Gasumlage: Große Schwierigkeiten im Gefolge
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Wer arm ist, wird fest in den Fängen der Armut bleiben und noch ärmer werden. Es sei denn, man hört auf die FDP?
Auf das Jahr 1996 lässt sich der Beginn eines Prozesses datieren, der als Liberalisierung des Strommarktes bezeichnet wird. Die EU erließ in dem Jahr und zwei Jahre später die ersten Liberalisierungsrichtlinien für Elektrizität, bzw. Gas, die dann, je zwei Jahre später, von den Mitgliedstaaten in nationales Recht überführt wurden. 2003 folgte das zweite sogenannte Energiepaket und wurde 2004 in nationale Gesetze umgesetzt, einige Bestimmungen traten dann erst 2007 in Kraft.
Freier Wettbewerb in der Stromerzeugung und im Handel mit Strom war das Ziel. Und das Versprechen lautete, staatliche oder unternehmerische (die wurden beide in einen Topf geworfen) Monopole werden abgelöst, mehr Teilnehmer am Markt, mehr Auswahlmöglichkeiten für Endkund:innen, marktwirtschaftlichere Gestaltung der Elektrizitätsversorgung. Nur da, wo es nötig ist, sollten staatliche Regulierungen greifen. Am liebsten natürlich gar nicht.
Nun hat der Bundestag eine Gasumlage beschlossen und dafür wird ein Mann gescholten, der 1998 ganz sicher nicht dabei war, als man diesen Bereich der lebenswichtigen Grundversorgung dem Markt überließ und sich darauf verständigte, dass der schon alles wunderbar regeln würde.
Gewinne einerseits
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist nicht schuld daran, dass der Markt in einer Krisensituation wie dieser gar nicht so großartig funktioniert. Oder vielleicht doch gut funktioniert, schließlich hat der Stromversorger RWE seine Gewinnerwartung für das erste Halbjahr 2022 auf mehr als fünf Milliarden Euro nach oben korrigiert. Das ist schön für den Konzern, der eine Übergewinnsteuer, wie es sie zum Beispiel in Italien, Griechenland und Großbritannien gibt, nicht fürchten muss, weil es in der Regierung eine starke Lobby gibt, die das nicht zulassen wird.
Der Gasversorger Wintershall Dea weist im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro aus. Und erinnert man sich an Unternehmen wie Mercedes-Benz (5,35 Milliarden Euro Ausschüttung an die Aktionär:innen auf Gewinne aus 2021, jenem Jahr, in dem umfangreiche Staatshilfen flossen), ist klar, dass der Markt eines ganz sicher regelt …
Der Umgang mit den Ärmeren andererseits
Die seit jeher Befürworter eines durchliberalisierten Strommarktes haben derweil andere Vorschläge, wie Endverbraucher:innen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten dazu gebracht werden können, in ihren Privathaushalten Energie zu sparen. Wer ALG II bezieht und kräftig beim Heizen spart (man kann ja auf dem Hometrainer sitzen, wenn einem zu kalt ist, oder mit den Kindern Fangen in der etwas zu kleinen Wohnung spielen) soll dafür einen Bonus bekommen.
Lukas Köhler, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, meint, die gestiegenen Preise seien auf jeden Fall der wichtigste Anreiz, um Gas einzusparen. Um das etwas deutlicher zu übersetzen: Köhler geht davon aus, dass Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sowieso nicht von sich aus auf die Idee kommen, dass sorgsamer Umgang mit Energie ein Gebot am Ende des fossilen Zeitalters ist. Die neigen eher zum Schmarotzertum: Wenn das Amt bezahlt, drehe ich alle Regler auf. Köhler sagt:
Wer jedoch Arbeitslosengeld II bezieht, hat diesen Anreiz nicht, da die Kosten in der Regel vollständig vom Jobcenter übernommen werden.
"Finanzspritze ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahler"
Deshalb schlage er eine künftige Beteiligung an den eingesparten Heizkosten vor. Eine "Finanzspritze ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahler" – für einen Mann der FDP ein Träumchen. Trifft auch nur die mit dem sowieso kleinsten ökologischen Fußabdruck und ohne SUV mit Standheizung.
Natürlich hat auch die FDP nichts dagegen, dass der Staat in einem Notfall wie diesem seiner Pflicht nachkommt, den lebensnotwendigen Bedarf an Gas durch eine hoheitliche Lastenverteilung zu decken. Dafür gibt es die Bundesnetzagentur.
Weiterreichen
Mit dem Ausrufen der Alarmstufe am 24. Juni können unter anderem auch erhöhte Energiekosten trotz Preisbindungsklauseln an Kund:innen weitergereicht werden. Wenn der Markt es nicht mehr regeln kann (seltsam, dass die einzig wahre VWL eigentlich immer behauptet, er könne alles regeln), werden die im Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG) nicht marktbasierten Maßnahmen angewendet.
Relativ neu darin sind die mit den Paragrafen 24 und 26 getroffenen Regelungen. Darin wird die Möglichkeit geregelt, im Notfall Gaspreise gegenüber den Kund:innen anzupassen, ggf. also eins zu eins an die Endverbrauchenden weiterzugeben.
Das betrifft dann auch Privathaushalte. Heißt, dieses Preisanpassungsrecht bricht vorher vertraglich vereinbarte Anpassungsrechte, was allerdings nach Ende der Notlage wieder zurückgenommen werden muss. Paragraf 26 ermöglicht dann die sogenannte Gasumlage, mit der die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung erlassen kann, durch die dann noch mal vom Paragrafen 24 abgewichen werden kann.
Allerdings schreibt dieser Paragraf auch vor, dass durch die "saldierte Preisanpassung" nicht eins zu eins an die Endverbraucher:innen weitergegeben werden kann. Voraussichtlich wird sie jedoch in erheblichem Maße genau dort hängenbleiben.