Überwachungsmonster USA
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU warnt vor der jetzt technisch möglichen Realisierung einer totalen Überwachungsgesellschaft und einer weiteren Erosion des Schutzes der Privatstphäre
Die American Civil Liberties Union (ACLU), die größte Bürgerrechtsorganisation der USA, sieht eine düsterne Zukunft unter der Bush-Regierung voraus. Als Bürgerrechtsbewegung kritisiert sie die Folgen der Terrorismusbekämpfung im Inland. Und hier warnt sie davor, dass die USA auf dem besten Wege seien, sich in eine totale Überwachungsgesellschaft zu verwandeln.
In dem von der ACLU eben veröffentlichten Bericht: Bigger Monster, Weaker Chains: The Growth of an American Surveillance Society soll darauf hingewiesen werden, dass die Technologie im Grunde schon vorhanden ist, um eine Überwachungsgesellschaft zu realisieren. Eine "Explosion von Computern, Sensoren, Kameras, drahtloser Kommunikation, GPS, biometrischer Verfahren und anderer Technologien" habe ein "Überwachungsmonster" herangezüchtet, das nun "still mitten unter uns heranwächst".
Vor der Entfesselung des "Überwachungsmonsters" schützen nur noch Verfassung und Gesetze, aber die stehen nicht nur seit dem 11.9. unter hohem Druck, sondern hätten bereits mit einer Vielzahl neuer Regelungen wie dem Patriot Act oder dem Homeland Security Act (Big Brother Staat USA?) große Breschen erhalten. Die Gefahr würden aber viele Menschen nicht wirklich erkennen können, auch wenn täglich Berichte über neue Überwachungstechnologien und neue Befugnisse der Sicherheitskräfte von den Medien berichtet würden. Wenn man immer nur Bruchstücke wahrnehme, diese aber nicht zu einem Bild zusammenfüge, wie dies der ACLU-Bericht für sich in Anspruch nimmt, dann könne man nicht sehen, dass die "Big Brother Überwachung" keineswegs nur der "Stoff von Büchern und Filmen" sei.
Der Bericht listet einige der bereits vorhandenen Überwachungstechnologien wie Überwachungskameras mit Gesichtserkennung, Echelon oder Carnivore und Datenbanken zur Speicherung persönlicher Daten von DNA-Profilen bis hin zum CAPS-Programm auf, mit dem aufgrund persönlicher Daten von Flugreisenden diese überprüft werden. Gewarnt wird nicht nur vor den Big Brothers der staatlichen Behörden, sondern auch vor der zunehmenden Überwachung in der Privatwirtschaft, wo gewaltige Mengen an persönlichen Daten erhoben und gehortet werden - und meist in die falschen Hände gelangen sollen. Obgleich die privatwirtschaftliche Datensammlung ein Milliardenmarkt sei, gehe aber die größere Gefahr vom Staat aus.
Untermalt wird das große Gespenst des "Überwachungsmonsters" aber auch durch das gescheiterte Spitzelprojekt TIPS von Justizminister Aschroft, vor allem aber durch das vom Pentagon geplante Total Information Awareness (TIA) Projekt, das unter der Leitung des dubiosen ehemaligen Admirals Poindexter eine Möglichkeit entwickeln soll, wie sich möglichst viele unterschiedliche Daten über Geldtransfers, Einkäufe, Reisen, Kommunikation oder was auch immer von möglichst vielen Menschen in einer "ultra-großen" Datenbank sammeln und mit ausgefeilten Data Mining Programmen nach "verdächtigen" Hinweisen durchsuchen lassen (Weltweites Schnüffelsystem). Die Datenbanken der ganzen Welt würden dabei als eine große zentrale Datenbank betrachtet werden. "Selbst wenn TIA niemals in der gegenwärtigen Form verwirklicht wird, so zeigt dieser Bericht", erklärt Barry Steinhardt von ACLU, "dass die grundlegenden Trends viel größer sind als ein einzelnes Projekt oder eine umstrittene Person wie John Poindexter."
Für Nicht-Amerikaner ist freilich auch erstaunlich, wenn ACLU sagt: "Programme wie TIA wenden die Verteidigungskapazitäten der Vereinigten Staaten nach innen und übertragen sie auf amerikanische Menschen." Nun gibt es zwar weltweit wohl kein Hindernis, dass Geheimdienste aller Staaten die Bürger der jeweils anderen Staaten hemmungslos abhören und überwachen, wenn sie dies denn technisch können, gleichwohl wäre wohl auch wichtig, allmählich stärker als bislang auf der globalen Ebene das Recht auf den Schutz der Privatsphäre zu stärken. Der "willkürliche" Einbruch in die Privatsphäre ist auf internationaler Ebene gang und gäbe (Vom Menschenrecht, in Ruhe gelassen zu werden).
Aber vorläufig bleibt nur der Appell an die jeweils zuständigen Regierungen. ACLU fordert beispielsweise, dass in den USA erstmals ein umfassendes landesweites Datenschutzgesetz eingeführt werden müsse, da jetzt der Schutz der Privatsphäre unüberschaubar auf vielen Ebenen unterschiedlich geregelt werde. Auch der vierte Verfassungsrechtzusatz sei mehr und mehr aufgeweicht worden. So seien die Möglichkeiten einer Durchsuchung außerhalb der Wohnung und in der "Öffentlichkeit" ohne richterlichen Beschluss stetig erweitert worden. Das aber zeige, dass Privatsphäre noch zu eng an den Schutz von Privaträumen gebunden werde, während die Überwachungstechnologie zunehmend mehr auch die Menschen erfasst, die sich in der Öffentlichkeit bewegen:
"Wie andere von der Verfassung geschützte Rechte müsste auch der vierte Zusatz zur Verfassung unter gegenwärtigen Bedingungen verstanden werden. Neue Technologien statten die Regierung mit dem Äquivalent von Supermans Röntgenblick im 21. Jahrhunderts aus. Die Regierung kann mit dem Einsatz von leistungsstarken Videotechnologien, mit denen sich buchstäblich im Dunklen sehen lässt, über biometrische Identifizierungstechniken wie Gesichtsidentifizierung bis hin zum "brain fingerprinting" (Gehirnscans mit dem fMRI zur Terroristenerkennung), mit dem man angeblich die Gedanken lesen kann, umfangreiche Durchsuchungen unserer 'Personen und Besitztümer' durchführen, während wir unserem Alltag nachgehen - und sogar während wir uns in der 'Öffentlichkeit' befinden."