G20-Gipfel: Politische Dissonanzen

China und die USA treten dem Klimaabkommen bei. Bild: White House/Pete Souza

Zu Beginn gaukelten die beiden größten Treibhausgas-Emittenten China und USA durch die Ratifizierung des Klimaabkommens Harmonie vor

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Es war ein kurzer Paukenschlag, als der Gastgeber des G20-Gipfels China und die USA zu Beginn das Abkommen von Paris über den Klimaschutz ratifiziert haben. Damit wurde zwar ein großer Schritt gemacht, um es noch dieses Jahr wirksam werden zu lassen. Doch die Vereinbarung ist bekanntlich unverbindlich. Und neue Zusagen gab es auch nicht. Die sind nach Ansicht von Experten nötig, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Doch sehr vage und widersprüchlich blieb der verabschiedete "Aktionsplan". Mit dem "Konsens von Hangzhou" soll die schwächelnde Weltwirtschaft angekurbelt werden. Das war die Nachricht, die China verbreiten wollte, deren Staatspräsident Xi Jinping auch "schmerzhafte Reformen" für sein Land angekündigt hatte. Die Abschlusserklärung nimmt deutliche Probleme nicht einmal zur Kenntnis oder sie werden mit der üblichen Phraseologie übertüncht oder schöngeredet.

Zusehends war der Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, der schließlich am Montagnachmittag mit der verzögerten Veröffentlichung der Abschlusserklärung beendet wurde, von Spannungen überlagert. Die gespielte Harmonie, mit der vor allem die USA und China in das Treffen gegangen waren, wurde bald durch die realen Spannungen verdrängt. Dass es auf dem Rollfeld des Flughafens bei der Ankunft von US-Präsident Barack in der Provinz Zhejiang zu einer eher absurden Auseinandersetzung kam, machte das schon sehr deutlich. Hier wurde im Kleinen ein Machtkampf ausgetragen und China unterstrich seine Ansprüche im Rahmen einer neuen internationalen Machtverteilung.

Schon damit wurde offensichtlich, dass von Harmonie keine Rede sein konnte, in der die beiden größten Emittenten von Treibhausgasen zunächst angekündigt hatten, gemeinsam das Klimaabkommen von Paris zu ratifizieren. So übergaben der Gastgeber Xi Jinping und Obama die entsprechenden Dokumente schon vor Beginn des Gipfels in Hangzhou an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Obama sprach dabei von einem entscheidenden Schritt zur "Rettung unseres Planeten", während Staatspräsident Xi Jinping vom Wohlergehen und der Zukunft der Menschheit sprach. Das Abkommen lege die Weichen für den Kurs einer globalen Zusammenarbeit nach 2020 im Kampf gegen Klimawandel. Es lasse erkennen, dass ein kooperativer, auf Win-Win basierender und fairer Klimaordnungsmechanismus Gestalt annehme.

Klar ist, dass damit Dynamik in den Ratifizierungsprozess gekommen ist. Denn zuvor fehlten noch 22 Staaten, die für fast 54% der gesamten Treibhausgase verantwortlich sind (Für das Klimaabkommen fehlen 22 Staaten und 54 Prozent der Emissionen). Damit das Übereinkommen in Kraft treten kann, müssen es mindestens 55 Staaten ratifizieren, die gemeinsam für wenigstens 55% aller Treibhausemissionen verantwortlich sind. Zwar sind mit den USA und China zunächst nur zwei Länder neue hinzugekommen, doch die sind für fast 40% der Klimagase verantwortlich. China sorgt allein für etwa 25% des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes, während die USA auf rund 15% kommen.

Es kann nun tatsächlich darauf gehofft werden, dass das Abkommen noch in diesem Jahr in Kraft tritt, da Obama und Xi Jinping alle Teilnehmer - auch Deutschland - dazu aufgerufen haben, ihnen zu folgen. Nun fehlen dazu also noch 20 Länder mit einem Anteil von etwa 15%. In der Abschlusserklärung des Gipfels - dem sogenannten "Konsens von Hangzhou" - haben sich aber auch die übrigen Teilnehmer verpflichtet, das Abkommen zu ratifizieren, damit es noch 2016 in Kraft treten kann.

Doch sogar dabei bleibt die Abschlusserklärung vage. "Wir verpflichten uns, unsere jeweiligen innerstaatlichen Verfahren abzuschließen, um dem Übereinkommen von Paris beizutreten, sobald dies unsere nationalen Verfahren zulassen." Die G20-Staaten "sehen einer raschen Umsetzung des Übereinkommens mit all seinen Aspekten erwartungsvoll entgegen", wird die übliche Phraseologie bemüht. Und beim genaueren Hinsehen ist dieser "Erfolg" des Gipfels in Wirklichkeit auch keiner. Denn mit den in Paris vereinbarten Zielen kann das vorgegebene Ziel, eine Erwärmung des Weltklimas auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht erreicht werden. Experten rechnen bei einer Umsetzung eher mit drei Grad, wenn diese ohnehin nur schwachen Klimaziele tatsächlich umgesetzt werden. Und das ist zudem fraglich, da die Ziele weder völkerrechtlich verbindlich vereinbart wurden und bisher die Finanzierung in Entwicklungsländern unklar ist.

So ist es kaum verwunderlich, dass diverse Organisationen nicht mit Kritik sparen. "Dass die G20-Länder die Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens anstreben, ist kein Erfolg, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein", meinte der Oxfam-Sprecher Jörn Kalinski. Schließlich, fügt er an, sei das Abkommen schon im vergangenen Jahr im Konsens verabschiedet worden. Der Sprecher der Entwicklungsorganisation ist enttäuscht, dass es keine neuen Zusagen gab, weil die bisherigen nationalen Pläne nicht ausreichend seien, um das festgelegte Ziel zu erreichen. "So wird der Klimavertrag schnell zum Papiertiger, mit katastrophalen Folgen für die ärmsten und vom Klimawandel besonders betroffenen Länder."

Er wies auch auf das nächste Problem in den Beschlüssen hin. Kalinski kritisierte, dass es zum Beispiel bei den klimaschädlichen Subventionen von Kohle keine Fortschritte gab. Angeblich, um "die Ärmsten" zu unterstützen, sollen nur "ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe, die zu verschwenderischem Verbrauch verleiten", mittelfristig rationalisiert und "stufenweise" abgebaut werden. Vager kann man es kaum formulieren, um zu verschleiern, dass faktisch nur eine längst getroffene Entscheidung der G20 bekräftigt worden ist, ohne dies weiterhin konkret zu unterfüttern. Auf ein Wie und ein Wann wartet man aber weiter vergeblich.

So meinte auch Greenpeace, dass es zwar ein gutes Signal sei, dass nun das Pariser Abkommen schnell ratifiziert werden soll, doch "es fehlen konkrete Verpflichtungen, etwa zum Stopp von Kohle-Subventionen", kritisierte Tobias Münchmeyer. Mit Blick darauf, dass Deutschland nach China die G20-Präsidentschaft übernimmt, müsse die Bundeskanzlerin zuallererst im eigenen Land den Abschied von der Kohle einläuten. Bisher ist Deutschland dabei alles andere als ein Vorreiter. Der Rückgang des Kohleverbrauchs ist sogar noch geringer als in China und deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Und in einigen EU-Ländern hat der Verbrauch 2015 sogar wieder massiv zugenommen.

Südchinesisches Meer, Ukraine, Syrien: Uneinigkeit gab es auf den verschiedensten Ebenen

Auf politischer Ebene wurden kaum Ergebnisse erzielt. So verbat sich China eine Einmischung in innere Angelegenheiten, da Obama die Haltung des Landes im Inselstreit im Südchinesischen Meer verurteilt und mit möglichen "Konsequenzen" auch auf wirtschaftlicher Ebene gedroht hatte. Er hatte kritisiert, dass China den Schiedsspruch aus Den Haag nicht anerkannt habe und nun mit den "Muskeln" spiele, weil es größer sei als die Philippinen oder Vietnam. "When it comes to issues related to security, if you sign a treaty that calls for international arbitration around maritime issues, the fact that you're bigger than the Philippines or Vietnam or other countries in and of itself is not a reason for you to go around and flex your muscles."

Und so wies die chinesische Führung im Gespräch mit Obama auch die Kritik an Menschenrechtsfragen ab. Xi Jinping forderte Obama vielmehr auf, "eine konstruktive Rolle" bei der Wahrung von Frieden und Stabilität in der Region zu spielen, in der China "unerschütterlich" seine territoriale Souveränität und Interessen schützen werde. Der Staatspräsident meint, dass die USA mit "zweierlei Maß" messen würden. Sie hätten ohnehin keinerlei Recht, sich in der Seerechtsfrage zu äußern, da die USA die Seerechtskonvention (UNCLOS) nicht einmal ratifiziert hätten.

Von politischer Einigkeit war auch in der Syrien-Frage nichts zu spüren, wobei hier die Konfliktlinien eher zwischen Russland und den USA verliefen. Eine Einigung zu einer Waffenruhe in Syrien wurde nicht erzielt. Da half auch ein direktes Treffen zwischen Obama und dem russischen Staatschef Wladimir Putin nicht weiter. Vereinbart wurde nur, dass die Außenminister beider Länder weiterverhandeln werden und sich möglichst in dieser Woche noch einmal treffen sollen.

Keine Einigkeit über Syrie erzielt. Bild: Kreml

Im Ukraine-Konflikt gab es offenbar auch weder eine Annäherung noch einen Durchbruch. Darüber verhandelte Bundeskanzlerin Merkel mit Putin. Knapp zwei Stunden hatten sie am Rand des Gipfels gesprochen. Nach Angaben von Merkels Sprecher sei "sehr konkret" darüber verhandelt worden, wie die Prozesse im Rahmen der Minsker Abkommen fortgesetzt werden können. Details nannte Steffen Seibert aber keine. Zuletzt hatte Außenminister Steinmeier mehrere Vorstöße gemacht, um zu weniger angespannten Beziehungen mit Russland zu kommen (Russland-Sanktionen rücken auf den Prüfstand). Als Reaktion darauf rückte auch Merkel vor dem G20-Gipfel von der bisherigen Maxime ab, dass für eine Aufweichung der Russland-Sanktionen zunächst die Abkommen "vollständig" umgesetzt sein müssten. "In dem Moment, wo wir Fortschritte bei Minsk haben, werden wir die Sanktionen lockern", lautet nun die Devise.

Schaut man sich das Konfliktfeld und die Russland-Sanktionen an, dann relativieren sich schon darüber die übrigen Beschlüsse im "Konsens von Hangzhou" weiter. Denn die Sanktionen sind kaum mit den Zielen des Abbaus von Protektionismus oder damit zu vereinbaren, dass zur Ankurbelung der Weltwirtschaft "alle Instrumente - geld-, fiskal- und strukturpolitischer Art - einzeln und gemeinsam" genutzt werden sollen, "um unser Ziel eines starken, nachhaltigen, ausgewogenen und integrativen Wachstums zu erreichen". Da die Geldschwemme durch die Notenbanken aber zunehmend kritisch gesehen wird, wurde angefügt, dass die Geldpolitik weiterhin dazu dienen werde, "im Einklang mit den Mandaten der Zentralbanken die wirtschaftliche Tätigkeit zu unterstützen und Preisstabilität zu gewährleisten, aber Geldpolitik allein kann kein ausgewogenes Wachstum herbeiführen".

Schon dabei wird deutlich, dass die Abschlusserklärung letztlich so gestaltet wurde, dass sich alle darin irgendwie wiederfinden können, auch wenn sich vagen Beschlüsse zum Teil deutlich widersprechen. Denn so konnte auch Merkel von einem "perfekten Gipfel" sprechen. Es wimmelt nur so von schönen Worten, in denen gleich zu Beginn festgestellt wird, dass "sich die Erholung der Weltwirtschaft" fortsetze und sich "die Belastbarkeit einiger Volkswirtschaften" verbessert habe und sich "neue Wachstumsquellen" herausbildeten. Eingeräumt wird nur: "Das Wachstum ist nicht so stark, wie wir uns dies wünschen würden."

Widersprüche in der Wirtschaftspolitik

Wiederholt wurden die Worte, die schon die Finanzminister und Notenbankchefs kürzlich vorgegeben hatten (Brexit: War da was?). Angesprochen wurden "Abwärtsrisiken" aufgrund der "potenziellen Volatilität auf dem Finanzmarkt, von Schwankungen der Rohstoffpreise, fehlender Dynamik im Bereich Handel und Investitionen sowie mangelndem Tempo bei Produktivitäts- und Beschäftigungswachstum in einigen Staaten". Zudem würden Konjunkturaussichten durch Herausforderungen aufgrund geopolitischer Entwicklungen (wie zum Beispiel die Konflikte in der Ukraine, Syrien… verniedlicht werden) zunehmende Flüchtlingsströme sowie Terrorismus und Konflikten verkompliziert.

Vergessen wird dabei aber weiter, dass in großen Schwellenländern wie Brasilien oder Russland weiter Rezession herrscht. Ausgeklammert wird auch, dass es um die Konjunktur beim Gastgeber China weiterhin nicht sonderlich gut bestellt ist. In China lassen sinkende Exporte und Importe auf eine sehr deutliche Wachstumsschwäche schließen, die die offiziellen Wachstumszahlen aus Peking in Zweifel ziehen. In Dollar gerechnet gingen die Exporte im Juni erneut um 4,8% zurück, das war noch stärker als im Mai, als sie um 4,1% fielen. Im Juli sah es nach Zahlen der chinesischen Zollverwaltung nicht besser aus. Gegenüber dem Vorjahr gingen die Ausfuhren um 4,4% zurück.

Bild: Casa Rosada (Argentina Presidency of the Nation)/CC BY 2.5 ar

Die Importe brachen im Juli sogar um 12,5% ein, noch stärker als die 8,4% im Juni. Seit November 2014 gehen sie schon jeden Monat gegenüber dem jeweiligen Monat des Vorjahres zurück. Das geschieht nun also schon seit 21 Monaten in Folge! Diese Zahlen spiegeln sich eben auch im weltweiten Handel. Während die G20-Abschlusserklärung etwas von einem "robusten Welthandel" fabuliert, gibt es schon länger Hinweise darauf, dass der schwächelt. Und das hat natürlich mit der Lage in China zu tun, denn das Reich der Mitte hatte schon 2014 die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst.

Wie sich die Lage entwickelt, hatte kurz vor dem G20-Gipfel eine niederländische Behörde gemeldet, die dem Wirtschaftsministerium untergeordnet ist. Demnach ist der Welthandel zuletzt sogar geschrumpft, wie es der Frühindikator Baltic Dry zum Jahreswechsel vorweggenommen hatte, als er auf seinem niedrigsten Stand aller Zeiten fiel. Habe der weltweite Handel im ersten Quartal wenigstens noch stagniert, sei das Volumen im zweiten Quartal nun gegenüber dem Vorquartal sogar um 0,8% geschrumpft, zeigte CPB auf. Nach Angaben der Behörde verstetigt sich damit der Abwärtstrend. Im Vorjahr war das Welthandelsvolumen schwach um 1,6% gewachsen, während es in den beiden Vorjahren noch zwischen 2,5% und 3% lag. Das also soll ein "robuster Welthandel" sein?

Dass Wachstum angekurbelt werden soll, auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner konnte man sich einigen, auch wenn es zunehmend unkonkret und blumig wird, wenn es um die Maßnahmen geht. "Wir nutzen die Fiskalpolitik auf flexible Art und Weise und gestalten Steuerpolitik und öffentliche Ausgaben wachstumsfreundlicher, auch indem wir qualitativ hochwertigen Investitionen Priorität einräumen, während wir gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit stärken und sicherstellen, dass der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP auf einen tragfähigen Pfad gelangt." Letzteres dürfte Deutschland durchgesetzt haben. Die Verschuldung der Staaten soll also nicht in einem tragbaren Rahmen bleiben, sondern erst auf diesen Weg gelangen. Und mit diesen Formulierungen kann Berlin weiter gegenüber den europäischen Partnern den Austeritätskurs rechtfertigen. Allerdings steht dieser Kurs einer Wachstumsförderung entgegen.

Ganz ähnliche Widersprüche findet man auch in den Aussagen zur Geldpolitik. Zwar wird die explizit genannt, um die Konjunktur zu beleben, gleichzeitig wird aber betont, dass der G20 sich dagegen ausspricht, dass sich Länder über die Abwertung ihrer Währungen Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt verschaffen. "Wir bekräftigen erneut unsere bestehenden Wechselkurs-Verpflichtungen, wozu auch gehört, dass wir auf Abwertungskonkurrenz verzichten und unsere Wechselkurse nicht auf den Wettbewerb ausrichten."

Was von dieser Verpflichtung zu halten ist, zeigt die Vergangenheit. Denn genau das macht die Europäische Zentralbank (EZB) nun schon seit geraumer Zeit gezielt. Die Wirkung dessen, was Beobachter längst als Währungskrieg bezeichnen, blieb nicht aus. Die Exportüberschüsse in Europa sind deutlich gewachsen, weil der Euro schwächer wurde, davon hat vor allem Deutschland profitiert. Und die Politik, die eigene Währung gezielt für ein Exportwachstum zu schwächen, praktiziert Japan seit langem ganz offen (Die Zeichen stehen auf Währungskrieg). Japan hat ebenfalls "erneut" auf dem G20 bekräftigt, das genau nicht zu tun. Auch die US-Notenbank hatte dies lange getan, China ist inzwischen zum Teil in diese Spirale wegen Konjunkturproblemen eingestiegen (China steigt wegen Konjunkturflaute in Währungskrieg ein).

Führend bei dieser Politik war auch die britische Notenbank. Doch die hat das nach dem Brexit nicht mehr nötig, weil damit das Pfund deutlich abgestürzt ist, womit dieser Effekt über diesen Weg nun erreicht wird. Auch zum Brexit äußert sich der G20-Gipfel. Hier wird praktisch die bisherige Sprachregelung übernommen, wonach man gegenüber potenziell negativen Folgen des geplanten Ausstiegs Großbritanniens aus der EU gewappnet sei. Der "Ausgang des Referendums über die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EU" trage zwar zur "Unsicherheit in der Weltwirtschaft" bei, wird eingeräumt. Doch dann wird behauptet, gegen alle Horror-Szenarien vom "Brexit-Schock" für die Weltwirtschaft, die vor der Abstimmung entworfen wurden: "Die Mitglieder der G20 sind gut aufgestellt, um die potenziellen wirtschaftlichen und finanziellen Folgen, die sich aus dem Referendum ergeben, proaktiv anzugehen."

Gegenüber den Chinesen wurde durchgesetzt, dass zum Beispiel die Überkapazitäten in der Stahlindustrie dort sogar konkret angesprochen werden. So wird davon gesprochen, dass die "strukturpolitischen Probleme", zu denen auch "Überkapazitäten in einigen Industriezweigen zählen", sich durch die schwache Erholung der Weltwirtschaft und eine rückläufige Nachfrage auf den Märkten noch verschärft habe und negative Auswirkungen auf den Handel und die Arbeitnehmer verursacht haben. "Wir erkennen an, dass Überkapazitäten in der Stahlindustrie und in anderen Industriezweigen ein weltweites Problem darstellen, das gemeinsame Reaktionen erfordert." Dass China hier zu Zugeständnissen bereit war, hatte Xi Jinping schon in der Eröffnungsrede angedeutet, als er von "schmerzhaften Reformen" gesprochen hat. In der Abschlusserklärung wird nun vage erklärt, dass "Subventionen und andere Formen der Unterstützung durch Regierungen oder durch von Regierungen unterstützten Institutionen zu Verzerrungen auf den Märkten führen und globalen Überkapazitäten beitragen können". Eine reale Forderung nach Subventionsabbau sieht anders aus.

Die Chinesen freuen sich dagegen über die Formulierungen, dass die öffentlichen Ausgaben wachstumsfreundlicher sein sollen. Denn damit wird ihre Strategie abgesichert, die Position in der Region zu stärken, wo China wieder eine dominierende Rolle spielen will. Gearbeitet wird an einem regionalen Integrationsprojekt, also einer Handelsunion der Länder der Asien-Pazifik-Region unter Pekinger Führung. Und dazu kommt die Verbindung zwischen Asien und Europa über eine "Neue Seidenstraße". In entsprechende Infrastrukturprojekte soll ein Teil der Überproduktion im Bereich Stahl und Zement fließen.

China hat mit dem Gipfel seine wachsende weltpolitische Rolle gestärkt

China hat mit dem G20-Gipfel seinen Anspruch auf eine bedeutsamere Rolle in der Welt und sein gewachsenes Selbstvertrauen untermauert. Das Reich der Mitte will die Macht in der Welt neu verteilt sehen. Den Schwellenländern und vor allem die Brics-Staaten sollen "eine größere globale Rolle spielen", sagte Xi Jinping. Den Zusammenschluss nannte er einen der "weitreichendsten Veränderungen der globalen Strukturen". Die Chinesen hielten mit Brasilien, Russland, Indien und Südafrika auch praktisch gleichzeitig einen inoffiziellen Brics-Gipfel ab.

Gespannt sein darf man, in wieweit China den Forderung aus dem Westen nach einer Öffnung und fairen Bedingungen nachkommt. Der Umbau der chinesischen Exportwirtschaft zu einer, die auf dem internen Konsum basiert, schließt bisher Teilnehmer vom Wachstum in der größten Volkswirtschaft weitgehend aus. Da das Land immer weniger importiert, brechen die Exporte nach China ein, worüber auch die deutsche Exportwirtschaft nicht amüsiert ist.

Während China in Europa auf Einkaufstour sei, gäbe es "Zugangsprobleme in China" und "einige Marktsegmente sind total verschlossen für uns", hatte vor dem Gipfel zum Beispiel Jörg Wuttke erklärt. Der Präsident der Europäischen Handelskammer, dem wichtigsten Lobbyverband europäischer Firmen in China, fügte an. "Das kommt einem schon so vor, als sei Europa das Buffet", während die Europäer in China "immer noch mit der Zwangsjacke unterwegs" seien.