Geflügelte Boten der Klimakrise
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Die Energie- und Klimawochenschau: Von neuen Rekordtemperaturen, dramatischen Heuschreckenplagen und einem Hilfeaufruf der Fridays-for-Future-Schüler für die Bewohner des Regenwaldes am Amazonas
Nun ist es sozusagen amtlich. Der Mai 2020 war der bisher wärmste Mai seit mindestens dem Ende des 19. Jahrhunderts. Die globale Erwärmung geht immer weiter. Wir hatten bereits gemeldet, dass der Mai der wärmste seit Ende der 1970er Jahre war. Das war das Ergebnis der am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW) im Rahmen des Copernicus-Programms betriebenen Analyse der für die Wettervorhersage aufgearbeiteten Messdaten.
Nun liegen auch die Analysen der Klimadatensätze aus aller Welt vor, die von verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichen Methoden vorgenommen werden. Wie zu erwarten war, bestätigen sie nicht nur das Ergebnis der Wissenschaftler aus dem britischen Reading, sondern werfen auch den Blick etwas weiter zurück bis ins Ende des 19. Jahrhunderts. Das ist die Zeit, aus der erstmals genug Messungen vorlagen, um ein realistisches Bild von der globalen Temperatur zu bekommen.
Sowohl in den Analysen des Goddard Institut for Space Studies (GISS) der NASA als auch des japanischen Wetterdienstes ist der Mai mit geringem Abstand zum zweiten der bisher wärmste Monat. Nur in den Daten der US-Behörde für Ozeane und Atmosphäre (NOAA, National Oceanic Atmospheric Administration) ist der Mai 2020 gleichauf mit dem Mai 2016, dem bisherigen Rekordhalter.
Auch die Vormonate waren bereits ausgesprochen warm, wenn sie auch keine neuen Rekorde aufstellten. Zusammengenommen ist 2020 aber bisher auf dem besten Wege, 2016, das bisher wärmste Jahr zu übertreffen. Bemerkenswert ist dabei, dass 2016 im Gegensatz zu 2020 ein Jahr mit einem besonders starken El-Niño-Ereignis war.
Da bei diesen alle fünf bis sieben Jahren auftauchenden Schwankungen in den tropischen Wind- und Niederschlagsmustern der tropische Pazifik und die angrenzenden Regionen wärmer als üblich sind, stechen diese Jahre auch im globalen Durchschnitt heraus. 1998 war zum Beispiel ein solches Jahr. Danach dauerte es 12 Jahre, bis ein Jahr deutlich wärmer ausfiel.
Wanderheuschrecken bedrohen Ernte
Man hat hierzulande in letzter Zeit wenig von ihnen gehört, aber große Schwärme von Wüstenheuschrecken bedrohen weiter in einer ganzen Reihe von Ländern die Ernten. In einem weiten Bogen vom östlichen Afrika über die arabische Halbinsel bis zum Iran, Pakistan und Indien haben sie sich ausgebreitet, schreibt die britische Zeitung Guardian.
Wir hatten bereits im April an dieser Stelle berichtet, dass die Plage ihren Ausgang vor zwei Jahren im Süden der arabischen Halbinsel nahm. Zuvor hatten zwei für die Region ungewöhnliche tropische Wirbelstürme für ideale Bedingungen gesorgt, in denen sich ursprünglich kleine Populationen der gefräßigen Insekten explosionsartig vermehren und schließlich nach Ost und West auf Wanderschaft machen konnten.
Nun warnt die Welternährungsorganisation der UNO (FAO, Food and Agricultural Organisation), dass sich gerade in Nordwestkenia neue Schwärme entwickeln, die sich in den nächsten Wochen mit den Winden nach Äthiopien, Somalia und den Sudan ausbreiten würden. Je nach den Bedingungen im Sudan bestünde auch die Gefahr, dass einige Schwärme sich westwärts auf Wanderschaft durch die Sahelzone begeben könnten.
Ein Schwarm umfasst gewöhnlich 40 bis 80 Millionen Individuen pro Quadratkilometer, die unter idealen Bedingungen 400 bis 800 Millionen Nachkommen haben können. Wichtig ist dabei neben dem Nahrungsangebot - die Tiere konsumieren täglich Pflanzen im Umfang ihres eigenen Körpergewichts und sind wenig wählerisch - die Feuchtigkeit des Bodens, in den das Weibchen die Eier ablegt.
FAO-Chef Qu Dongyu hatte bereits im Mai darauf hingewiesen, dass die Heuschrecken weiter günstige - in diesem Fall heißt das feuchte - Bedingungen vorgefunden hatten und ihre weitere Ausbreitung bevorsteht. Die in großer Zahl auftretenden Tiere fressen Felder kahl und zerstören so in großem Ausmaß die Ernten. Zusammen mit der Corona-Pandemie drohten katastrophale Konsequenzen für die Einkommen der Bauern und die Sicherung der Ernährung in der Region, so Qu.
Ein FAO-Bericht hatte kürzlich prognostiziert, dass 2020 25 Millionen Menschen im östlichen Afrika und weitere 17 Millionen im ebenfalls betroffenen Jemen unter akutem Hunger leiden würden. Letztere auch wegen des dort anhaltenden Krieges. Die Weltbank hat derweil ein 500-Millionen US-Dollar-Programm für die unter den Wüstenheuschrecken leidenden Länder aufgelegt. Außerdem konnte die FAO bisher 311,6 Millionen US-Dollar (277 Millionen Euro) an Spenden für die Bekämpfung der Schädlinge einsammeln.
Richard Munang, der regionale Klimakoordinator des UN-Programms für Umwelt und Entwicklung, sieht in der Heuschreckenplage eine Folge des Klimawandels. Er verweist darauf, dass sich der indische Ozean in den letzten Jahrzehnten erwärmt hat. Eine wärmere Oberfläche des Meeres bedeutet, dass mehr Wasser verdunstet, das wiederum als Regen niedergeht.
Im vergangenen Winter sei in Ostafrikas das Vierfache des normalen Niederschlags niedergegangen, was an einer Verlagerung der atmosphärischen Zirkulation, dem sogenannten Indischer-Ozean-Dipol, gelegen habe. Dieser Dipol ist eine Schwankung in den Wind- und Niederschlagsmustern, die dem El Niño nicht ganz unähnlich ist, wenn auch seine Auswirkungen nicht so weitreichend sind.
In der positiven Phase des Dipols ist das Meer vor den Küsten Jemens und Somalias besonders warm, während die Oberflächentemperatur weiter im Osten vor Nordaustralien und zwischen den indonesischen Inseln kühler als normal ausfällt. Entsprechend steigt die Luft über den somalischen Küstengewässern auf. Zuvor hat sie über dem warmen Meer viel Feuchtigkeit aufgenommen, sodass es in der Nachbarschaft zu starken Regenfällen kommt.
In der Höhe fließt die Luft derweil nach Osten und sinkt über dem nun kühleren Meer als normal im indonesischen Archipel und vor Australiens Küste ab. Absinkende Luft bedeutet, dass am Boden Hochdruck herrscht und der Niederschlag ausbleibt. In der Summe bedeutete das von November bis Januar zum Teil verheerende Niederschläge in Ostafrika und Dürre in Australien, die dort zu der bisher schlimmsten Waldbrandsaison in der bekannten Geschichte des Kontinents führte.
Dieser Dipol gehört zu den natürlichen Klimaschwankungen der Region, wird aber durch den Klimawandel verstärkt, wie die australische Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation hervorhebt. Der australische Wetterdienst erklärt hier in einem kleinen Video die jeweiligen Auswirkungen der verschiedenen Dipolphasen.
Die Arbeit ist allerdings schon etwas älter und berücksichtigt noch nicht den positiven Dipol um die Jahreswende, der als einer der bisher stärksten gilt, und der nicht nur in Ostafrika für die Heuschrecken ideale Bedingungen schuf, sondern auch in Australien zu neuen Rekordtemperaturen und brandgefährlichen Wetterbedingungen beitrug.