Terrorist-Information-Awareness
Die "FutureMAP" Observationen: Überwachung bis der Arzt kommt
Das umstrittene Total-Information-Awareness-Programm (Weltweites Schnüffelsystem) des Pentagon hat einen neuen Namen bekommen: Terrorist-Information-Awareness. Im Februar hatte der amerikanische Kongress erste Gesetzesvorlagen zum TIA abgelehnt und einen ausführlichen Bericht vom Pentagon verlangt. Jetzt soll das Passepartout "Terror" im neuen Programmnamen den Weg freimachen für den Beschluss der dazu nötigen Gesetze.
Zwar hätten sich die Kongressabgeordneten detailliertere Informationen über das Programm gewünscht, vor allem was den Schutz der Privatsphäre der Bürger betreffe, aber die Bemühungen des Pentagon in dieser Richtung würden sich hauptsächlich in der Umbenennung erschöpfen, so die Washington Post (s.a.: DARPA gibt Details zu "Terrorist Information Awareness"-Programm bekannt).
Der frühere Name "Total Information Awareness" habe, so heißt es im Darpa-Bericht, bei manchen den Eindruck erweckt, man wolle Dossiers von US-Bürgern anlegen. Ganz im Gegenteil, so versichert man, sei aber das Programm darauf ausgelegt, die US-Bürger zu schützen, "indem ausländische Terrordrohungen vor einem Angriff erkannt und verhindert werden sollen". Um dies deutlich zu machen, habe man Total in Terrorist verwandelt.
Vision und Anspruch des modifizierten TIA, in das bis 2005 53 Millionen Dollar investiert werden sollen, sind allem Anschein nach unverändert total und bedenklich. Bei der Forschungsbehörde Darpa des Pentagon (siehe Das Orakel der DARPA) ist man nachdrücklich fasziniert von den Möglichkeiten des Datensammelns und des immer raffinierteren Data-Mining: Man will ein Überwachungssystem entwickeln, das bislang nur im Science-Fiction-Genre zuhause war (dazu passt auch ein anderes Darpa-Projekt, das manche in direktem Zusammenhang mit TIA sehen - LifeLog: Nichts geht verloren - oder: Totale Überwachung).
So sollen Passanten über deren Iris, ihre markanten Gesichtszüge oder ihre Gangart per Video identifiziert werden; Flugtickets, Bahnfahrkarten, Visaanträge, e-mails, finanzielle Transaktionen, medizinische Daten, schulische Daten, biometrische Daten; alles soll herangezogen und durch hochkomplexe "Mining"-Verfahren operabel gemacht werden, um künftige Terrorakte zu vermeiden. Das Sammeln und Zusammenführen von Daten soll dabei helfen, die "Intention" von Terroristen zu erkennen oder Terrororganisationen besser zu verstehen. Die angestrebte Datenbank soll auch neue Visualisierungsmöglichkeiten anbieten, damit auch Nicht-Experten schnell die wichtigen Zusammenhänge erfassen können. Ergänzt werden soll die Datenbank durch Handlungsoptionen zur Abwehr der Bedrohung.
Nach Auffassung des DARPA-Chefs Admiral John Poindexter (siehe US-Regierung plant Überwachung des gesamten Internet) sind Terroristen nämlich meist in einer Reihe von Interaktionen involviert, die Finanzen betreffen, Kommunikation und Reisen. Wenn nur genügend Datenmaterial zur Verfügung stünde, seien sie durch ihre Aktivitäten im Vorfeld der Terrorakte auch aufzuspüren.
In dem Bericht wird versichert, es handele sich bislang lediglich um ein Forschungsprojekt, das zu einem Prototypen führen soll. Man werde nur Daten und Informationen benutzen, die legal von den Geheimdiensten erhoben oder die ganz künstlich erzeugten wurden, um Verhalten in der wirklichen Welt zu simulieren. Das Pentagon als oberste Aufsicht beteuert zudem, dass Datenschutz (Privacy) und bürgerliche Freiheiten streng beachtet würden. Das TIA-System selbst werde vorsehen, dass die entsprechenden Gesetze nicht verletzt werden. Wenn der Kongress zustimmt, soll TIA im Jahr 2003 mit 9,2 Millionen, 2004 mit 20 Millionen und 2005 mit 24,5 Millionen Dollars finanziert werden.
Für die Kritiker (Überwachungsmonster USA) geht das TIA-Programm, das sogar die Fluktuationen der öffentlichen Märkte in die Observationen mit dem Programm "FutureMAP" mit einbeziehen oder mit "Misinformation Detection" Sprache und Texte nach irreführenden Inhalten durchsuchen will, zu weit. Es sei fragwürdig, wie stark das Programm dem Verdacht den Vorzug gegenüber der Unschuldsvermutung gebe. Dazu würden die Beobachteten im Unklaren darüber gelassen, ob Daten von ihnen erhoben würden. Überdies sei die Frage bei dem Ansatz, ob beispielsweise Terroristen ihren Sprengstoff mit Kreditkarten kaufen.
Manche, wie James Dempsey, der Leiter des Center for Democracy and Technology, meinen, dass der Schutz der Privatsphäre durch den Patriot Act ohnehin schon über die Maßen zugunsten der Interessen der Geheimdienste vernachlässigt werde und womöglich gar nicht zu den Resultaten führe, die man sich erhoffe.
Schon vor dem 11.September verfügte die Regierung über furchterregende Möglichkeiten, aber scheiterte daran, sie sinnvoll zu nutzen. Und das Versagen hatte wenig, wenn sogar nichts mit den Regeln zu tun, die geschaffen wurden, um die Privatsphäre zu schützen.