Geld oder Leben: Vom Bruttosozialprodukt zum Psychosozialprodukt

Seite 3: Die unterschätzte Dimension und die Misere der sozial technokratischen Linken

Alle reden vom Bruttosozialprodukt, kaum einer vom Psychosozialprodukt. Die Vergegenwärtigung, was das Arbeiten, die Produkte und die Sozialbeziehungen mit den Individuen machen, zeigt die Tiefendimensionen der herrschenden Lebensweise an.

Die Fehlannahme

Viele verstehen es nicht, die beschriebenen Probleme in einer von einem problematischen Reichtum beherrschten Welt als dessen Folge wahrzunehmen und daraus dessen existenzielle Infragestellung zu entwickeln.

Die Betroffenen schreiben weiter ihre Misere dem eigenen Ungeschick oder den Missetaten anderer zu. Falsche Selbstkritik und zermürbende gegenseitige Beschuldigungen bilden die Folge.

Wir haben die schiefe Ebene skizziert, auf der sich die moderne bürgerliche Gesellschaft entwickelt. Die Fortschritte in ihrem Rahmen verändern das Quantum, nicht die Qualität. Wir haben das an den benannten Problemen gezeigt. Die Fokussierung auf zentrale Probleme ist bitter nötig.

Der sozialtechnologische Tunnel

Die genannten Probleme zu identifizieren, das gibt uns einen Maßstab an die Hand. Mit ihm können wir fragen, was ökonomische, technologische und politische Strukturen und Handlungen leisten für die Bewältigung von zentralen Hindernissen, die einem guten Leben entgegenstehen.

Viele Vorschläge für eine "andere Gesellschaft" bleiben sozialtechnologisch. Sie stellen sich gar nicht erst die Frage, wie das Arbeiten, die Verhältnisse zwischen den wirtschaftlichen Akteuren und der Konsum selbst die Lebensqualität formieren bzw. deformieren.

Umverteilen statt umgestalten

Viele wollen nur den bestehenden Reichtum umverteilen, statt ihn von Grund auf umzugestalten. Sie wollen nur anders verwalten. Sie beanstanden am Kapitalismus, dass er Wirtschaftskrisen hat, und deshalb wollen sie alles einer Planung unterwerfen, damit nichts vom bestehenden Reichtum verloren geht.

Die Quantität des Reichtums interessiert sie, weniger die Qualität.

Für "anders leben, anders arbeiten, andere soziale Beziehungen, sich anders vergesellschaften" haben sie kein Organ. So kommen sie nur zu einer ökonomistischen Kritik der Ökonomie.

Radikale Transformation

Radikale Bedürfnisse stehen im Gegensatz zu dem, was gesellschaftlich das menschliche Dasein von Grund auf (also "radikal") in problematischer Weise entwickelt. Eine radikale Transformation geht aus von radikalen Bedürfnissen.

Sie wollen die Überwindung der genannten Probleme. Alles andere läuft darauf hinaus, innerhalb der Misere lediglich die Kulissen umzustellen, die Anteile zwischen verschiedenen Gruppen zu verschieben, Verteilungsquoten zu verändern und die Bestände umzugruppieren, ohne ihre Qualität zu verändern.

Viele wollen den Kuchen anders verteilen, dabei geht es um einen anderen Kuchen sowie um eine andere Art des Kuchenbackens.

Die Herangehensweise von Polit-Technokraten ähnelt der Bewegung eines Croupiers, der auf einem Tisch die Chips von einem Teilnehmer zum anderen harkt.

Im Unterschied dazu gilt es, jede ökonomische Aktivität und Relation durchsichtig zu machen auf deren problematische Auswirkungen auf das Alltagsleben sowie auf die Bildung der menschlichen Vermögen der Individuen.

Viele orientieren sich in ihren Alternativvorstellungen zum Bestehenden an den "Erfolgs"-Kriterien der modernen bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie. Dieser Artikel plädiert nicht nur für andere Antworten, sondern auch für andere Fragen.

Die genannten Nöte sollen nicht länger latent und denjenigen Problemen (Umverteilung, Arbeitnehmerrechte, Ökologie und der Schutz von Minderheiten) untergeordnet bleiben, deren Artikulation nicht ohne Grund bereits zum vorfindlichen Politikbetrieb gehört bzw. zu ihm die kritische Ergänzung bildet.