Fukushima: Nuklearer Albtraum in Zeitlupe

Seite 2: Deutlich erhöhte Inzidenz von Schilddrüsenkrebs bei Kindern

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Da selbst die offizielle Statistik zu den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe 1986 ergab, dass mindestens zusätzlich 4.000 Kinder in Europa an Schilddrüsen-Krebs erkrankten, kam man in Japan nicht um entsprechende Reihenuntersuchungen herum.

Der IPPNW legt großen Wert darauf, nur sehr konservative Zahlen zu veröffentlichen und spricht bisher von einer mindestens 6-fachen Steigerung der Neuerkrankungsrate von Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Im Oktober dieses Jahres kam nun eine sehr alarmierende japanische Studie heraus, die eine 30-fache Steigerung in der am stärksten betroffenen Region berechnet.1

Der Anteil an Kindern mit Auffälligkeiten wie Zysten oder Knoten der Schilddrüse ohne Nachweis von Bösartigkeit ist ebenfalls besorgniserregend.

Nach der ersten Reihenuntersuchung 2012 hatten japanische Behörden noch behauptet, der hohe Anteil von Kindern mit Knoten oder Zysten der Schilddrüse von 48,5 Prozent sei auf den sogenannten "Screening-Effekt" zurückzuführen.

2014 war der Anteil auf 57,8 Prozent gestiegen. Das entspricht in etwa 12.000 Kindern, die diese Auffälligkeiten während dieser zwei Jahre neu entwickelt haben.

Das entkräftet das Argument der Behörden, die Befunde seien auf den sogenannten "Screening-Effekt" zurückzuführen. Sie hätten bereits vorher bestanden und seien vor 2012 schlicht nicht aufgefallen.

Obwohl Schilddrüsenkrebs nur einen kleinen Anteil der zu erwartenden Probleme ausmacht, ist dieser Krebs das einzige, einigermaßen konsequent überwachte Phänomen nach der japanischen Katastrophe. Hinzu kommt, dass ausschließlich Kinder unter 18 Jahren, und primär aus der Präfektur Fukushima betrachtet wurden.

Andere maligne Erkrankungen wie beispielsweise solide Tumore, Leukämien oder Lymphome, nicht-maligne gesundheitliche Folgen wie Katarakte, endokrinologische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie genetische Konsequenzen der radioaktiven Exposition der Bevölkerung werden nicht systematisch untersucht.

Mittlerweile hat das japanische Gesundheitsministerium im Oktober dieses Jahres zum ersten Mal einen Leukämiefall bei einem Arbeiter am Daiichi Kernkraftwerk Fukushima als von der Strahlenbelastung durch die Reaktorkatastrophe stammend anerkannt.

Ohne großangelegte epidemiologische Studien können jedoch keine Schlüsse gezogen werden, denn es handelt sich bei Strahlenschäden um ein stochastisches Problem. Das bedeutet, dass ein Erkenntnisgewinn nur anhand von Veränderungen der statistischen Erkrankungswahrscheinlichkeiten in ganzen Bevölkerungsgruppen möglich ist.

Es ist nicht möglich, im Einzelfall zu unterscheiden, ob beispielsweise ein Lungenkarzinom auf ein im Tokio-Urlaub eingeatmetes Fukushima-Partikel, oder auf ein Radon-Partikel aus dem bayrischen Hobbykeller zurückgeht.

Letzteres ist ein radioaktives Edelgas, das je nach geologischen Gegebenheiten in unterschiedlichem Maß und von Natur aus aus dem Boden aufsteigt. Es sammelt sich bei ungünstiger Bausubstanz in Kellern an, wo es sich manchmal zu einer ernsthaften Bedrohung zusammenbraut. In Deutschland gehen immerhin um die 1.900 Lungenkrebstote jährlich auf das Gewissen dieses geruchlosen Gases. Damit ist Radon die zweithäufigste Lungenkrebsursache überhaupt.

Radon wird zur heterogenen Gruppe der sogenannten natürlichen Hintergrundstrahlung gerechnet, entsprechend wissenschaftlich und seriös fallen auch die diesbezüglichen UN-Richtlinien aus. Ein Edelgas hat keine Lobby und keine Geheimnisse...

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