Geburtstagsüberraschung für König Bhumibol

Thailand steckt in einer politischen Krise, die deutlich die Fragilität der jungen Demokratie zeigt

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Bangkok zeigt sich dieser Tage in einer Stasis. Vor dem Amtssitz des Premierministers sind zwar die Zelte der Dauer-Demonstranten abgebaut, aber die Menschen in der Metropole warten nur auf ihren nächsten Einsatz. Über der Stadt hängt die übliche Dunstglocke und in den Straßen erinnern noch Plakate an eine Parlamentswahl, die keine war. Die Opposition hatte zum Wahlboykott aufgerufen und ihr erstes Ziel erreicht: Premierminister Thaksin Shinawatras ist zurück getreten.

Aber die politische Zukunft des Landes ist unsicherer als vorher, denn auch die nötigen Nachwahlen am 26. April sollen boykottiert werden. So verharrt das Land in einem Zwischenzustand und bereitet sich lieber auf das Ereignis vor, das ohnehin den meisten wichtiger ist: Das 60-jährige Thronjubiläum von König Bhumibol Adulyadej, 78, der nicht nur verehrt wird, sondern auch in Zeiten politischer Instabilität immer wieder in das Geschehen eingreift. Er war es auch, der Thaksin zum Rücktritt bewegt hat.

Auslöser der Massenproteste waren Aktiengeschäfte der Thaksin-Familie. Der ohnehin millionenschwere Unternehmer-Clan hatte seine Anteile des Telekommunikationskonzern Shin Corp an Temasek Holdings, eine Staatsholding aus Singapur, verkauft. Der Wert des Pakets: satte 1,6 Milliarden Euro. Damit befindet sich eines der wichtigsten Unternehmen Thailands in ausländischer Hand. Der Clou: Weil nur Privatpersonen agierten, war der Handel nach thailändischem Recht steuerfrei. In den Augen vieler Thailänder brachte dies das Fass zum Überlaufen, gab es doch seit längerem Vorwürfe gegen Thaksin, seine Amtsgewalt zu missbrauchen, um sein Vermögen und das seiner Günstlinge zu mehren.

Spätestens seit 1990 gilt Thaksin als einer der reichsten Männer Asien, damals hatte er von der Regierung Exklusivrechte für den Betrieb von Mobiltelefonen in Thailand erhalten. 1994 wurde er parteiloser Außenminister. Es dauerte nicht lange und seine mutmaßlichen Verflechtungen zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen führten zu seinem ersten Rücktritt. Sein Sohn wurde vor kurzem wegen Unregelmäßigkeiten in seinen Shin Corp Aktienpaketen zu einer Strafe von 150.000 EUR verpflichtet.

Die Stimmung der Thailänder gegenüber ihren gewählten Oberhäuptern ist ohnehin launisch. Noch vor einem Jahr galt Thaksin als charismatische Führungsgestalt, seine von ihm 1998 gegründete Partei, die Thai Rak Thai („Thais lieben Thais“), gewann die Wahl mit großem Vorsprung und errang 377 der 500 Sitze im Parlament. 2001 war die erst 1998 gegründete Partei erstmals an die Macht gelangt. Immer wieder wurde zwar auch Kritik laut: So pflegte Thaksin eine harte Gangart gegenüber dem muslimisch dominierten Süden und verhängte im letzten Jahr über drei Provinzen den Ausnahmezustand. In Pattani und Narathiwat kommt es regelmäßig zu bewaffneten Überfällen von Separatisten. Und bei Säuberungsaktionen im „Krieg gegen die Drogen“ sollen alleine 2003 über 2.500 Menschen durch die Polizei getötet worden sein. 97.000 Drogenhändler seien festgenommen worden, berichtete in diesem Jahr der Leiter des „Nationalen Zentrums zur Bekämpfung illegaler Drogen“, Wan Nor, stolz. Weitere 30.000 Drogenhändler sollen noch festgenommen werden.

Die Opposition hat nur einen Vertreter des Systems, nicht das korrupte System entmachtet

Im letzten Jahr vermehrten sich nun Korruptionsvorwürfe und Gerüchte über Bereicherungen des Thaksin-Clans. Was zunächst als anpackend-pragmatische Stil des Premiers gedeutet wurde, galt plötzlich als autoritär und arrogant. Widerstand regte sich, der sich in der PAD (People's Alliance for Democracy) gruppierte. Die demokratischen Parteien, Studenten, junge Geschäftsleute und die intellektuelle Elite des Landes, die sich hauptsächlich in Bangkok konzentriert, sahen in einer Abwahl Thaksins den ersten Schritt zu mehr Demokratie im Land. Da dem Premier keine illegalen Aktivitäten nachgewiesen werden konnten, war immer wieder von seinem „unethischem Verhalten“ die Rede.

Es war ein buntes Völkchen, das seit Anfang 2006 durch die Straßen Bangkoks zog, um gegen oder für Thaksin zu protestieren. Oft machte sich Picknick-Atmosphäre breit, die „Dharma-Army“, fromme Buddhisten, deren Sprecher der ehemalige Gouverneur von Bangkok und Thaksin-Gegner Chamlong Srimuang ist, marschierte barfuß mit, Tuk-Tuk-Fahrer organisierten Gegendemonstrationen. Aus dem Norden rollte die „Karawane der Armen“ mit Traktoren und Kleinlastern zur Unterstützung Thaksins heran. Man campierte im Park, teilweise kam der Verkehr in der Hauptstadt völlig zum erliegen. Aber die befürchteten Ausschreitungen blieben aus, alles verlief friedlich.

Mit der Auflösung des Parlaments und der Wahl vom 2. April wollte Thaksin für klare Verhältnisse sorgen. Aber der Wahlausgang erhöhte die Verwirrung nur noch. Rund 16 Millionen Thailändern wählten die TRT, rund zehn Millionen setzten ihr Kreuz bei „No-Vote“, so wie es die Opposition gefordert hatte. Das bizarre Resultat: In fast allen Wahlkreisen galten die TRT-Kandidaten als gewählt, obwohl deren Stimmenzahl häufig weit unter der Anzahl der Proteststimmen lag.

Thaksin wurde zum König zitiert und gab kurz darauf unter Tränen seinen Rücktritt bekannt. Zwei Tage später sprach er nur noch von einer „Erholungspause“, seither befürchtet die Opposition, dass Thaksin im Hintergrund die Fäden zieht und einen günstigen Moment zur Rückkehr auf die politische Bühne abwartet.

Das Leben in der Hauptstadt geht derweil wieder seinen normalen, hektischen Gang. In den Bars streiten die Intellektuellen über wahre Demokratie, in den Hotellobbys diskutieren die Geschäftsleute die Auswirkungen auf die Wirtschaft, ansonsten übt man sich in buddhistischer Gelassenheit.

So sehr es die Opposition auch beschwört: Die Ursachen der Krise liegen nicht nur in der Person Thaksin, sondern in einem für Korruption anfälligen politischen System begründet. In den Dörfern des Nordens herrschen lokale Fürsten, Wahlstimmenkauf gehört zum genauso zum politischen Geschäft wie die Blitz-Gründung von Splitter-Parteien kurz vor der Wahl. Vetternwirtschaft gehört zum Alltag, Parteiführer bezichtigen sich gegenseitig der Manipulation und Ämterkaufs.

Die Einschüchterung von Gegnern und Presse gehört nicht erst seit Thaksin zur politischen Kultur Thailands. Kritische Bücher werden beschlagnahmt, Verlagshäuser von bezahlten Demonstranten blockiert. Nicht zuletzt aus diesem Grund schlugen sich liberale Zeitungen wie die Bangkok Post früh auf die Seite der Protestbewegung. Die undurchsichtigen Kräfteverhältnisse im Land spiegelt das Zitat des Präsidenten der Vereinigung thailändischer Journalisten (TJA), Pattara Khumphitak, wider. Er spricht von „wiederholten Einschüchterungen seitens der Regierung und dunkler Mächte“ auf die Presse. Selbst die Wahl- und die Anti-Korruptions-Kommission, so liest man, sollen unter dem Einfluss der TRT stehen. Jaruvan Maintaka, Direktorin des thailändischen Bundesrechnungshofes: „Die jetzige Regierung hat Korruption und Vetternwirtschaft legalisiert. Staatliche Bedienstete auf allen Ebenen nehmen als natürliches Phänomen hin, gegen das man machtlos ist.“

Egal wie die Nachwahlen ausgehen werden, wenn sich das Parlament am 1. Mai zur konstituierenden Sitzung trifft, steht Thailand vor dem nächsten Problem: Es werden Vertreter nur einer Fraktion auf den Stühlen Platz nehmen. Es bleibt abzuwarten, ob der König diesem Ein-Parteien-System seinen Segen erteilt. Die Opposition wird spätestens dann nicht darum herumkommen, konstruktiver am Ausweg aus der Krise mitzuarbeiten.