Das DARPA-Überwachungsprojekt soll an die Leine gelegt werden

Einstimmig hat der Senat strenge Kontrollen für Entwicklung und Einsatz des "Total Information Awareness" Projekts im Inland gefordert

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Das vom dubiosen ehemaligen Admiral John Poindexter geleitete Total Information Awareness Projekt (TIA), das eine möglichst weitgehende weltweite Überwachung und Durchsuchung von Kommunikation und Datenbanken aller Art ermöglichen soll (Totale Überwachung), ist gestern vom Senat ohne Diskussion und einstimmig während der Verabschiedung eines Haushaltsgesetzes eingeschränkt worden. Die überraschend erzielte Zustimmung zu der Vorlage des demokratischen Abgeordneten Ron Wyden könnte darauf hinweisen, das innenpolitisch der von der Bush-Regierung forcierte Ausnahmezustand als Hintergrund für Einschränkungen der Bürgerrechte nicht mehr hingenommen wird.

Das TIA-Logo ist mittlerweile von der Webseite des Projekts ebenso wie manche Informationen verschwunden

Senator Wyden hatte das Projekt als "den am weitesten gehenden Vorschlag zur staatlichen Überwachung, von dem wir jemals gehört haben", bezeichnet. Seine nun vom Senat angenommene, aber noch nicht im Repräsentantenhaus verhandelte Gesetzesvorlage sieht vor, dass die Regierung zwar weiterhin freie Hand beim Einsatz im Ausland hat, die Überwachung im Inland von US-Bürgern aber an strikte Auflagen und Kontrollen gebunden wird. Zum Einsatz im Inland müssten gesonderte Gesetze verabschiedet werden.

Sollte auch das Repräsentantenhaus zustimmen, so müsste die Entwicklung des Systems erst einmal nach Inkrafttreten des Gesetzes eingestellt werden, bis das Pentagon einen ausführlichen Bericht über Kosten, Ziele, Auswirkungen auf die Privatsphäre und die Bürgerrechte sowie die Erfolgsaussichten vorlegt, mit dieser gigantisch aufgeblähten Rasterfahndung tatsächlich auch Terroristen aufspüren zu können. Allerdings wurde bereits eine Hintertür eingerichtet, wenn der Präsident bestätigt, dass ein solcher Bericht nicht gegeben werden kann oder dass die Weiterführung des Projekts für die nationale Sicherheit notwendig ist. Allerdings muss der Kongress auch dann noch den Einsatz jeder Technologie billigen, die im Rahmen des Projekts entwickelt worden ist.

Die Senatoren beider Parteien scheinen angesichts des geplanten, auch wenn womöglich gar nicht realisierbaren Projekts einer totalen Überwachung aufgewacht zu sein und wollen zumindest für die US-Bürger den von der Bush-Regierung anvisierten Gang in eine weitergehende Überwachungsgesellschaft verhindern. Angezapft und ausgewertet sollte nicht nur echelon-mäßig jede Kommunikation, sondern mit TIA will der mit Bush sen. verbundene und maßgeblich in den Iran-Contra-Skandal verwickelte ehemalige Admiral und Physiker auf alle staatlichen und kommerziellen Datenbanken im In- und Ausland zugreifen, um so über das Kaufverhalten, finanzielle Transaktionen, Reisen oder anderweitige Tätigkeiten, die Spuren hinterlassen, präventiv Hinweise auf verdächtiges Verhalten Einzelner zu gewinnen.

Neben mehreren demokratischen Senatoren hat auch der republikanische Senator Charles Grassley die Gesetzesvorlage unterstützt. Für ihn soll sie sicherstellen, dass "das TIA-Programm die sehr prekäre Balance einhält, die notwendig ist, um die Freiheit der Bürger zu schützen, während sie gleichzeitig die Amerikaner gegen Terroristen schützt." So wichtig die strenge parlamentarische Kontrolle eines maßlosen Überwachungs- und Rasterfahndungsprojekts auch sein mag, so gibt es bislang doch keinen prinzipiellen Widerstand gegen den weiteren Ausbau der Überwachungstechnologie (Überwachungsmonster USA). Genauso wenig werden Einschränkungen für die Auslandsspionage etwa für die Bürger befreundeter demokratischer Länder auch nur in Betracht gezogen.

Grassley hatte bereits im November die Befürchtung geäußert, dass mit dem TIA-Projekt, das vom Pentagon finanziert und entwickelt wird, die Grenzen zwischen Strafverfolgung im Inland und militärischer Sicherung eingerissen werden. Insbesondere wollte er Aufklärung darüber, ob bereits Kontakte zwischen den Projektmitgliedern und dem Justizministerium bestehen, da davon die Rede war, dass man versuchsweise die Technik an anonymisierten Daten des FBI testen wolle, auch wenn dies vom Justizministerium abgestritten wurde. Nach der von Grassley eingeholten Auskunft des Pentagon-Inspekteurs habe Anthony Tether, der Direktor der DARPA, gesagt, dass nun Vorkehrungen zum Datenschutz beim TIA-Projekt entwickelt werden, die bislang nicht vorhanden waren.