Gaspreise: Wie könnten Verbraucher entlastet werden?
Mehrwertsteuer auf Gas wird gesenkt, die Angst vor dem Winter bleibt.
Es wird eng, richtig eng. Für die Bezieher niedriger Einkommen reicht das Geld hinten und vorne nicht mehr. 5,16 Euro am Tag bekommt zum Beispiel ein Empfänger von Arbeitslosengeld II für Ernährung einschließlich Getränke zugestanden. Davon kann man inzwischen in Berlin kaum noch einen Döner kaufen.
Der Besuch einer Gastwirtschaft ist für Hartz-IV-Bezieher schon seit vielen Jahren kaum möglich. Mancher klagt daher über Vereinsamung, weil soziale Kontakte verloren gehen, Freundschaften brüchig werden, wenn man sich nicht noch eben mal auf ein Bierchen zusammensetzen kann. Nicht-kommerzielle Treffpunkte sind in unseren von Blechlawinen voll gestellten städtischen Straßen nicht vorgesehen, oft regelrecht unerwünscht.
In dieser Situation ist die Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde sozusagen der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Auch wenn er klein im Vergleich zu den anderen Energiepreiserhöhungen erscheint.
Besonders hart trifft es auch hier die Gaskunden, insbesondere, wenn sie gezwungen sind, etwa wegen eines Umzugs, den Anbieter zu wechseln. Das Vergleichsportal Check24 zeigt zum Beispiel in Berlin bei Neuverträgen schon für einen moderaten Verbrauch von 7.000 Kilowattstunden im Jahr monatlich Abschlagszahlungen zwischen 170 und 200 Euro an. Und wer das Glück hat, beim Grundversorger GASAG einen Vertrag zu bekommen, muss immer noch knapp 80 Euro im Monat zahlen.
Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) liegt der durchschnittliche Gaspreis für Haushalte bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr 13,77 Cent. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine knappe Verdoppelung.
Wer hingegen Fernwärme bezieht, sollte sich nicht zu früh freuen. Diese wird nämlich oft in Gaskraftwerken erzeugt. Auch auf diesem Wege wird das Heizen also teurer, und die Verbraucher müssen sich auf böse Überraschungen bei der nächsten Nebenkostenabrechnung gefasst machen.
Mehrwertsteuer
Unterdessen redet die Bundesregierung zwar viel von Entlastung der Bürger, doch bei konkreten Maßnahmen ziert man sich bisher sehr. Das 9-Euro-Ticket, das insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, die meist über kein Auto verfügen, eine spürbare Entlastung darstellt, läuft zum Ende August aus und Finanzminister Christian Lindner sperrt sich weiter gegen eine Verlängerung.
Immerhin soll nun, wie Bundeskanzler Olaf Scholz ankündigte, die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent abgesenkt werden. Mit der hatte zuvor sein Finanzminister ebenfalls ein wenig herumgetrickst.
Wie berichtet, gab dieser zwar an, Brüssel habe ihn den Erlass der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage verboten. Allerdings ließ er dabei unerwähnt, dass er die Mehrwertsteuer ohne weiteres absenken könnte.
Auch auf den ganzen Gaspreis, wie Scholz Ankündigung jetzt zeigt. Derzeit zahlen wir nämlich auf Gas und auch auf Strom 19 Prozent Mehrwertsteuer. Die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie lässt aber ausdrücklich für diese Waren auch einen ermäßigten Steuersatz zu. Dieser liegt in Deutschland derzeit bei sieben Prozent, könnte aber auch auf fünf Prozent abgesenkt werden, ohne mit dem EU-Recht zu kollidieren.
Nach Berechnungen des BDEW würde eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas einen durchschnittlichen Haushalt je nach Verbrauch um über 300 bis knapp 600 Euro im Jahr entlasten. Die nun vorgesehene Absenkung allein auf Gas bringt je nach Verbrauch für einen Mehr-Personen-Haushalt eine Ersparnis von 252 bis 452 Euro.
Aber es ist für einen Politiker wie Christian Lindner halt bequemer, sich hinter Brüssel zu verstecken, lassen sich doch damit leicht Stammtisch-Reflexe mobilisieren und von der eigenen Verantwortung ablenken.
Finanzieren ließe sich das – und vieles andere – übrigens unter anderem durch einen Verzicht auf Steuervorteile für teure und unnötige Dienstwagen oder durch eine sogenannte Übergewinnsteuer, die einige EU-Länder bereits eingeführt haben, gegen die sich aber hierzulande die Liberalen und ihr Porscheminister mit Händen und Füßen wehren.
Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben kürzlich zwei Autorinnen, die hierzulande aufgrund des Krieges mit Öl, Gas und Kohle erzielten zusätzlichen Gewinne auf 113 Milliarden Euro beziffert. Selbst wenn sich davon nur ein Viertel abschöpfen ließe, könnte mit diesen zusätzlichen Einnahmen das 9-Euro-Ticket, dessen Kosten der Finanzminister mit 14 Milliarden Euro jährlich angibt, zweimal bezahlt werden.