US-Justizminister Ashcroft verteidigt das geplante Spitzelsystem TIPS
Informationsbeschaffung und Überwachungstechnologie seien seit den 70er Jahren auf "exzessive Weise" beschnitten worden
Der Einfall der US-Regierung, die Homeland Security nicht nur mit Militär, Geheimdiensten und Experten aus anderen Bereichen, sondern neben den bereits existierenden Nachbarschaftswachen zudem mit einem landessweiten Netz an Laienspionen zu unterstützen, ist auch im eigenen Land auf Skepsis gestoßen. Jetzt will US-Justizminister Ashcroft zumindest auf eine zentrale Datenbank verzichten, verteidigt das Projekt aber noch immer.
Würde Operation TIPS (Terrorist Information and Prevention System) in dem geplanten Ausmaß umgesetzt, dann würde sich die USA in ein Land verwandeln, das voller Spitzel und Blockwarts ist (Ashcrofts Spitzelsystem). Schließlich ist TIPS nur ein Teil von USA on Watch, einer Kampagne, die möglichst jeden Amerikaner in einen Spion verwandeln soll, der eifrig Schritt und Tritt seiner Mitbürger verfolgt, um Ungewöhnliches sofort bei den Behörden zu melden.
Die Operation TIPS sieht vor, die Menschen als Informanten einzuspannen, deren Berufe dafür geeignet sind. Briefträger, Lieferanten oder Handwerker könnten denn auch schon einmal einen Blick in die Wohnungen werfen, auch Lastwagenfahrer, Personal in Zügen, U-Bahnen oder Bussen, Verkäufer, Crewmitglieder auf Flugzeugen oder Schiffen sollen ihren Teil zur Sicherheit des Landes beitragen und zu Augen und Ohren der wachsamen Nation werden. Nach den Plänen käme etwa ein Informant auf 24 Bürger. Das ist eine stattliche Dichte. So hätte denn dank der Terroristen in der alternativenlos kapitalistischen Welt nach dem Kalten Krieg das totalitäre Gesellschaftssystem des realen Sozialismus doch noch das freie Amerika eingeholt.
Justizminister Aschcroft rechtfertige das Spitzelsystem gestern vor einem Senatsausschuss natürlich wieder mit der drohenden Gefahr durch die Terroristen, die am 11.9. "kriegerische Akte gegen die USA" begangen und einen "Anschlag auf die Werte, für die wir eintreten: die Werte der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit", ausgeführt haben. Deswegen müsse man eben auch das Sicherheitssystem entsprechend ändern. Vor allem käme es darauf an, mehr Information zu erhalten, denn wegen der Beschränkungen der Informationsbeschaffung für Geheimdienste und Strafverfolger habe man die Anschläge nicht verhindern können. Seit den 70er Jahren habe man auf "exzessive Weise" die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -weitergabe beschnitten: "Überwachungstechnologie verkümmerte und untergrub unsere Fähigkeit, uns an neue Gefahren anzupassen. Information, einst der beste Freund der Strafverfolgung, wurde zum Feind."
Jetzt also macht sich der Justizminister auf, um in die dunkle Welt das Licht der staatlichen Aufklärung zu tragen, denn das Justizministerium hat vornehmlich die Aufgabe, Terrorismus zu verhindern (dabei bleiben dann die Werte, die eigentlich verteidigt werden sollen, ein wenig auf der Strecke, was Ashcroft schon verschiedentlich demonstriert hat). Die USA seien weiterhin ein Ziel von Terroristen, und es würde eine ganze Reihe von Menschen im Land geben, die Anhänger von al-Qaida seien. Daher sei eben Operation TIPS notwendig, um terroristische Aktivitäten im ganzen Land schnell zu erkennen.
"Es baut auf existierenden Programmen auf, die es in der Wirtschaft gibt. Man benutzt die Kompetenzen der Menschen, die regelmäßig etwas wahrnehmen, die erkennen, was dort nicht in Ordnung ist, was sich unterscheidet und etwas sein könnte, das man näher anschauen sollte."
Selbst der Republikaner Orrin Hatch, der TIPS und allen anderen Aktivitäten des Justizministers ansonsten sehr wohlwollend gegenübersteht, betonte, dass man kein 1984 haben wolle, keine "Orwellsche Situation, wo Nachbarn über Nachbarn berichten". Es sollte sich nur um "berechtige Berichte über wirkliche Problemfälle handeln, bei denen es um terroristische Aktivitäten gehen kann".
Ashcroft versicherte nun überraschend, wie die Washington Post berichtet, dass man nicht beabsichtige, Informationen aus den Privatwohnungen etwa von Angestellten eines Telefonunternehmens aufzunehmen. TIPS sei sowieso nur eine Zwischenbehörde, welche die Informationen, die über das Telefon an sie gelangen, an die Sicherheitsbehörden weitergebe. Zudem habe man aufgegeben, diese Informationen in einer zentralen Datenbank zu speichern. Alles als ganz harmlos.