tokio und zerstörten drei der vier Reaktoren im AKW Fukushima Daiichi. In drei Reaktoren kam es seinerzeit aufgrund des Ausfalls der Notkühlung zur Schmelze des Reaktorkerns.

Es gibt Anzeichen dafür, dass zumindest ein Teil der Reaktoren bereits durch das Erdbeben schwer geschädigt wurde. Der Hauptschaden scheint aber durch den Tsunami verursacht worden zu sein.

Letzteres hätte vermieden werden können, wenn das AKW-Gelände nicht vor dem Bau abgetragen worden wäre. Das war geschehen, um die Energie zum Hochpumpen des aus dem Meer gewonnenen Kühlwassers zu sparen. Alternativ hätte die Anlage auch mit einer Schutzmauer gegen die verheerenden Flutwellen geschützt werden können, die in Japan immer wieder auftreten. Doch auf die Mauer war offensichtlich bewusst verzichtet worden, wie vergangenen Monat ein ehemaliger Mitarbeiter der Betreibergesellschaft Tepco vor Gericht aussagte.

Das Tohoko-Beben, das den Tsunami auslöste, war weltweit das viertstärkste seit 1900 und in Japan das stärkste Beben seit dem Beginn moderner Aufzeichnungen vor 130 Jahren. Allerdings war bekannt, dass im Land der aufgehenden Sonne derartige seltene und starke Beben zu erwarten sind.

Wie gewaltig das Tohoku-Beben war, zeigt sich auch an den Veränderungen in der Geografie Honshus, der Insel, auf der sowohl Fukushima als auch Tokio, Osaka und zahlreiche weitere Großstädte liegen. Deren Norden hat sich um mehrere Meter nach Osten verlagert. Am stärksten war die Horizontal- wie auch die Vertikalbewegung in der Nachbarschaft Fukushimas, wo der geografische Referenzpunkt Oshika um 5,3 Meter nach Ostsüdost verschoben wurde und nun 1,2 Meter tiefer liegt.

An der Unfallstelle arbeiten nach einem Bericht der New York Times vom November 2017 7.000 Menschen daran, die Havaristen unter Kontrolle zu halten. Unter anderem müssen immer neue Tanks für das verseuchte Kühlwasser gebaut werden. Erst im vergangenen Jahr konnte das zusammengeschmolzene Uran mit Hilfe von Robotern lokalisiert werden.

2021 hofft man, es entfernen zu können. Die Aufräumarbeiten würden noch Jahrzehnte dauern und einige weitere Dutzend Milliarden US-Dollar verschlingen (siehe dazu auch AKW Fukushima: Betreiber will mit Tritium belastetes Wasser ins Meer ablassen).

Zum Jahrestag sind hierzulande in zahlreichen Orten Aktionen wie Mahnwachen oder Demonstrationen geplant, zum Beispiel am AKW Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Im Aufruf dazu wird davon gesprochen, dass in der Nachbarschaft Fukushimas sich die Zahl der Schilddrüsen-Erkrankungen verdoppelt habe und es noch in 180 Kilometer Entfernung einzelne Hotspots gebe, die besonders stark kontaminiert seien.

In Deutschland, und zwar in Karlsruhe, würde noch immer an der Entwicklung neuer AKW gearbeitet. Auch würden hier weiter Reaktorbrennelemente für den Export erzeugt, aber gleichzeitig der Ausbau der erneuerbaren Energieträger gedeckelt. Die Organisatoren einer deutsch-japanischen Demonstration in Berlin fordern außerdem, dass sich Deutschland und Japan dem in der UN verhandelten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen anschließen.

Bescheidener Schadensersatz

Derweil hat in Japan ein Gericht den AKW-Betreiber Tepco zu weiteren Schadensersatzzahlungen an Anwohner verurteilt. 1,1 Milliarden Yen (8,35 Millionen Euro) müssen an 321 Kläger gezahlt werden, berichtet die Japan Times.

Die Betroffenen sind Einwohner des Stadtteils Odaka der Küstenstadt Minamisoma,der innerhalb der 20 Kilometer Zone um die havarierten Reaktoren liegt. Sie machen psychologische Schäden aufgrund des Verlusts ihrer Lebensgrundlage geltend. Der Bezirk war nach der Katastrophe evakuiert worden. Erst im Juli 2016 konnte ein Teil der Betroffenen zurückkehren.

Die Zeitung schreibt, dass die Bevölkerung in dem Gebiet von 12.800 auf 2.400 zurückgegangen sei. Zum aller größten Teil handelt es sich dabei um Fortzüge. Laut Wikipedia hatte es in der Stadt Minamisoma 1015 Tote und 111 Vermisste durch den Tsunami gegeben.

Tepco hatte vor dem Prozess angekündigt, jedem Betroffenen nach den staatlichen Richtlinien 8,5 Millionen Yen (rund 65.000 Euro) zahlen zu wollen. Die Kläger hatten auf zusätzlichen 32 Millionen Yen (rund 243.000 Euro) bestanden. Das Gericht hat ihnen nun etwa ein Zehntel davon zugestanden, womit sie, sofern das Urteil rechtskräftig wird, gut 90.000 Euro Entschädigung bekämen.

Für jahrelangen Verdienstausfall, Verlust des sozialen Umfelds, etwaiger Wertverlust der Immobilien und die Sorge um die eigene und die Gesundheit der Freunde und Angehörigen, ist das wohl eher als eine bescheidene Summe anzusehen.

Endlosgeschichte Endlager und anderes

Und wie immer ist mal wieder viel mehr in Sachen Klima und Energie passiert, als hier gebührend berücksichtigt werden konnte. Zu erwähnen wären vielleicht noch die schweren Sturmfluten an der oberen US-Ostküste, und dass man dort befürchtet, dass die extremen Wasserstände in nicht allzu ferner Zukunft zum Normalfall werden.

Zu berichten wäre auch von einer Studie, die sich Gedanken macht, wie das Treibhausgas CO2 der Atmosphäre entzogen werden kann. Zermahlenes Basaltgestein wäre eine Option, mit der zugleich die Äcker gedüngt werden könnten. Das Gas würde durch Verwitterungsprozesse gebunden. Der Nachteil: die Kosten von über 100 Euro pro Tonne.

Außerdem könnte realistischer Weise nur ein Bruchteil der gegenwärtigen Emissionen dadurch kompensiert werden. Fazit der Autoren: "machbar, aber nicht der Königsweg". Derweil entwickelt sich die Standortsuche für ein Endlager für den hochradioaktiven Müll zu einer Endlosgeschichte. Bis 2031 soll sie abgeschlossen sein.

Wir erinnern uns: In den 1970ern und 1980ern wurde dem westdeutschen Publikum von sozial- und christdemokratischen Bundeskanzlern - den beiden Helmuts - versichert, die Entsorgung sei geklärt. Schließlich war das ja nach dem Atomgesetz Voraussetzung für die Betriebserlaubnis der AKW.

Doch inzwischen haben sich die Zwischenlager längst zu Dauerlagern entwickelt. Die Kampagnen-Organisation .ausgestrahlt hat gerade eine Karte mit 129 Landkreisen und kreisfreien Städten veröffentlicht, die in die Suche einbezogen werden könnten, weil es unter ihrem Boden die Gesteinsformationen gibt, die das Standortauswahlgesetz als potenzielles Endlager benennt.

Ach ja die Erinnerungen ... Hat noch jemand im Ohr, wie es 2011 hieß, Deutschland würde sich jetzt vom französischen Atomstrom abhängig machen?

In Wirklichkeit sind seither die Netto-Stromexporte von Jahr zu Jahr gestiegen. Zuletzt betrugen sie 2017 52,27 Milliarden Kilowattstunden. Das war 72 Prozent der Nettoproduktion der noch verbliebenen deutschen AKW.

Tatsächlich hat Frankreich während der zurückliegenden Kältewelle mal wieder besonders viel Strom unter anderem aus Deutschland einführen müssen und damit den hiesigen Börsenstrompreis ein wenig in die Höhe getrieben, wie der Fachinformationsdienst IWR schreibt.

Schuld war nicht nur die unsinnige Angewohnheit, mit Strom zu heizen, sondern auch der Ausfall mehrerer AKW. Man darf drauf gespannt sein, ob daraus vielleicht doch noch einmal Lehren gezogen werden.