Gedankenkontrolle: Die neue Tatort-Folge aus wissenschaftlicher Sicht

Seite 3: Gedankenfernsteuerung

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Ob sich damit, wie bei der vierten Frage, aber gezielt im Gehirn Halluzinationen oder Wahnzustände erzeugen lassen, ist ein anderes Thema. Aus dem, was ich vorher schrieb, wurde schon deutlich, dass weder die psychologische noch die neurologische Materie trivial ist und hier auch unsere Begriffe schnell an ihre Grenzen stoßen. Nun wissen wir, dass man durch bestimmte Substanzen, seien es Drogen, Medikamente oder Gifte, stark auf die Gedanken, Erfahrungen und Gefühle eines Menschen einwirken kann; aber auch zum Beispiel durch Stress, Drohungen, Gewalt oder, im positiven Sinne, eine Massage, einen Spaziergang oder einen Strandurlaub.

In der Tatort-Folge wird das nun so dargestellt, dass man aus der Ferne mit der Strahlenwaffe nur auf das Gehirn der Zielperson zielen, einen Knopf drücken muss und schon bekommt der- oder diejenige im Fadenkreuz Halluzinationen und Panik. Das halte ich nun wirklich für Science-Fiction. Mit der Strahlenwaffe könnte man vielleicht Gewebe zerstören oder auf alle Arten von Gehirnprozessen einwirken. Bis zu einem gewissen Grade würde aber erst einmal gar nichts passieren, denn unser Körper hat ja ein bestimmtes Kompensationsvermögen. Und ab einer gewissen Grenze könnte unvorhersehbar schlicht alles passieren.

Man vergleiche das Szenario einmal mit dem Aufwand eines Neurochirurgen, der beispielsweise einen Tumor aus dem Gehirn seines Patienten entfernt. Dieser kann sich oft nicht einmal auf die funktionellen Aufnahmen aus dem Hirnscanner verlassen, sondern wird während der Operation mit elektrischer Stimulation direkt im Gehirn überprüfen, ob das eventuell zu entfernende Nervengewebe eine entscheidende Funktion, etwa die Sprache, beeinflusst. (Solche Operationen müssen also am wachen Patienten durchgeführt werden.) Und das ist eine viel breitere Kategorie als eine Halluzination etwa mit dem konkreten Inhalt, dass die Kommissarin den durchgedrehten Ex-Soldaten vor sich sieht, den sie ein paar Tage vorher im Sinne der Nothilfe erschießen musste.

Wenn jemand bei einem anderen unbemerkt Halluzinationen hervorrufen wollte, dann würde er das wohl am ehesten durch die Gabe einer halluzinogenen Droge machen. Der Inhalt der Halluzinationen wäre aber ungewiss. So etwas sollte man aber nicht einmal im Spaß machen, denn das ist nicht nur ein strafbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, sondern kann beim Betroffenen auch schwere Panik auslösen. Der weiß dann ja gar nicht, wie ihm geschieht und wird wahrscheinlich denken, dass er jetzt verrückt geworden ist.

Mein Fazit zum vierten Punkt ist also, dass ich so eine Manipulation von außen beim heutigen Kenntnisstand für unmöglich halte. Und selbst wenn man über Drogen Halluzinationen und Wahnzustände auslöst, lässt sich deren Inhalt nicht kontrolliert steuern. Das schließt natürlich nicht aus, dass man in einem bestimmten kulturellen oder religiösen Kontext, wie es beispielsweise in Südamerika seit Langem mit Ayahuasca gemacht wurde und heute auch in Nordamerika oder Europa populärer geworden ist, bestimmte Erfahrungen wahrscheinlicher machen kann. Diese Personen werden dann durch Geschichten und Rituale darauf vorbereitet, meinetwegen blaue Engel oder so etwas Ähnliches zu sehen. Im christlichen Kontext gibt es das sicher auch mit Gebeten, Buße, Selbstgeißelung, Visualisierung von Heiligen und so weiter.