Gedanken zu einem Privileg
Seite 4: Die aktuelle Verfassung der Verwertungsgesellschaften sind ein Ärgernis
- Gedanken zu einem Privileg
- Ist der Interessenausgleich durch das Urheberrecht gelungen
- Die wirtschaftliche Lage der Kreativen hat sich durch das Urheberrecht nicht wirklich verbessert
- Die aktuelle Verfassung der Verwertungsgesellschaften sind ein Ärgernis
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Die mit den Verlagen vereinbarten Honorare sind nicht die einzigen Einnahmen, die den Autoren zustehen. Das moderne Urheberschutzrecht gewährt darüber hinaus eine Reihe weiterer Verwertungsrechte. Beispielsweise hat der Autor Anspruch auf Vergütung, wenn sein Buch in einer Bücherei ausgeliehen wird. Komponisten, Textdichter und Musiker haben einen Vergütungsanspruch, wenn ihre Lieder im Rundfunk oder auch auf Weihnachtsmärkten u.ä. gespielt werden. Da weder der einzelne Autor noch sein Verleger die Möglichkeit hat, diese Nutzung zu kontrollieren und von jedem Nutzer einzeln Entgelt zu fordern, sieht das Gesetz die Bildung von Verwertungsgesellschaften (VG) vor. Die bekanntesten dieser VG sind im Bereich Musik die GEMA und in den Bereichen Buch, Zeitungen, Zeitschriften die VG Wort. Das Urheberrecht sieht eine Vergütung auch für technische Geräte und Speichermedien vor, die zum Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken geeignet sind. So zahlt jeder Käufer eines PCs, einer Festplatte, eines Druckers usw. eine Gebühr, die von den Verwertungsgesellschaften erhoben wird, selbst dann, wenn er mit diesen Geräten nur seine Steuererklärung bearbeitet.
Die Beträge, die von den Verwertungsgesellschaften eingetrieben werden, sind erheblich (GEMA 2011, 825,5 Mio. €, VG Wort 2010, 131,7 Mio. €). Die Verwertungsgesellschaften verteilen die Einnahmen an die durch sie vertretenen Autoren und Verleger, wobei der Grundsatz gelten soll, dass "kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind" (§ 7 UrhWarnG27).
Die GEMA vertritt 64.345 Komponisten, Textdichter und Musikverleger.28 Musiker, die nicht gleichzeitig auch Komponisten oder Textdichter sind, werden von der GEMA nicht vertreten. Durch die VG Wort lassen sich 431.362 Autoren, Journalisten, Übersetzer, Verleger u.Ä. vertreten29.
In diesen scheinbar hohen Zahlen, die von den VG gerne genannt werden, sind aber auch Urheber enthalten, die vielleicht nur wenige Werke veröffentlicht haben, und davon nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Einen besseren Eindruck geben die Zahlen der ordentlichen Mitglieder der VG. Um ordentliches Mitglied werden zu können, muss man eine Mindestanzahl von Jahren von der VG Einnahmen bezogen haben (GEMA 5 Jahre mindestens 30667,5 €, VG Wort 3 Jahre je mindestens 1000 €). Dann bleiben bei der GEMA 3448 ordentliche Mitglieder, bei der VG Wort ca. 40030 (Zahlen für 2007).
Die niedrige Zahl von ordentlichen Mitgliedern ist der VG Wort offensichtlich so peinlich, dass sie darüber keine Angaben auf ihren Internetseiten macht. Die Verteilung der eingesammelten Gelder, erfolgt nach Verteilungsplänen, die nur von den wenigen ordentlichen Mitgliedern erarbeitet und beschlossen werden. Dabei ist der Verteilungsplan der GEMA31 ein Muster an Intransparenz. Wenn 65% der GEMA-Ausschüttungen an die 5% ordentlichen Mitgliedern gehen, ergibt sich für viele Nachwuchskünstler der Eindruck, dass hier Einnahmen von unten nach oben umverteilt werden.
Bei den Betroffenen kursiert der Begriff der "Dieter-Bohlen-Steuer". Die GEMA vertritt die Ansicht, dass sich in diesem Verhältnis nur die unterschiedliche Häufigkeit der Darbietung eines Musikstücks in Rundfunk, Fernsehen und bei öffentlichen Veranstaltungen widerspiegelt. Ein Dieter-Bohlen-Hit spielt eben mehr ein als eine Oper von Franz Hummel. Nachprüfen kann man beide Behauptungen nicht. Das wäre die Aufgabe der Aufsicht, die, welch ein Treppenwitz, beim Deutschen Patent- und Markenamt liegt. Dieses ist aber, nicht zuletzt auch durch die zu geringe Personaldecke, dazu nicht in der Lage. Die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" empfiehlt daher in ihrem Schlussbericht32 u.a.,
- dass die Verwertungsgesellschaften ihren Verpflichtungen zur Transparenz stärker nachkommen,
- dass die Verwertungsgesellschaften die umfassende Repräsentanz aller Wahrnehmungsberechtigten sicherstellen müssen,
- dass, um dies durchzusetzen, gegebenenfalls der Gesetzgeber tätig werden muss,
- dass die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften deutlich gestärkt wird,
- und dass die Aufsicht bei einer Regulierungsstelle des Bundes, die mit den notwendigen personellen Ressourcen ausgestattet werden soll, angesiedelt wird.
Recht und Praxis der Verwertungsgesellschaften muss also im Interesse aller Urheber dringend reformiert werden.
Es besteht Reformbedarf: Die Rechte von Kreativen und die Rechte der Gesellschaft müssen verbessert werden
Das Urheberrecht hat, wie gezeigt, zu den drei Zielen
- Förderung von Forschung und Lehre und
- Förderung kultureller Innovation
- Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Urhebern
nicht wirklich viel beigetragen. Es besteht also, wie auch die aktuelle Diskussion zeigt, dringender Reformbedarf.
Wenn wir etwas für den Kreativen tun wollen, müssen wir ihn in der Tat nicht gegenüber der Allgemeinheit schützen, sondern gegenüber seinem Vertragspartner, also dem Verleger, Produzenten etc. ...Es entspricht einfach der Erfahrung, dass verhandlungsschwache Parteien bei völliger Vertragsfreiheit ihre Interessen nicht durchsetzen können - könnten sie es, bräuchten wir kein Arbeitsrecht und kein Mietrecht.
Denn meistens sind Kreative Einzelkämpfer, die sogar in einem gewissen Wettbewerb zueinander stehen. ... Illusionen machen sollte man sich beim Urhebervertragsrecht also nicht.
- Bei den anstehenden Reformen muss das UrhG so geändert werden, dass es nicht zu einem negativen Standortfaktor für die deutsche Wissenschaft wird. Die Bedenken und die Anregungen der Wissenschaftsorganisationen müssen berücksichtigt werden.
- Soll das Urheberrecht auch einen Betrag zur Förderung von kulturellen Innovationen liefern, so muss es mehr differenzieren. Unerhebliche Ergänzungen zu Kulturgütern, die schon Gemeingut sind, verdienen keinen Schutz. Das Urheberrecht sollte höherwertige kulturelle Schöpfungen bevorzugen (ich weiß, dass ich damit provoziere). Wissenschaftliche Publikationen, Literatur, der Tagesjournalismus, die Aufführung klassischer Musik, die populäre Musik, Bühne, Film, Foto und bildende Kunst lassen sich nicht über einen Kamm scheren.
- Vielleicht profitiert vom derzeitigen UrhG noch am meisten die Unterhaltungsindustrie. Es ist ja nicht ohne Ironie, dass die Diskussion um das "geistige Eigentum" an Schärfe gewann, als die Filesharer-Szene begann, zunächst Hitparadentitel und später auch amerikanische Fernsehserien und Hollywood-Schinken untereinander zu tauschen. Die urheberrechtlichen Regeln, die für die U-Industrie angebracht sein mögen, müssen aber nicht für alle Kulturbereiche vorteilhaft sein. Es besteht die Gefahr, das die starke Industrielobby das Urheberrecht zu einer Art Lex-Hollywood verkommen lässt. Dem muss entgegengewirkt werden.
- Zu einem wünschenswerten Ausgleich zwischen den bestens verdienenden Bestsellerautoren und Hitproduzenten und dem kulturellen und künstlerischen "Proletariat" kann das UrhG nicht wirklich beitragen. Zunächst kann kein Gesetz einem Autoren oder Künstler den Erfolg garantieren. Es kann lediglich die Rahmenbedingungen für einen fairen Umgang der beteiligten Akteure definieren. Dazu muss man die Rechte der Kreativen gegenüber Verlegern, Produzenten, Verwertungsgesellschaften etc. stärken. Das betont Retro M. Hilty, Direktor am Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht33: Die Sache ist aber nicht so einfach. Denn während sich zum Beispiel abhängig Beschäftigte in Gewerkschaften zusammengeschlossen haben, die sich im Streitfall vor ihre Mitglieder stellen, ist dies im Bereich der Kulturindustrie offenbar nur schwer möglich: 34 Es wäre also gut, wenn die Urheber begriffen, dass sie nicht mit EMI, Sony-BMG, Bertelsmann/Random House etc. in einem Boot sitzen, sondern sich mit diesen höchstens am Verhandlungstisch befinden.
P.S.: Dem aufmerksamen Leser dieses Textes wird nicht entgangen sein, dass in ihm keine einziger neuer Gedanke enthalten ist. Er möge ihn daher eher als eine kommentierte Linksammlung, als ein urheberrechtlich schützenswertes "Werk" auffassen.