Future-Börse für Terroranschläge
Ein weiteres, etwas makabres Programm des umstrittenen Terrorist Information Awareness Projekts gerät in die Schusslinie der Kritik
Ob das Terrorist Information Awareness Programm des Pentagon unter der Leitung des ehemaligen Admirals Poindexter, der unter Reagan am Iran-Contra-Skandal beteiligt war, überhaupt weiter verfolgt werden kann, ist fraglich. Der Senat will alle Gelder dafür streichen, aber das Repräsentantenhaus müsste hier auch mitziehen. Mit dem TIA soll ein Programm entwickelt werden, das möglichst viele unterschiedliche Daten in möglichst vielen Datenbanken durchsuchen und "verdächtige" Muster identifizieren soll (Weltweites Schnüffelsystem). Mit einem neuen Projekt innerhalb des TIA-Programms wird das Pentagon aber vermutlich noch stärker als bisher die Kritiker auf den Plan rufen.
Die Kritik am TIA-Projekt in den USA ist, dass das Programm auch die Daten amerikanischer Bürger erfassen, verknüpfen und durchsuchen könnte. Dabei soll alles, was irgendwie digital gespeichert ist, von biometrischen Daten, Einkäufen, Überweisungen, Reisebewegungen, Telefonanrufen, Emails, Daten von Behörden und Geheimdiensten etc., zusammengeführt werden. Dass ein solches doch recht monströses Projekt, das Echelon weit in den Schatten stellen würde, auch die Privatsphäre von Ausländern und damit deren Menschenrechte verletzten würde, ist für die heimischen Kritiker sekundär.
Teile des TIA sind schon funktionsfähig und angeblich werden bereits künstliche Daten eingefüttert, um das System, zu erproben. TIA aber soll auch beim Information Dominance Center, einem Geheimdienst der Army installiert sein. Dort werden Daten mit anderen Geheimdiensten, auch mit ausländischen, über ein von der Defense Intelligence Agency betriebenes Netzwerk ausgetauscht.
Im Rahmen des TIA wird auch das FutureMAP-Programm (Future Markets Applied to Prediction) entwickelt, das mit marktbasierten Methoden Möglichkeiten der Vorhersage erlauben soll. Zwar ist das Programm schon länger bekannt (Terrorist-Information-Awareness), ist aber erst jetzt wirklich von den Kritikern bemerkt worden. Im Prinzip geht es um ein Programm, das zunächst Märkte simulieren soll, auf den geheime und öffentlich zugängliche verteidigungs- und sicherheitspolitisch relevante Informationen gehandelt werden. Zur Steuerung dieser Märkte will man Informationssysteme entwickeln und die Leistungsfähigkeit dieser Märkte für bestimmte Aufgaben testen. Offenbar ist aber auch daran gedacht, diese Märkte nicht nur in der Simulation, sondern auch in Wirklichkeit auszutesten, da DARPA bei der Beschreibung angibt, dass es auch darum geht, "nützliche Informationen aus Märkten ohne Kompromittierung der nationalen Sicherheit" zu ziehen und Kompensationen anzubieten, die "ethischen und legalen" Bedingungen gehorchen, aber weiterhin "attraktiv" bleiben. Irgendwie dürfte es also darum gehen, dem weltweiten Informationsmarkt durch Bestechung oder "Kompensation" wichtige Informationen zu entlocken, an die man anderweitig nicht kommen würde.
Zunächst aber steht die Simulation im Vordergrund. Ab Freitag können sich die ersten Investoren, die anonym bleiben, bei der ersten Stufe der Pentagon-Börse, "Policy Analysis Market" (PAM), anmelden, um hier auf Vorhersagen von Terroranschlägen setzen und damit Geld machen (oder verlieren) zu können. Bewerben können sich Interessierte weltweit. Nach welchen Kriterien ausgewählt wird, ist jedoch auf der Website nicht angegeben. Betrieben wird die Börse von der Darpa, der Economist Intelligence Unit der Economist Group, die die Zeitschrift The Economist herausgibt, und Net Exchange.
PAM ist ein Schritt, um für das Pentagon "marktbasierte Techniken zur Vermeidung von Überraschungen und Vorhersage von künftigen Ereignissen" zu entwickeln. Der Online-Handel beginnt am 1. Oktober, wenn alles nach Plan geht, und ab 1. Januar rechnet man, wie die Washington Times berichtet, bereits mit 10.000 Händlern in Sachen Terrorismus. Händler können beispielsweise auf die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags auf Arafat, eines Angriffs mit biologischen Waffen auf Israel oder eines Raketenangriffs Nordkoreas setzen. Wenn die Vorhersagen eintreffen, klingelt die Kasse. Die Gewinne sollen aus den Einsätzen ausgezahlt werden.
Die Börse mit dem Thema "A Market in the Future of the Middle East" wird vor allem die wirtschaftlichen, zivilen und militärischen Zukunftsaussichten der Länder im Nahen Osten behandeln. Aber auch die Folgen der US-Aktivitäten in Ägypten, Jordanien, Israel, Saudi-Arabien, Syrien, in der Türkei oder im Irak oder Iran sollen damit abgeschätzt werden, vielleicht auch, weil man bislang Schwierigkeiten mit solchen etwas komplexeren Wechselwirkungen hatte. Als Beispiel wird der Sturz des jordanischen Königs während des Kriegs im Irak behandelt. Möglich sind zunächst vierteljährliche Verträge auf Entwicklungen im Nahen Osten, aber auch auf Indikatoren der globalen Wirtschaft und Sicherheit sowie auf bestimmte Ereignisse wie die mögliche Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die USA im Jahr 2005.
Aber, so beruhigt man bei Darpa, das sei eigentlich ja nur ein kleines Forschungsprogramm, das unter anderem erkunden will, ob eine solche Börse überleben kann und Menschen weiterhin an ihr teilnehmen werden, wenn es Ernst wird und die US-Behörden sie benutzen, um Terroranschläge zu verhindern. Eine Frage sei auch, ob solche Future-Märkte von Gegnern manipuliert werden könnten.
Der demokratische Senator Ron Wyden, der bereits im Senat den Stopp von Geldern für TIA durchgesetzt hat (Datamining und Gerüchte-Sammeln gegen den Terror), und andere Kritiker haben in einem Brief an Poindexter verlangt, die Kriegs- und Terrorbörsen sofort einzustellen. Letztlich könnten, da die Händler anonym bleiben sollen, auch Terroristen selbst teilnehmen. Wyden bezeichnete diesen Markt als "grotesk" und "bizarr". Es sei moralisch falsch, auf Terrorismus Wetten abzuschließen: "Die Regierung unterstützt Menschen, Wetten auf Untaten und Terroranschläge abzuschließen und daran zu verdienen." Senator Byron Dorgan, auch ein Demokrat, meinte hingegen, FutureMAP sei ein "unglaublich blödes Programm", das keinen Wert habe, aber dafür für jeden anstößig sei. Die Entwicklung der Börse hat bereits 800.000 US-Dollar gekostet. 8 Millionen Dollar werden für die weitere Entwicklung vom Pentagon gefordert.
Die Darpa selbst verteidigt das Programm. Man versuche, mit möglichst vielen neuen Möglichkeiten Terroranschläge zu verhindern. FutureMAP helfe "Analysten, Terroranschläge durch die Verwendung von Future-Marktmechanismen vorherzusagen und so zu verhindern." Die Wissenschaft habe gezeigt, dass solche Märkte sehr effizient und schnell sein können, verstreute und auch verborgene Informationen zu sammeln: "Future-Märkte haben demonstriert, dass sie gut bei Vorhersagen wie Wahlergebnissen sind; sie sind oft besser als Expertenmeinungen."
Allerdings könnte man auch zu der Schlussfolgerung kommen, dass die US-Regierung, nachdem die Geheimdienste beim 11.9. versagt und die Nahost-Politik vor allem im Irak nicht unbedingt die gewünschten Erfolge bietet, nun auf ein Börsenorakel zurückgreift, weil ihr und ihren Experten sonst nichts mehr einfällt. Die Geheimdienste hat man bei der Lieferung der Beweise für Massenvernichtungswaffen noch einmal öffentlich in ihrer Glaubwürdigkeit demontiert. Makaber ist die Börse auf jeden Fall, auch wenn Terrorismus und Antiterror-Maßnahmen natürlich einen Markt darstellen, an dem gut verdient werden kann.