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Facebook liebt die Öffentlichkeit: Die User auch? - Teil 4
Teil 3: Was will Facebook?
Die öffentliche Reaktion auf Facebooks neueste Änderungen ist besonders in Amerika, ausgehend von der Techie-Szene, enorm negativ: inzwischen sind in allen großen Zeitungen Artikel erschienen, die sich kritisch mit der Privacy-Politik von Facebook auseinandersetzen. Bekannte technik-affine Blogger haben wütende Kommentare dazu geschrieben und öffentlich ihre Accounts gelöscht.
Facebook Gründer Mark Zuckerberg wurde von demokratischen Senatoren zu den neuen Funktionen befragt und PR-Sprecher Facebooks mussten Lesern von Zeitungen Rede und Antwort stehen. Der 31.5 wurde von einer Initiative zum "Quit Facebook Day"-Tag ausgerufen und einige der meist sehr kritischen Kommentare auf die obigen Artikel weisen darauf hin, dass Facebook Nutzer das auch schon davor getan haben - die Suchanfragen zum Thema how to delete Facebook jedenfalls haben auf Google in letzter Zeit stark zugenommen. Bürgerrechtsorganisationen wie die EFF, Aktivisten wie Move.on und ein transatlantisches Bündnis verschiedener Organisationen hat Aktionen zur Aufklärung und Proteste gestartet, um so lange Druck auszuüben, bis Facebook Nachbesserungen verspricht.
Und Facebook ist tatsächlich unter dem Druck eingeknickt: CEO Mark Zuckerberg kündigte am 26 Mai eine Vereinfachung des Interfaces für die Privatsphären-Einstellungen sowie teilweise Änderungen an der neuen Kategorisierung von Daten als öffentlich an - ganz im Sinne der von Adrian Scott mit "Overreach, then back-pedal a little. Repeat every six months" charakterisierten Strategie Facebooks, und nachdem Beschwichtigungen und der Versuch die Krise auszusitzen nicht gefruchtet hatten. So wird es im Rahmen dieser Änderungen möglich sein, die eigenen Interessen, die per automatischer "Verbindungen" öffentlich gemacht wurden, ebenso wie die eigene Freundesliste wieder zu verbergen. Man kann auch mit Hilfe einer Generaleinstellung allen Applikationen den Zugriff auf Profildaten verweigern.
Ein Tool, das Usern hilft, die Kontrolle über ihre (noch) labyrinthischen Privatsphäreneinstellungen zurückzugewinnen, wurde gerade vom Programmierer Matt Pizzimenti auf ReclaimPrivacy.org veröffentlicht. Das kleine Open Source JavaScript-Programm wird per Bookmark im Browser ausgeführt, wenn man in Facebook eingeloggt ist und es aufruft. Es setzt dann alle verzweigten Privacy-Einstellungen automatisch auf den restriktivsten Wert zurück oder gibt, wo es das nicht kann, eine Warnung samt Änderungsempfehlung aus, wenn es auf Einstellungen trifft, die öffentlicher sind, als man es als User vermuten würde.
Wir vermissen Dich
Wichtig für den Erfolg von Alternativen wäre die Möglichkeit, Facebook-Daten per Programm in andere soziale Netzwerke zu ex-/importieren, denn bei aller Empörung ist ein Hinderungsgrund für viele User das schon in Facebook investierte soziale Kapital: die ganzen Freunde, Fotos, Posts die man dort schon gemacht hat, lassen vor einem Neuanfang bei Null zurückscheuen. Zumal Facebook auf ziemlich perfide Art zu verhindern sucht (und damit relativ erfolgreich sein soll), User vor dem endgültigen Schritt der Löschung ihres Accounts zurückzuhalten - nämlich per sozialer Erpressung.
Das Konto deaktivieren wird gleichgesetzt mit dem Abschied vom gesamten Freundeskreis, als würde man mit dem Ausstieg aus Facebook einen sozialen Tod sterben und danach ganz allein sein. Das wird dann noch verstärkt, indem der Eindruck vermittelt wird, von den per Bild gezeigten und per Vornamen identifizierten Freunden ganz persönlich vermisst zu werden - all das summiert, ist ein genau ausgeklügelter Akt emotionaler Manipulation seitens Facebook - wer kann schon seinen Freunden ins Angesicht schauen und sich von ihnen freiwillig in einem Akt sozialen Selbstmords für immer trennen?
Wer ausprobieren will, wer einen alles vermissen wird (der Algorithmus sucht eher engere Freunde aus) kann das leicht selbst probieren:
Konto > Kontoeinstellungen > Deaktivieren
Doch eigentlich ist das Ganze nur ein geschickt von Facebook ausgelegter Irrweg und ein erneuter Fall von einem irreleitenden Interface: das Konto zu deaktivieren ist nicht gleichbedeutend damit, das Konto wirklich zu löschen. Ist es deaktiviert, ist es einfach nur inaktiv (alle Daten bleiben in Facebooks Datenbank) und wird automatisch wieder aktiviert sobald man sich wieder einloggt - das Konto ist dauerhaft in einem Wartezustand, der jederzeit wieder aufgehoben werden kann.
Das Formular zum Löschen ist an anderer Stelle versteckt und nur schwer zu finden, nämlich hier. Aber auch das echte Löschen ist nicht ganz einfach - fürsorglicherweise ist das Konto auch hier zunächst einmal nur deaktiviert, und funktioniert wieder als hätte man nie einen Auftrag zum Löschen erteilt, sobald man sich innerhalb einer Zeitperiode (14 Tage, manche Ratgeber reden aber auch von 1 Monat) aus Versehen oder um Nachzuschauen, ob der eigene Account auch wirklich gelöscht wurde, einloggt - Facebook will so den User vor dem schweren Fehler (aus Sicht Facebooks zumindest) einer vollkommenen Löschung aller eigenen Daten auf Facebook bewahren.
Auch hier zeigt sich wieder ein Charakterzug Facebooks, den man als im Eigeninteresse bevormundend bezeichnen kann. Bezeichnend: für Facebook positive Aktionen wie Mitglied einer Gruppe oder Fan einer Seite zu werden, sind erwünscht und ganz einfach (man ist ganz einfach per Klick dabei) aber austreten, deaktivieren ist dagegen nur über umständliches Navigieren oder genaues Stöbern auf der Seite möglich.