Gazprom kündigt "Störungen" der Öl- und Gaslieferungen an Westeuropa an
Nicht nur die Ukraine ist abhängig von Russland, sondern auch Teile der EU, allen voran Deutschland
Europa, allen voran Deutschland, hat schlechte Karten beim Poker um die Ukraine. Das Pleiteland ist praktisch vollständig abhängig von russischen Gaslieferungen, was die russische Regierung schon früher in der Regierungszeit von Juschtschenko und nach der Orangen Revolution mit Blockaden und Preiserhöhungen ausgespielt hat und damit auch Europa getroffen hat ("Erster Krieg des 21. Jahrhunderts"). Aber auch Europa, vor allem Deutschland, hängt am Tropf Russlands. Dank Gerhard Schröder und der von ihm mit seinem Freund Putin durchgesetzten Ostsee-Pipeline "Nord-Stream" ist die Abhängigkeit noch deutlich gewachsen. Der Großteil der Gas- und Öllieferungen geht aber noch immer durch die Ukraine.
Juschtschenko und Timoschenko, letztere auch "Gasprinzessin" genannt, haben die Ukraine nicht aus der Abhängigkeit von Russland befreit, Janukowitsch hat dafür auch nichts getan und konnte so von Russland unter Druck gesetzt werden, das Assoziierungsabkommen mit der EU gegen Gaspreisnachlässe und Kredite fallen zu lassen. Die EU hatte für die Probleme des schon seit Jahren wirtschaftlich kriselnden Landes aber auch keine Lösung angeboten.
Gazprom hatte letzten Samstag von der Ukraine verlangt, noch ausstehende Rechnung in Höhe von 1,55 Milliarden zu bezahlen, wohl wissend, dass dies derzeit nicht möglich ist. Werden die Rechnungen nicht beglichen, so die Drohung, könnten die Rabatte, die im Gegenzug zur Aufkündung des Assoziierungsabkommens mit der EU gewährt wurden, nicht mehr gegeben werden.
Aber Gazprom - der Konzern ist zur Hälfte im staatlichen Besitz - ist bereits selbst als Opfer in die Krise geraten. Ebenso wie die russische Währung an Wert verlor, geschah dies auch mit dem Börsenwert von Gazprom, der allein gestern um fast 12 Prozent einbrach, aber schon seit einer Woche nach unten absackt. Das trifft auch den russischen Staat.
Die angedrohte Preiserhöhung könnte also auch diesen Hintergrund haben. Gazprom schloss am Montag auch nicht aus, d.h. drohte Europa an, dass die Gasversorgung aufgrund der Krise in der Ukraine gestört werden könnte. Die "politischen Konflikte" in der Ukraine könnten zu "Störungen der Gasversorgung von Europa" führen, teilte der Konzern mit. Man werde nun für den Export weiter in andere Projekte wie die South-Stream-Pipeline investieren und die Produktion von Flüssigerdgas (LNG) hochfahren.
Letztes Jahr waren die Gasexporte aus Russland nach West- und Zentraleuropa um 16 Prozent angewachsen. Das zeigt die Abhängigkeit von den russischen Lieferungen. Die EU wollte die Abhängigkeit von Russland durch den Bau der Nabucco-Pipeline mindern, mit der Gas vom Kaspischen Meer über die Türkei und den Balkan nach Österreich transportiert werden sollte. Das wurde aber nichts.
Auch wenn nun Ende 2013 der Bau der "Transanatolischen Pipeline" (Tanap) von Aserbeidschan bis zur griechischen Grenze vom Shah-Deniz-II-Konsortium aus BP, Socar, Total, Lukoil, NICO und TPAO beschlossen wurde, um von dort aus das Gas mit "Transadriatischen Pipeline" (TAP) nach Italien und Westeuropa zu bringen und bereits E.on, Shell, GDF Suez und Enel Verträge abgeschlossen haben, so ist das keine kurzfristige Option. Vor 2019 wird hier nichts fließen.
In Deutschland wird nicht nur gerade die Energiewende von der Großen Koalition ausgebremst, es wird auch weiterhin, von vielen Grünen unterstützt, der Bau von klimafreundlicheren Gaskraftwerken als Ersatz für Kohlekraft- und Atomkraftwerken, gefordert. Das würde Deutschland noch stärker von Russland abhängig machen. Der grüne Abgeordnete Hans-Josef Fell kritisiert daher zu Recht, dass die EU weder in der Ukraine noch in der EU selbst auf den entschiedenen Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzt hat:
In der Ukraine können wir beobachten, wohin Abhängigkeiten führen können. Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen in Deutschland und in der EU wieder erkennen, dass Erneuerbare Energien keine Kostenbelastung sind, sondern ein entscheidender Beitrag für die Friedenssicherung.
Wenn nun manche auf Deutschland bzw. auf die Kanzlerin zur Lösung des Konflikts um die Ukraine setzen, dürften sie enttäuscht werden. Merkel ist sowieso nicht eine Politikerin, die Profil zeigt und Initiativen startet, aber sie kann wohl auch keine zu lauten Töne gegen Russland wagen, um die Energiesicherheit nicht zu gefährden. Vermutlich wird es dabei bleiben, den Außenminister Steinmeier vorzuschieben, der im Chor der europäischen Außenminister und gedrängt von den "Fuck-the-EU"-USA mit Sanktionen droht, um aber hinter den Kulissen softer zu agieren.
Das ist im Übrigen wohl auch das Interesse Putins, der sich zwar aggressiv in Szene setzt, etwa wenn er bei Leningrad ein Militärmanöver mit Foto-Shooting besucht und ansonsten das Militär auf der Krim verstärkt, aber auch nicht wirklich riskieren kann, die Märkte in Europa zu verlieren, selbst wenn China immer bedeutsamer werden wird.
Derweil geht der Kampf um die Ukraine mit den Gerüchten und Propagandamaschinen weiter, ukrainische Journalisten haben die Website Stop Fake eingerichtet, um Gerüchte und Propaganda zu entlarven. Das angeblich von Russland gesetzte Ultimatum an die ukrainischen Soldaten auf der Krim war wohl eher eine Erfindung. Janukowitsch fordert Russland auf, in die Ukraine einzumarschieren, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Russland wirft der USA eine "Rhetorik des Kalten Kriegs" vor. Die USA und ihre Alliierten würden die Augen vor den "Exzessen der radikalen Maidan-Kämpfer" verschließen.
An der Küste gegenüber der Krim sollen russische Militäreinheiten aufmarschieren. Angeblich würde Russland Spezialeinheiten auf die Krim schicken, um dort durch die Tötung von russischen Soldaten oder prorussischen Menschen Fakten für eine richtiggehende Invasion zu schaffen. Die russische Schwarzmeerflotte will sich aus der ukrainischen Innenpolitik heraushalten. US-Außenminister droht reflexhaft, es würden "alle Karten auf dem Tisch liegen", also auch die militärische.