George Lucas' digitale Popcorn-Kriegsmaschine

Revolution oder Abschied vom Kino? Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger

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George Lucas hat soeben wieder neue Standards gesetzt. "Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger" ist eine der ersten digitalen Kinoproduktionen mit der HighDefinitionFilmkamera (von Sony und Panavision). Der 130-Mio.-Dollar-Film läuft am 16. Mai weltweit in allen Kinos der Welt - zumeist noch auf Zelluloid - an, obwohl die digitale Fassung per Satellit oder Kabel in entsprechend ausgerüstete Filmsäle eingespeist werden kann. Einmal mehr gerät das Kino aus den Fugen und wird zu einem Zwischending: eine digitalen Popcorn-Maschine, die gleich fünf Bluescreen-Planeten in 2.000 Special Effects vernascht.

Ein Ei auf der Straße

In der alten Sequel-Trilogie "Episode IV, V, VI" (1977 -1983) irrten die geschichtslosen Fantasy-Helden Luke und Leia, überwacht von R2-D2 und C-3PO, in wilden Verfolgungsjagden auf Sternenkreuzern und Todessternen herum, nippten an einer Prise Jedi-Mythologie und kriegten nebenbei heraus, dass Papa, Bruder und Schwester aus einem letalen Ei geschlüpft sind. Die dankbaren Fans haben unter der Pop-Corn-Kruste des geschickt zusammengebastelten Mythos eine höhere Fügung entdeckt und die vielen verstreuten Hinweise zur Vorgeschichte registriert - auch wenn Yodas Enthüllungen und Weissagungen auf dem Sumpfplaneten Dagobah etwas vom märchenhaften Kinderschwachsinn der "Unendlichen Geschichte" hatten. In den Einführungsinterviews zur Video-THX-Neuausgabe der älteren "Star Wars"-Serie behauptete Lucas: "Die Zuschauer haben den Taten von Personen beigewohnt, die sie nicht kennen". Und prompt stieg der Erklärungsbedarf ins Unermessliche.

Doch "Episode I - Die dunkle Bedrohung" hinterließ einen zwiespältigen Eindruck: Der Beginn der Vorgeschichte war genau so abrupt und verworren, wie wir es von Lucas gewohnt sind. Die Kombination alter und neuer Schauplätze, Tatooine, Coruscant und Naboo, schien keinen rechten Sinn zu machen. Die politischen Konflikte zwischen der korrupten Demokratie der Galaktischen Republik und der dümmlichen Habgier der Handelsföderation wirkten gekünstelt, der Auftrag der Qui-Gon Jinn und Obi-Wan Kenobi wie ein Vorwand zur Action. Die Mauscheleien und Meucheleien der bösen Siths blieben ein flüchtiges Störgeräusch ohne Tiefe. Jar Jar Binks und seine Gunganische Streitmacht fielen bei den alten Fans durch.

Die Hauptattraktion des Films, das Pod-Race, der Kampf mit Darth Maul und der Krieg im All, führten wieder zurück zu den alten kreisförmigen Verfolgungsjagden mit Finalexplosion. Es sah so aus, als habe Lucas sich von der Urerfahrung seiner frühen Filme, "THX 1138" und "American Graffiti", nie wirklich gelöst - vom Ei und vom Motor, der klinischen Hohlwelt und der schmutzigen Straße, der klaustrophobischen Utopie eines Ameisenstaats und der Pubertätsphantasie grenzenloser Geschwindigkeiten. Konsequente Logik von Handlung und Charakter seien nicht seine Sache.

Chaotische Oligarchien und egoistische Allianzen

In "Episode II - Angriff der Klonkrieger" nimmt die Vorgeschichte endlich deutliche Konturen an. Die Personen, Parteien und Fronten verbinden sich zu den für Lucas typischen chaotischen Oligarchien und egoistischen Allianzen. Schon in der Sequel-Trilogie waren sich Darth Vader und die Technologen des Todessterns in ihren psycho- und techno-militärischen "Macht"-Visionen keineswegs einig. Der Freibeuter Han Solo war von Haus aus kein beherzter Verbündeter der Rebellen. Freunde können gefährlich werden, Feinde höchst nützlich sein. Diese Überlegung macht auch den Reiz des neuen Jedi-Paares Anakin Skywalker und Obi-Wan Kenobi aus. Der herangereifte, mit den Fähigkeiten der Macht außergewöhnlich begabte Padawan (Hayden Christensen) leidet unter Selbstüberschätzung, ist tollkühn, gefühlskalt, aggressiv, hochmütig und krankhaft ehrgeizig. Sein Meister (Ewan McGregor) kann ihn kaum an die Leine legen. Beide wirken nicht wie Lehrer und Schüler, sondern wie konkurrierende Brüder. Lucas knapp geschnittene Dramaturgie lässt keinen Zweifel aufkommen, dass dieses instabile Paar nur die allgemeinen galaktischen Verhältnisse repräsentiert.

"Episode II" ist vor allem ein Drama der Verunsicherung und des Umbruchs. Der Niedergang der demokratischen Republik ist schon eingeleitet. Aber der Aufstand der Handelsföderation ist nur ein Einfallstor für weiteres Unheil. Angesichts der politischen Wirren und der aufkeimenden Gewalt erscheinen die Jedis als ratlos dienende Priesterpolizei, deren Entmachtung unmittelbar bevorsteht. Die Aufklärung der Attentate auf die ehemalige Königin und jetzige Senatorin Padmé Amidala (Natalie Portman) führt nur tiefer ins Dickicht galaktischer Intrigen.

Der dubiose Kanzler Palpatine (Ian McDiarmid) wird zum militärischen Diktator auf Zeit ernannt. Eine Klonarmee, die bereits vor Jahren in Auftrag gegeben worden ist, und deren genetische Substanz von einem Söldner, der auch den Bösen dient, Jango Fett, stammt, soll jetzt die Kampfkraft der Galaktischen Republik im Krieg gegen den Feind erhöhen. Aber der offene Ausbruch dieses Krieges am Ende des Films ist die Sollbruchstelle, an der die dunklen, noch unerkannten Sith-Lords, Darth Tyranus (alias Count Dooku) und Darth Sidious (alias Kanzler Palpatine), im Hintergrund ihre Chance wittern, die Macht zu übernehmen, um das aus der späteren Trilogie bekannte Imperium zu errichten und die freien Bürger der Galaxie zu versklaven.

Don Quixote im galaktischen Alltag

Die "Episode II" ist ein ehrgeiziger und beeindruckender Film, der die große Historie und die Biographie Anakin Skywalkers mit neuesten Mitteln der digitalen Bildtechnik vorantreibt. Die von Fußgängern bevölkerten und vom Luftverkehr überfüllten Straßenschluchten von Coruscant, die architektonischen Details des Regierungsviertels und der Ausflug in die schmutzigen Industrievororte setzen Akzente, die man bisher nur aus "Blade Runner", "Das fünfte Element" und "Judge Dredd" kannte. Die Zukunft einer planetaren Megapole wird zum greifbaren Alltag jenseits der Plastikkulisse.

Doch in diesem Kontext erscheinen die Jedis als anachronistische Ausnahme, Don Quixote tauscht seine Rosinante mal eben gegen den Nahverkehrsluftbus ein, nimmt einen Drink in der Bar, hängt an einem Spionage-Flug-Droiden wie an einer Windmühle und treibt Aufklärung mit dem Dexter Jettster, dem Padrone eines High-Tech-Fastfood-Restaurants. Während die "Roger-Rabbi""-Anklänge an den Streamline der 40er Jahre im Straßenverkehr Sinn machen, sind die Sitzmöbel in den hohen Gremien wie schon in "Episode I" von entwaffnender Einfallslosigkeit eines Möbelgeschäftes um die Ecke.

Regie- und Musik-Schwund

Die Jedi-Bibliothek, die Jedi-Schule und der Jedi Tempel sind als Orte der pädagogischen Tradition und des geordneten Wissens mit sakralen, kirchenschiffartigen Gängen ausstaffiert. Aber die oft dargebotene Zentralperspektive verrät die Standortlosigkeit der digitalen Hintergründe. Die Plaza Espana in Sevilla, im Film zum Theed-Palast-Platz von Naboo, ausgewalzt, gerät zur symmetrischen Kitschpostkarte. Das biedermeierliche Geranien-Ambiente am Comer See, dem Ort der gefühlsarm und hölzern gespielten Romanze von Anakin und Padme, wird gleich dazu geclippt. Ähnlich verpufft der Tod der von den Tuskenräubern gefolterten Mutter Shmi Skywalker zum TV-Dialog, dem dann Anakins erste My-Lai-Attacke folgt.

Es hat den Anschein, als führe die Konzentration auf die digitale Bildbearbeitung und den Schnitt der Actionszenen und Special Effects zu einem massiven Verlust an Schauspielregie und emotionaler Zuschaueridentifikation in den kurzen "Normalhandlungen". Überall ist die Nivellierung durch den Bluescreen und das System der Monitore spürbar. Nahaufnahmen und Totalen wechseln oft unverbindlich ab. Immer wieder fehlt Spannung zwischen den Schauspielern und der Umgebung. Sie scheinen keinen sichtbar inszenierten Raum zu erspüren, geschweige denn ihn selbst darzustellen. Das Risiko für einen gelungenen Gesamttake entfällt. Jede Aufnahme ist wiederholbares und unendlich rekombinierbares Detail. Mit den Marketingwelten abgestimmtes Design, ständig abgewandeltes Storyboard, Musterfilme und direkte elektronische Nachbearbeitung federn eine Filmästhetik ab, die - auch unter Zeitdruck und in Megakonkurrenz zu "Der Herr der Ringe. Folge 2" - zwischen Produktion und Postproduktion kaum mehr unterscheidet.

Photos (c) Copyright Twentieth Century Fox

Während Hayden Christensen die Überheblichkeit gut zu Gesicht steht, kriegt die sprechende Natalie Portman im Original kaum die Zähne auseinander. So wird der Film zum stummen Comic, auch da, wo er vor sich hinsingen müsste. Es ist kein Zufall, dass John Williams fahle Musik vom "übrigen" Sound fast verdrängt wird, besonders deutlich in der Verfolgungsszene im Asteroidengürtel um Geonosis. Ben Burtt, der Sounddesigner von "Star Wars" (verantwortlich für die Piepsstimme von R2-D2, das Wummern der Laserschwerter und Darth Vaders gefährliches Asthma), hat nun neben dem Tonschnitt auch den Bildschnitt übernommen, um die antipsychologische und antiromantische Unterhaltungsapparatur von "Star Wars" jenseits der alten musikalischen Leitmotive voranzutreiben.

ILMs totaler Krieg

In weiten Teilen imponieren Dichte, Detailreichtum und Tiefenschärfe der digitalen Welten. Ganz so überzeugend ist der von Harry Knowles gelobte Lichtschwerter- und Energie-Show-Down zwischen dem digitalen Yoda und Separatisten Count Dooku (alias Sith-Lord Darth Tyranus, Christopher Lee) freilich nicht. Joda ist einfach zu niedlich.

Das von Dennis Muren (ILM) und Ben Snow ("Pearl Harbour") verantwortete Effects-Finale bietet für den Zuschauer die ultimative Gehirnwäsche. Die Eskalation der "zivil begrenzten" Gewalt mündet in den totalen Krieg, in dem es nur noch Beteiligte in allen denkbaren Perspektiven zu Lande und aus der Luft gibt. Der Gladiatorenkampf in der Hinrichtungsarena weitet sich über die Ränge hinweg zur offenen Auseinandersetzung zwischen der Handelsföderation und der Republik aus. Wenn zahllose Geschöpfe, Droiden, Klone, Gleiter, republikanische Schiffe und föderale Transporter (im "Perry-Rhodan"-Kugel-Look) mit ihren Kampftechniken und Strategien gleichzeitig operieren, bis die Staubwolke eines getroffenen Schiffsgiganten wie in den TV-Bildern des 11. Septembers auf die Krieger herniedergeht, dann triumphiert nur eine Instanz: "Industrial Light and Magic".