Gedächtnisproteine und Medikamente für besseres Lernen

Die immer wieder neu entdeckte Komplexität des Nervensystems erschwert den pharmakologischen Zugriff auf das lernende Gehirn

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Kommunizierbares Wissen ist ein wichtiges Schmiermittel menschlicher Relationen, sei es auf persönlicher, sei es auf ökonomischer Ebene. Der Wunsch, die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns zu verbessern, um die Inhalte dieses Wissens zu bestimmen, ist alt. Der Vorgang wird „Lernen“ genannt. Was sind die zugrunde liegenden neuronalen Bedingungen, um ihn zu optimieren? Die Wissenschaft sucht den Zentralschalter für die Vollbildung.

Trotzdem bis heute eine Menge Wissen über die zellulären und molekularen Grundlagen des Lernens und der Merkfähigkeit erarbeitet wurden, sind die genauen Zusammenhänge der Informationsaufnahme und Speicherung sowie des Wiederabrufs und Vergessens erst in Ansätzen erforscht. Dreh- und Angelpunkt scheint die Formbarkeit der Synapsen (synaptische Plastizität) zu sein, die sich sowohl in Stärke wie in ihrer Größe verändern und so die Transmissionsleistung steigern oder mindern können.

Die Funktion der synaptischen Plastizität beruht auf dem Modell der Langzeit-Potenzierung, die, einfach ausgedrückt, besagt: Neuronen, die häufig zur gleichen Zeit aktiv sind, gehen oft Verbindungen miteinander ein. Je häufiger eine Nervenzelle A gleichzeitig mit der Nervenzelle B aktiv ist, umso bevorzugter werden die beiden aufeinander reagieren. Diese Lernregel wurde 1949 von dem Vater der Psychobiologie, Donald Olding Hebb, formuliert. Seither heißt es: „What fires together, wires together.“

Nach der Geburt hat jede Hirnzelle eines Säuglings rund 2.500 Kontakte zu anderen Nervenzellen. Im Alter von drei Jahren sind es schon mindestens 15.000. Danach bilden sich die überflüssigen Zellkontakte wieder zurück. Die neuronalen Verschaltungen sind in ihrer genauen Stärke nicht festgelegt, diese wird durch das Lernen verändert.

Nervenbahnen werden so entweder zu Trampelpfaden oder viel befahrenen Straßen. Und um in dem Bild zu bleiben: Erst einmal gut gespurt, fällt es dem Gehirn später schwer, starke Verkehrszüge aufzulösen. Dies weist auf die Probleme der Psychotherapie hin, eingefahrene Verhaltensmuster wieder aufzulösen.

Again and again

Die möglichen Lernformen sind bekannt und gut untersucht: Klassische Konditionierung, Lernen durch Nachahmung oder Beobachtung, Lernen durch fröhliche oder schmerzhafte Einsicht. Bis heute halten sich didaktische Methoden des Wissenserwerb, die auf dem Sender-Empfänger-Modell basieren: Der Lehrer erzählt und macht vor, der Schüler lauscht und begreift. Dabei steht spätestens seit den Arbeiten von Jean Piaget fest, dass Schüler neue Informationen mit ihrem vorhandenen Vorwissen abgleichen und in Verbindung setzen. Das neu zu Erlernende will eingepasst, wenn nicht sogar konstruiert werden. Je besser der Stoff zu dem im Gehirn hinterlegten Vorwissen passt, umso eher ist der Schüler in der Lage, es sich zu merken, umso eher ist das Gehirn bereit, die neuen Informationen zu akzeptieren. Im Alter nennt sich das dann Starrsinn.

Gelernt wird am häufigsten durch zwei Phänomene: durch Wiederholung oder durch ein emotionales Großereignis. Den Namen unseres Metzgers vergessen wir meist nicht deswegen, weil wir ein „schlechtes Namensgedächtnis“ haben, sondern weil wir dem Herrn nicht genug Aufmerksamkeit zuwenden . Sei es, weil unserem Selbst des Mannes Fleischeslust zuwider ist, sei es, weil wir den Kopf mit anderen Dingen voll haben. Das meist als ärgerlich empfundene Vergessen hat einen natürlichen Sinn: Es schützt uns vor der Überflutung. Erst durch wiederholtes Einkaufen oder durch den Schock, wenn der Mann sich während unserer Anwesenheit in den Finger schneidet, wird sein Name ständig gegenwärtig.

Die Hirnforschung und Pädagogik nennen als Rahmenbedingungen für gutes Lernen:

  1. Der Lerninhalt sollte individuelle Bedeutung für den Lernenden besitzen, zudem nützlich und anwendbar sein.
  2. Der Lerninhalt sollte mit möglichst vielen Sinneskanälen erfahrbar sein.
  3. Der Lerninhalt sollte an vorhandenes Wissen anknüpfen, zugleich aber neu genug sein, um Neugier und Aufmerksamkeit zu wecken.
  4. Der Lernvorgang sollte durch Belohnung und eine positive Grundstimmung unterstützt werden. Feedback sollte unmittelbar erfolgen.
  5. Wiederholungen verfestigen den Lerninhalt.
  6. Überreizungen sind zu vermeiden.

Auf dem Weg

Das Gesehene, Gefühlte, Geschmeckte oder sonstwie Erfahrene landet zunächst im Kurzzeitgedächtnis und muss von dort aus den Weg ins Langzeitgedächtnis finden.

Wie diese Sphären zusammenhängen wurde durch den Fall des Patienten mit dem Kürzel H.M. bekannt, dem Ärzte Mitte der 30 Jahre des letzten Jahrhunderts den Hippocampus und angrenzende Hirnregionen chirurgisch entfernten. Er litt nach einem Fahrradunfall an epileptischen Anfällen. Nach der Operation traten die Krämpfe zwar seltener auf, allerdings hatten die Ärzte mit dem mediotemporalen Cortex auch beide Hippocampi entfernt. Dies verursachte eine besondere Form der Amnesie: H.M. konnte sich an vor dem Unfall Erlebtes durchaus erinnern, war aber nicht in der Lage neue Ereignisse abzuspeichern. So glaubte er beispielsweise bei seinen monatlichen Arztbesuchen stets, er käme das erste Mal zur Nachuntersuchung. Der Fall wurde zum Vorbild für Christopher Nolans Kinofilm „Memento“.

CAMP und CREB

Das Weg vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis wird, so die Wissenschaftler heute, über spezielle Substanzen geregelt. In den Neuronen schlummert ein körpereigenes Molekül, das sogenannte „zyklische Adenosinmonophosphat“ (cAMP). Dies ist von Adenosintriphosphat (ATP), dem klassischen Energielieferanten der Zellen, abgeleitet. Beim Kurzzeitgedächtnis wird im Neuron das cAMP aktiviert, welches die Verbindung nur kurzzeitig verstärkt. Bei Wiederholungen oder intensiven Erlebnissen kann dieses cAMP aber den Zellkern erreichen und dort Gene aktivieren, die zum Wachstum neuer Nervenzellen aufrufen.

Im zentralen Nervensystem wirken viele Neurotransmitter auf diesem Wege indirekt, indem sie die Konzentration eines zweiten Transmitters erhöhen oder senken. Diese „second messengers“ lösen dann ihrerseits eine elektrische oder biochemische Reaktion aus.

Um sich selbst einfache Aufgaben zu merken, synthetisiert das Gehirn innerhalb weniger Minuten nach dem Lernvorgang Proteine. Es dauerte bis in die 90er Jahre hinein, bis Wissenschaftler ein und damit vielleicht das wichtigsten Protein gefunden hatten, das bei der Konsolidierung flüchtiger Gedächtnisinhalte behilflich ist: CREB (cAMP response element-binding protein). Dieses Eiweiß ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor, es schaltet durch Bindung an bestimmte DNS-Sequenzen Gene ein oder aus. Diese Gene tragen den Bauplan für synapsenverstärkende Proteine in sich und schieben die Synthetisierung dieser „Gedächtnisproteine“ an. Die Folge: Das Gelernte wird dauerhaft etabliert. Die genaue Wirkungsweise dieser „Verstärkerproteine“ ist noch unklar. Eventuell hemmen sie die Wiederaufnahme von Neurotransmittern, eventuell erhöhen sie die Zahl der Rezeptoren.

Das Faszinierende bleibt aber, dass die Gene also nicht nur unser Verhalten bestimmen, umgekehrt beeinflusst unser Verhalten im Alltag auch immer wieder unsere Gene.

Nobelpreistrubel

Vor allem durch die Arbeit des Neurowissenschaftlers und Nobelpreisträgers Eric Kandel hat die Erforschung des lernenden Nervensystems an Schubkraft gewonnen. In den 80er Jahren untersuchten er und sein Team wieder einmal die bei ihm aufgrund ihrer besonders großen Nervenfasern so beliebte Aplysia-Schnecke und wagten einen Versuch: Kandel injizierte dem Tier Moleküle, die an CREB andockten und es blockierten. Die Folge: Es wurden keine Informationen mehr langfristig gespeichert. Später wurden genveränderte Mäuse, bei denen das Gen für das CREB-Protein ausgeschaltet war, durch Käfige geschickt: sie fanden ihr Futter nicht mehr. Seither gilt das CREB-Protein unter den Experten als eine Art Hauptschalter für die Bildung von Langzeiterinnerungen.

Firmen mit klanghaften Namen, wie die von Kandel unterstützte Memory Pharmaceuticals oder die Helicon Therapeutics zielen auf CREB, um irgendwann Wirkstoffe zur Wissenskonsolidierung auf den Markt zu bringen.1

Memory Pharamceuticals arbeitet an der Entwicklung eines Medikaments, dass den Level von cAMP erhöhen und damit indirekt die Aktivität von CREB steigern soll. Der Arbeitstitel des Wunderstoffs: MEM1414. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass nach MEM1414 dazu führt, dass in den Nervenzellen mehr vom cAMP-Botenstoff herumschwimmt, der – unter anderem – das CREB-Protein aktiviert.

MEM1414 und das von Helicon entwickelte HT0712 sind beides (Typ-4-) Phosphodiesterase-Hemmer. Das heißt: cAMP wird normalerweise durch das Enzym Phosphodiesterase abgebaut, die Wirkstoffe sorgen nun dafür, dass dieser Abbau verlangsamt wird.

Ob die neuen Medikamente jemals auf den Markt kommen ist unklar, die interessanten Nebenwirkungen treten meist erst in der letzten klinischen Phase auf, wenn Tausende von Probanden das Mittel schlucken müssen.

Individuelle Gehirne

Das Kurzzeitgedächtnis verändert sich also, so die heutige Annahme, rein funktionell, ohne anatomisch sichtbare Modifikationen an den Synapsen vorzunehmen. Erst beim Langzeitgedächtnis entwickeln sich neue synaptische Verbindungen. Jeder einzelne Mensch besitzt demnach ein Gehirn, das sich aufgrund seiner unterschiedlichen Erfahrungen auch anatomisch von dem eines anderen Menschen unterscheidet.

Dies gibt einen ersten Fingerzeig darauf, warum chemische Wirkstoffe bei Menschen unterschiedlich wirken. In gewisser Hinsicht trifft ein Molekül auf ein geschichtsträchtiges Gehirn, das den Wirkstoff für sich „interpretiert“. Dies ist besonders bei den Psychopharmaka auffällig. Ein ausgelassenes Beispiel hierfür ist die Geschichte vom tibetanischen Mönch, bei dem in den 70er Jahren ein pilgernder Hippie vorstellig wird und ihm das damals beliebte Entheogen LSD (Lysergsäurediethylamid) überreicht. Der in Meditation erfahrene Mönch zeigte sich nach Einnahme einer Dosis, die unvorbereitete Personen wohl in andere Welten geschleudert hätte, relativ unbeeindruckt.

Doogie Howser

Lernen und Erinnern wird von einer Kaskade biochemischer Reaktionen bestimmt, in deren Verlauf Substanzen umgewandelt, Gene angeschaltet und Proteine erzeugt werden. Der pharmakologische Eingriff in diesen Prozess ist schwierig. Forscher und Firmen zielen auf unterschiedliche Moleküle innerhalb des neuronalen Signalübertragungspfades: zwar immer in dem Wissen, dass ein spezifisches Molekül eine wichtige Rolle im Prozess spielt, gleichzeitig aber nur ahnend, welche Wechselwirkungen ein Eingriff in diesen Prozess auslöst.

Ein Beispiel hierfür ist das Maus-Experiment von Joe Tsien, das Möglichkeiten und Gefahren des Neuro-Enhancement zeigte. Tsien, eine Neurobiologe von der Princeton University, und sein Team modifizierten 1999 die Gene einer Maus dahingehend, dass das Tier den NR2(B) Rezeptor überentwickelte. Diese Untereinheit des NMDA-Rezeptors stand schon lange in Verdacht, beim Lernen eine wichtige Rolle zu spielen. Der Nager zeigte verbessertes Lernverhalten, er lernte schneller und behielt das Gelernte auch besser als seine Artgenossen. Schnell wurde die Maus nach dem Kinderarzt TV-Serienstar „Doogie Howser, MD“ benannt, die Sensation schien perfekt. Es dauerte nicht lang, da wurde die Schattenseite des Genversuchs deutlich: „Doogie“ war seinem TV-Vorbild etwas zu sehr ähnlich geworden. Er wurde zu einem Weichei, das Tier war durch die Behandlung viel schmerzempfindlicher geworden. Es zeigt sich seitdem wiederholt: Simple Rezeptorvermehrung hat immer auch Nebenwirkungen.

Trotz des Kunstfehlers gilt der NMDA-Rezeptor seither als ein wichtiges Ziel für geistige Kapazitätserhöhungen. Oder das mehr oder minder gezielte Vergessen: Denn NMDA-Antagonisten, wie beispielsweise das von John C. Lilly für seine Bewusstseinsstudien exzessiv gebrauchte Ketamin, können amnestische Wirkung haben. Der umgekehrte Doogie-Effekt, so hoffen Psychiater, lässt sich bei vernünftiger Dosierung und parallel angesetzter psychosozialer Behandlung als Anti-Depressivum nutzen.

Abhängigkeiten

An den Gedächtnisfunktionen sind aber nicht nur Neurotransmitter beteiligt. Die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit kann mehrere, miteinander verwobene Ursachen haben: die zellulare Kalzium-Regulierung, Proteinbildung und -zerstörung (Proteolysis), dem Hormonlevel und dem Blutfluss. Ein Umstand, der chemische Eingriffe ins zerebrale System schwierig macht.

Wie ein Medikament wirkt, hängt auch davon ab, wie zügig die Synapsen auf den Wirkstoff reagieren. So wird beispielsweise Codein erst in der Leber zu Morphium umgewandelt und gelangt dann langsam zum Gehirn. Der euphorische Effekt ist gering. Das fettlöslichere Diacetylmorphin (Heroin) dagegen wird viel schneller vom Gehirn aufgenommen, der Anflutungseffekt ist erheblich.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Gehirn stets um Ausgleich bemüht ist: Bei jeder Aktivierung an einer Stelle wird an andere Stelle eine Funktion gehemmt.

Und noch etwas spricht gegen die Lernpille. Annähernd alles, was wir einmal gelernt haben, wissen wir heute nicht, können es aber. Kuppeln, Bremsen, Lenken, der gesamte Prozess des Autofahrens ist in Fleisch und Blut übergegangen. Teilt man das Gedächtnis nicht nach Zeit (Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis), sondern nach den Inhalten (semantisches und prozedurales Gedächtnis) ein, ergeben sich neue Probleme, denn häufig stören sich die beiden Gedächtnissysteme gegenseitig, gerade wenn es um den Neuerwerb von Wissen geht.

Die Basis des Dachbodens

Gehirn und Körper sind zusammen aufgewachsen, ihre gemeinsame Geschichte lässt sie zeitlebens untrennbar sein. Aus dieser Sicht mutet es seltsam an, dass die Trennung von Geist und Körper so lange als wissenschaftliches Paradigma überleben konnte.

So haben die rationalen, emotionalen, bewussten und unbewusste Inhalte ihr chemisch-physikalisches Korrelat, sei es in Form von Hormonen, sei es in Form von Neurotransmittern oder Neuropeptiden. Es dürfte eine interessante Aufgabe der Zukunft sein, hier die Wechselwirkungen des gesamten Körpers mit von außen zugeführten Substanzen abzuklären.

Mal wieder Neuland

Neu sind die Versprechungen auf das endgültige Verstehen des Wissenserwerbs und damit die pharmakologische Konstruktion eines Nürnberger Trichters nicht. Schon in den frühen 90er Jahren verkündeten Fach- und Populärzeitschriften immer wieder Entdeckungen irgendwelcher Wissenschaftler, die „den zentralen Mechanismus für alle Lernprozesse“ gefunden haben wollten. Aber die Nachfolgeforschung brachte erhöhte Komplexität ans Licht, die Prognosen verschwanden in den Archiven.

Im Sog der Proteinforschung glaubt man nun einen besseren Zugang zur molekularen Welt des Lernens gefunden zu haben. Seth Grant von der Universität Edinburgh spricht von „Neuland, so wie am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Physik“. Im Laufe der letzten Jahre entdeckte sein Team immer mehr Eiweiße, die an den Synapsen tätig sind. Man erstellte eine Art Landkarte von über 1000 Proteinen, die untereinander vernetzt agieren.

Wieder einmal zeigen sich die Vorgänge komplizierter als zunächst gedacht: Die Funktion von einigen der Proteinen ist bekannt, aber für 90 Prozent dieser Eiweiße ist noch völlig unklar, für was sie eigentlich zuständig sind. „Das eröffnet uns einen riesigen Raum für Entdeckungen“, sagt Grant.

Grant will konglomerierende Lerneiweiße ausgemacht haben, die seiner Theorie zufolge zu Proteinansammlungen verkleben und somit einen „Multiproteincomputer“ bilden, eine, so Grant, „Enigma Machine“ des Geistes, die den Code der Neurotransmitter in den Code der Nervenzellen dechiffriert, um dann als Erinnerung festgeschrieben zu sein.

PC-Brain

So wird die längst überwunden geglaubte Computermetapher wieder aus der Mottenkiste gezerrt, um das Gehirn zu begreifen. Einen neuen Namen hat die „Enigma des Geistes“ auch schon von Grant verpasst bekommen: Hebbosome. Das soll an oben erwähnten Vater der Neuropsychologie, Donald Hebb, erinnern.

Aber das Gehirn ist kein Computer, in dem man Beliebiges speichern kann. Diese Metapher geht auf Aristoteles zurück, der das Gedächtnis mit Eingravierungen in eine glatte Wachsplatte verglichen hatte. Heute denkt man eher konstruktivistisch: Reize veranlassen das Gehirn, in den bisherigen Erinnerungen strukturelle Analogien zu suchen. Erinnern ist abhängig vom Kontext, ein kreativer (re)konstruierender und intersubjektiver Prozess.

Es bleibt die Weisheit von Plutarch: „Der Geist ist kein Schiff, das man beladen kann, sondern ein Feuer, das man entfachen muss.“ Menschliches Lernen ist geleitet von Interesse, von der Suche nach Einsicht. Aktives Handeln, die Erfahrung mit unterschiedlichen Sinnen, erleichtern diese Suche. Wenn dazu noch das zu Erlernende in einen Zusammenhang eingebettet, vernetzt wird und eine positive emotionale Atmosphäre gegeben ist, stehen die Chancen auf Wissenserwerb gut. Anders formuliert: Sich alleine auf eine Pille zu verlassen dürfte nicht funktionieren, wenn die Begleitumstände nicht passen.

Tatsächlich aer bieten die Proteine ein neues Feld für Pharmazeutika. Wo bisher der Neurotransmitterhaushalt das Ziel vieler Wirkstoffe war, steigt man nun eine Ebene weiter hinab. Die Hoffnung: Wo man bisher nur die chemischen Signale beeinflussen konnte, sollen nun die Einheiten modifiziert werden, die diese Signale in Gang setzen.

Auf molekularer Ebene ist Lernen komplex und noch nicht verstanden, dementsprechend schwer sind chemisch-physikalische Eingriffe. Vielleicht steht am Ende die Einsicht: Ein Schalter im Gehirn, nach dessen Betätigung jedem ein Licht aufgeht, existiert nicht - und damit eben auch kein einzelnes Protein oder ein Rezeptor, das bzw. der alleine für das Merken verantwortlich ist.

Der dritte Teil der Serie über "Gehirndoping" behandelt Synapsen, Neurotransmitter und die neu entdeckten Funktionen der Glia.