Gender und Sex

Seite 4: Warum Männer und Frauen sich nicht in ihrer Intelligenz unterscheiden

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Das Rätsel der menschlichen Evolution beginnt sich zu lüften. So konnte gezeigt werden, dass Sprache an das Erzählen von Geschichten angepasst ist und dafür eingesetzt wird, dass wir innere Zeitreisen machen.

Sprache ist nicht dafür entstanden, relevante technische Informationen zu übermitteln und beispielsweise jemandem zu erklären, wie man einen Speer herstellt, sondern um Geschichten über Freunde und sich selbst zu erzählen.

Wir können mit Sprache Handlungen beschreiben, die in der Zukunft stattfinden werden oder in der Vergangenheit stattgefunden haben. Wir leben in Geschichten und sind mit unserer Vergangenheit und Zukunft beschäftigt. Dadurch erst bekommt unser Leben einen Sinn und wir empfinden uns als Persönlichkeit und das heißt: als ein Wesen mit Vergangenheit und Zukunft. Dies alles haben wir der Evolution und unseren Genen zu verdanken.

Zwar werden in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Geschichten auf unterschiedliche Weise und mit Hilfe unterschiedlicher Kulturtechniken (Schrift, Druck, Radio, Film, Fernsehen, Internet) erzählt, doch die Grundlage des Geschichtenerzählens liegt in der Biologie des Menschen und ist universell. Dies alles wissen wir, und dennoch stehen wir im Dunkeln und können nur darüber spekulieren, welchen Anteil die Kultur und welchen Anteil die Gene an unserem Leben und an unseren geistigen Prozessen haben.

Wenn wir den Menschen aus seiner Herkunft verstehen wollen, brauchen wir ein Modell, das den Bruch innerhalb der Evolution erklärt (derartige Brüche gibt es einige, wie beispielsweise die Entstehung des Zellkerns oder die Entstehung der sexuellen Selektion). Diese Theorie müsste nicht nur die Geschwindigkeit unserer Evolution erklären, sondern auch die Entwicklung von Merkmalen, die sich nicht als Anpassungen an die Umwelt erklären lassen.

Warum neigen Männer in allen Kulturen dazu, von ihren Heldentaten zu erzählen, und finden kein anderes Thema so faszinierend wie sich selbst, während Frauen eher von ihren inneren Erlebnissen und Gefühlen sprechen? Weshalb ist für Jungen nichts so schlimm, wie als Feigling zu gelten, und warum gibt es bei Mädchen fast immer Tränen, wenn es darum geht, wer in der Klasse neben wem sitzt und wer bei einer Klassenfahrt in welchem Zimmer schläft? Und sind diese Unterschiede tatsächlich genetisch bedingt?

Eine erste Hypothese hierzu ist, dass der Mensch durch sich selbst in doppelter Weise selektiert wurde. Er ist also nicht nur Gegenstand der Selektion, sondern auch ihr Agent. Wie aber sollen wir uns das vorstellen? Menschengruppen waren die selektierende Umwelt anderer Menschengruppen und Frauen haben Männer ausgewählt.

Während bei den Männern besonders Angeben, Heldentaten und das Erzählen von Geschichten selektiert wird, wird bei Frauen die Fähigkeit selektiert, Qualität und Vertrauenswürdigkeit von Männern zu prüfen. In beiden Formen der Selektion durch sich selbst spielt Kultur eine Rolle: Kriegskulturen und die Konventionen der Erzählung, einschließlich der Sprache und der Fähigkeit, sich in einen Helden einer Erzählung hineinzuversetzen und sich vorzustellen, was der Hörer bereits weiß und was noch nicht.

An dieser Stelle kommt es, insbesondere bei evolutionären Psychologen (die von ihrer Ausbildung her keine Evolutionsbiologen sind) zu einem Denkfehler. Sie nehmen an, dass die Gene, die bei einem Geschlecht selektiert werden, in jedem Fall zu einem Unterschied zwischen den Geschlechtern führen. Nehmen wir an, Männer würden allein aufgrund ihrer Intelligenz von Frauen gewählt und nur die 10% intelligentesten Männer könnten sich fortpflanzen, während der Reproduktionserfolg der Frau nur vom Zufall abhänge. Wie würde sich die Intelligenz der Männer und Frauen entwickeln?

Nach der Logik der evolutionären Psychologie müssten Männer dadurch intelligenter als Frauen werden. Falsch! Denn Gene werden in der Regel unabhängig vom Geschlecht weitergegeben. Wenn also die Leserin einen Mann aufgrund seines Humors wählt und selbst weitgehend humorlos ist (was wir nicht hoffen wollen), werden ihre Söhne im Durchschnitt nicht mehr Humor besitzen als ihre Töchter. Nur dort, wo unterschiedliche, einander ausschließende Strategien sinnvoll sind, entstehen Unterschiede, beispielsweise in Bezug auf die Risikobereitschaft.

Männer waren gezwungen, sich stärkeren Risiken auszusetzen, um damit ihre Paarungschancen zu erhöhen. Sie sind stärker der Selektion ausgesetzt (d.h. in Bezug auf den reproduktiven Erfolg treten bei Männern größere Unterschiede als bei Frauen auf). "Frauen versuchen ihr Glück, Männer riskieren ihres", sagt Lord Henry in Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray. Wie sinnlos dies unter den heutigen Lebensbedingungen sein kann, kann man an dem Verhalten männlicher Jugendlicher überall auf der Welt beobachten.

Sichtbare Unterschiede ergeben sich aufgrund des sexualspezifischen Schmuckes, also all jener Merkmale, die ein Geschlecht für die Auswahl durch das andere benötigt und die es attraktiv machen. Hierzu gehören Bartwuchs, tiefe Stimme und Größe beim Mann und schmale Taille, breite Hüften und Brüste bei der Frau.

Auch in Bezug auf die räumliche Orientierung wurden Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. Frühe Studien kamen zu dem Schluss, dass Männer in diesem Bereich überlegen seien. Evolutionäre Psychologen und andere Laien behaupteten, dass dies dadurch begründet sei, dass es für den Mann notwendig sei, sich bei der Jagd zu orientieren.

Später stellte man fest, dass Männer und Frauen das Problem der räumlichen Orientierung unterschiedlich lösen und dass die frühen Versuche so aufgebaut waren, dass die männliche Form der Orientierung besser abschnitt. Männer neigen dazu, innere Landkarten zu entwickeln und sich nach den Himmelsrichtungen zu richten, während Frauen sich an Hinweise und Wegmarken halten. Die männliche Orientierung ist für großes unbekanntes Gelände besser geeignet, während die weibliche Orientierung in bekannten Räumen schneller und zuverlässiger ist.

Für grundsätzliche kognitive Fähigkeiten, die für beide Geschlechter einen Vorteil darstellen, ergeben sich keine Unterscheide zwischen den Geschlechtern, selbst wenn sie nur in einem Geschlecht selektiert wurden. Wir sind das, was wir sind, durch unsere Gene, denn es sind unsere Gene, die uns von einer Amöbe oder einem Eisbären unterscheiden. Die Unterschiede zwischen Menschen und auch zwischen Männern und Frauen sind im Verhältnis dazu verschwindend gering. Doch könnte dieser kleine Unterschied auch wiederum Hinweise auf die Evolution des Menschen geben.

Sind also die Unterschiede zwischen Männern und Frauen biologisch gegeben und kommen darüber hinaus die Unterschiede, die in den sozialen Rollen liegen noch dazu? Dies würde heißen, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen durch die Kultur verstärkt wird. Könnte es nicht auch umgekehrt sein und die Geschlechtsunterschiede könnten von einer Kultur abgemildert werden?

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