G7: "Wirtschafts-Nato" im Wettbewerb mit China

Seite 2: Wie wichtig ist China für die Produktion in Deutschland?

Telepolis wollte wissen, wie ″deutsch″ die Produktion der Smartphones bei Gigaset in Bocholt ist und hat Roberto Guidetti, Head of Supply Line Management bei Gigaset, gefragt.

Wie wichtig ist China bei der Komponentenbeschaffung?

Roberto Guidetti: Für Gigaset ist China derzeit immer noch einer der wichtigsten Beschaffungsmärkte, wenn es um Halbleiter- oder Elektromechanik-Komponenten geht. Die Abhängigkeit von chinesischen Komponenten wird sich zumindest mittelfristig kaum verändern. Investitionen Dritter in Fertigungsstätten außerhalb von China bzw. Asien verschieben diese Zeitachse nicht signifikant. Gigaset sieht sich entsprechend mit den gleichen Abhängigkeiten konfrontiert wie die gesamte Elektronik-Industrie.

Wie wichtig sind die USA als Zulieferer?

Roberto Guidetti: Die USA sind wichtige Innovatoren, wenn es um Halbleiter-Komponenten geht. Namhafte Unternehmen sind hier Intel, Qualcomm, Texas Instruments, etc.. Die Entwicklung der Produkte findet zumeist in den USA statt und die Produktion in Asien. Bei großen Unternehmen wie z.B. Qualcomm redet man deshalb von ″fabless companies″. Die USA sind aktuell noch keine direkten Zulieferer für Gigaset.

Gibt es Zulieferer in Fernost außerhalb Mainland China?

Roberto Guidetti: Ja, Gigaset arbeitet beim Bezug von Komponenten geografisch breit aufgestellt. Details hierzu können wir aus Wettbewerbsgründen jedoch nicht nennen.

Sind die Zulieferer außerhalb der EU optimiert hinsichtlich CO2-Ausstoß-Minderung in der Produktion?

Roberto Guidetti: Im Rahmen der Lieferkettenkontrolle überprüft Gigaset auch die Produktion seiner Zulieferer. Dies geschieht entsprechend der in Deutschland und der EU geltenden Regularien (CEE/Harmonisierung von Steckverbindungen, REACH/EU-Chemikalienverordnung und auch RoHS/Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe).

Erfreulicherweise hat sich auch in Übersee eine größere Sensibilisierung hinsichtlich der Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit eingestellt. Auch in China sind in den vergangenen Jahren verstärkte Maßnahmen für mehr Umweltschutz erlassen worden.

Schützt eine exklusive Produktion in Deutschland vor Produktfälschungen?

Roberto Guidetti: Hierzu ist keine generelle Aussage möglich. Gigaset ist der Ansicht, dass eine exklusive Produktion in Deutschland dieses Risiko minimiert, da Design- und Technologie-Entwicklung nicht an Unterlieferanten outgesourct werden. Fälschungen im DECT-Bereich sind aufgrund der Komplexität der Technologie weitestgehend uninteressant für kriminelle Tätigkeiten.

Welche politischen Rahmenbedingungen wären notwendig, um mehr Produktion in die EU zu holen?

Roberto Guidetti: Aus Sicht von Gigaset sind hierzu drei zentrale Eckpfeiler zu beachten: Zunächst muss seitens der Politik die Tragweite der aktuellen Situation (maximale Abhängigkeit von Asien) und der sich daraus resultierenden unmittelbaren Handlungserfordernis zu verstehen. Dies scheint aktuell mehr und mehr gegeben zu sein.

Seitens Politik und Industrie muss entschlossen gehandelt werden: Der "European Chips Act" stellt die Weichen in die richtige Richtung. Allerdings wird es nicht ausreichen, sich nur auf einzelne Herstellungsbereiche zu limitieren, wie zum Beispiel dem Bau von Wafer- oder Chip-Fabriken.

Die gesamte ″Peripherie″, d.h. auch das Assemblieren und das Testen der Produkte müsste in Europa geschehen. Diese Bereiche der Wertschöpfungsketten (″backend″) haben ihr ″Epizentrum″ derzeit auch in Asien.

Die schnelle Finanzierung und Bezuschussung muss sichergestellt werden: Aktuell sieht es so aus, dass Investitionen sowie Subventionen in der geplanten Dimension nicht ausreichen, um mit den US-Initiativen mithalten zu können. Hier könnte ein neuer möglicher handelstechnischer Konfliktpunkt mit den USA entstehen.

Kommentar: Warum die Idee einer ″ökonomischen Nato″ gegen China ein Irrweg ist

Eine militärpolitische Konfrontation mit China würde für das Reich der Mitte wohl erst einmal sehr schmerzlich werden, mittel- und langfristig jedoch für den Westen jedoch mit einem drastischen Verlust an Lebensqualität verbunden sein.

Die USA haben nach dem 11. September 2001 ihre Wirtschaft umgestellt und die Produktion von Konsumgütern zu großen Teilen nach China verlagert. In Nordamerika sind inzwischen die Kenntnisse für die Fertigung so weit reduziert, dass man die Produktion ostasiatischen Unternehmen überlassen muss.

So hat General Electric seine Hausgerätesparte an den chinesischen Haier-Konzern verkauft, der zuvor schon zahlreiche andere Haushaltsgerätemarken wie Candy und Hoover in Europa übernommen hatte. Die technikverliebten chinesischen Unternehmen haben die US-amerikanischen Hersteller bei Hardwareinnovationen inzwischen deutlich überholt und holen beim Marketing deutlich auf.

Haier ist der technologische Aufstieg gelungen, als man begann, Innovationen in kleinen Einheiten mit großen Freiheiten zu entwickeln und bei Erfolg in den Konzern zu integrieren.

Statt China mittels Sanktionen oder gar militärisch als Wettbewerber zu bekämpfen, wäre es für den Westen sinnvoller, aus den strategischen Entscheidungen und Entwicklungen im Reich der Mitte zu lernen, so wie es China selbst seit Deng Xiaoping gemacht hat, als man erkannte, dass man ohne Inspirationen aus den industrialisierten Ländern nicht weiter kommt.