Geheimnisvolle gigantische Leuchtfeuer aus kosmischer Urzeit
Seite 2: Was sind Quasare?
51 Jahre nach der Bestätigung ihrer Existenz hat sich das Wissen über Quasare zwar gemehrt, doch bleiben noch sehr viele Fragen unbeantwortet, die auf ihr wahres Wesen abzielen. Gesichert ist nur, dass Quasare extrem hell sind und aus einen Bereich kleiner als unser Sonnensystem enorm viel Energie emittieren. Sie bilden den Kernbereich einer aktiven Galaxie. Dabei überstrahlen sie die Wirtsgalaxie derart intensiv, dass sie im sichtbaren Spektralbereich des Lichtes wie ein Stern punktförmig in Erscheinung treten. Nicht nur im weißen Licht, sondern über das gesamte elektromagnetische Spektrum, vom Radiowellen- bis hin zum Gammawellenbereich strahlen Quasare so hell wie Tausende riesige Galaxien zusammen genommen, wobei viele von ihnen sogar gebündelte Teilchenstrahlen mit fast Lichtgeschwindigkeit ins All schießen.
Beheimatet sind alle größtenteils im fernen Universum, in einem Abstand von mindestens mehreren Milliarden Lichtjahren zur Erde. Lokalisieren und anhand ihrer signifikanten Emissionslinien nachweisen sowie katalogisieren konnten Astronomen bislang eine halbe Million Quasare, die meisten davon während der umfassenden Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Der Expansion des Raumes Tribut zollend, entfernen diese sich von uns mit zunehmender Geschwindigkeit. Viele von ihnen weisen derweil sogar Rotverschiebungsraten von mehr als 6 auf. Den bisher am weitesten entfernten Quasar entdeckte ein internationales Wissenschaftlerteam um Daniel Mortlock vom Imperial College London (England) im Jahr 2010. Er entstand nur 770 Millionen Jahre nach dem Urknall und wird von einem Schwarzen Loch mit zwei Milliarden Sonnenmassen angetrieben. Der Wert seiner Rotverschiebung beträgt sage und schreibe 7,085. Der massivste Quasar, der Rekordhalter in puncto Masse, wird von einem Schwarzen Loch befeuert, das die 10 Milliardenfache Masse der Sonne hat. Und der leuchtstärkste unter ihnen erreicht mehr als 1014 Sonnenleuchtkräfte (L☉).
Supermassereiche Energieproduzenten
Astronomen weltweit sind sich darin einig, dass supermassive Schwarze Löcher (engl. "Supermassive Black Hole" = SMBH) die Verursacher der enorm hohen Strahlung sind, die uns trotz ihrer riesigen Distanz zur Erde in unterschiedlichen und sich ständig verändernden Intensitäten erreicht. Wie sie dies jedoch anstellen, vermag bis heute noch keine einheitliche, allseits akzeptierte Theorie zu erklären.
Schwarze Löcher präsentieren sich im Kosmos in drei grundverschiedenen Größenklassen: mal als stellare Schwarze Löcher von nur wenigen Kilometern Durchmesser, die einem Muttergestirn entstammen, das nur einige Male schwerer ist als unsere Sonne; mal als mittlere (10.000 bis 100.000 Sonnenmassen) oder eben als supermassereiche Schwarze Löcher mit rund einer Million bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen. In nahezu allen Galaxien mit einem Bulge vermuten Astronomen riesige Schwarze Löcher der letzten Kategorie.
Viele von den gigantischen Schwerkraftfallen nisten sich in Galaxienzentren ein, wo sie sich in der Regel derweil auffallend ruhig verhalten, wie etwa Sagittarius A im Herzen unserer Milchstraße, der immerhin mit rund 4,5 Millionen Sonnenmassen aufwarten kann.
Bei Quasaren oder in andern aktiven galaktischen Kernen hingegen geht es weitaus wilder zu. Hier sind riesige Schwarze Löcher zugange, die mithilfe ihrer gigantischen Masse und Anziehungskraft Gas, Staub und Materie an sich ziehen und diese auf der so genannten Akkretionsscheibe konzentrieren, einer extrem heißen und rotierenden Scheibe, die das Schwarze Loch wie ein Ring umgibt. Von dort spiralt die gefesselte Materie Bahn für Bahn - ähnlich einem Wasserstrudel - langsam ins Innere des Zentrums und verschwindet dort auf Nimmerwiedersehen in einem gewaltigen Raum-Zeit-Strudel, in eine Singularität.
Während der Akkretion heizt sich die Scheibe und Region auf unvorstellbar hohe Temperaturen auf und emittiert extrem stark im sichtbaren Licht und auf (fast) allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums. Die hierbei freiwerdende Strahlung gibt sich im Spektrum auf charakteristische Weise zu erkennen. Sie besticht mit auffallend breiten Emissionslinien. Streng genommen sind Quasare nichts anderes als sehr aktive supermassereiche Schwarze Löcher, die permanent mit Materie versorgt werden und dadurch hell aufleuchten, weil es damals schlichtweg mehr Futter gab als heute.
Quasare spiegeln letzten Endes nur einen Zeitabschnitt im Leben von Galaxien wider. Traten sie in der Frühzeit des Universums in verschiedenen Größenklassen gehäuft auf, so trifft man sie im heutigen Universum höchst selten an. So manch supermassives Schwarzes Loch (SMBH), das früher einmal hochaktiv war und dadurch zu einem Quasar heranreifen konnte, musste seine kulinarische Lust mit den Jahrmilliarden in Ermangelung von freiem Gas, Staub und Materie zwangsläufig zügeln. Es degenerierte quasi zu einem toten Quasar.
"Heute sind Quasare in den meisten massereichen Galaxien ausgestorben. Hier sind jetzt supermassive Schwarze Löcher ohne Treibstoff unterwegs", erklärt der Astronom Michael Brotherton von der University of Wyoming (USA), ein Spezialist für aktive Galaxien und Quasare. Vor allem unsere Galaxie, die Milchstraße, habe nicht über ein Schwarzes Loch verfügt, das massereich genug gewesen wäre, zu einem Quasar zu mutieren. "Die Galaxis hatte in der Vergangenheit bestimmt frühere Episoden mit größerer nuklearer Aktivität, aber sein supermassives Schwarzes Loch (…) hatte höchstwahrscheinlich zu keinem Zeitpunkt Quasar-Status", so Brotherton. Ähnlich sieht dies auch der deutsche Astronom Norbert Junkes vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn: "Das supermassereiche Schwarze Loch in unserer Milchstraße weist 'nur' 4,5 Millionen Sonnenmassen auf, ist aber gegenwärtig sehr inaktiv. Ob Sagittarius A in kosmischer Frühzeit ein Quasar war, halte ich angesichts seiner vergleichsweise geringen Masse für eher unwahrscheinlich."
Noch viele Fragen offen
Wenngleich der Steckbrief von Quasaren mit Details bespickt ist, so überwiegen doch in ihm die Fragezeichen. Kein Geringerer als Robert Antonucci, der sich seit vielen Jahren Quasaren und aktiven Galaxien verschrieben hat, kritisierte letztes Jahr im Nature die aktuelle Quasar-Forschung mit deutlichen Worten. Seiner Meinung nach ist dieser Forschungszweig innerhalb der Astronomie ins Hintertreffen geraten und krankt an einem Übermaß von Theorien, die sich kaum beweisen lassen.
Haben wir nun in den vergangenen 50 Jahren Quasare besser zu verstehen gelernt? Ich denke nicht. Die Modelle der Radioquellen haben sich in den letzten drei Jahrzehnten nicht wesentlich geändert. Grundlegende Fragen bleiben offen." In den letzten 50 Jahre habe man zwar Tausende von Quasaren aufgespürt, so Antonucci, aber brauchbare physikalische Modelle, wie diese ihre enormen Energien generieren und abstrahlen, habe man noch keine entwickelt. "Viele theoretische Modelle von Quasaren haben wenig oder keine Vorhersagekraft und meiner Meinung nach dementsprechend wenig Nutzen.
Derweil drängen sich auf diesem Fachgebiet in der Tat noch viele andere Fragen auf, deren Antworten mindestens in genauso weiter Ferne liegen wie die Quasare selbst. Neben dem Problem, wie diese Gebilde ihre enormen Energiemengen emittieren, ist die Natur ihrer Jets noch völlig unklar. Wie ist um die Eigenschaften von Akkretionsscheiben bestellt? Selbst eine detaillierte Untersuchung der Emissionslinien von Quasaren steht noch aus, weil hierfür die Röntgenteleskope noch nicht ausgefeilt genug sind. Und ohnehin bliebe noch zu klären, wie supermassive Schwarze Löcher in der Frühzeit des Kosmos so schnell entstehen und anwachsen konnten.