Georgien: Stichwahl zwischen zwei ehemaligen Außenministern
Für das Verhältnis zu Russland, zur EU und zur NATO ist der Ausgang der Ballotage wahrscheinlich einerlei
Bei der am Sonntag abgehaltenen Präsidentenwahl in Georgien erreichte keiner der insgesamt 25 Kandidaten eine absolute Mehrheit. Nun gibt es eine Stichwahl zwischen der ehemaligen Außenministerin Salome Surabischwili, die auf einen Stimmenanteil von 38,6 Prozent kam, und einem anderen Ex-Außenminister: Grigol Waschadse, der mit 37,7 Prozent nur ganz knapp hinter ihr landete. Surabischwili tritt offiziell als unabhängige Kandidatin an, wird aber von der Regierungspartei Kartuli Ocneba - Demok’rat’iuli Sakartvelo ("Georgischer Traum - Demokratisches Georgien") unterstützt. Waschadse ist der Kandidat der größten Oppositionspartei Ertiani Natsionaluri Modzraoba ("Vereinte Nationale Bewegung").
Dawit Bakradse, ebenfalls ein ehemaliger Außenminister, kam mit einem Stimmenanteil von 10,97 Prozent und der Unterstützung der explizit EU-euphorischen Partei Evropuli Sakartvelo ("Europäisches Georgien") auf Platz 3. Vierter wurde Schalwa Natelaschwili von der sozialdemokratischen Sakartvelos Leiboristuli Partia (SLP), für den nur 3,74 Prozent der Wähler stimmten. Sowohl Surabischwili als auch Waschadse und Bakradse dienten dem heute polizeilich gesuchten ehemaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili als Außenminister (vgl. Saakaschwili gibt nicht auf). Surabischwili - eine in Paris geborene Zbigniew-Brzeziński-Schülerin, deren Familie 1921 nach Frankreich ausgewandert war - zerstritt sich zwar bereits 2006 mit Saakaschwilis Ertiani Natsionaluri Modzraoba, der sie Clan-Strukturen vorwirft, begrüßte aber dessen Versuche, Abchasien zurückzuerobern (vgl. Chaos in Abchasien).
Umwandlung von einer Präsidialdemokratie in eine Parlamentarische Demokratie
Dass die Wahlbeteiligung mit lediglich 46,7 Prozent recht niedrig war, dürfte auch damit zu tun haben, dass bald eine Verfassungsänderung in Kraft tritt, die Georgien vollständig von einer Präsidialdemokratie in eine Parlamentarische Demokratie umwandelt. Diese im letzten Jahr verabschiedete Verfassungsänderung gilt auch als wichtiger Grund dafür, warum sich der 2013 gewählte und an der umstrittenen Soros-Universität in Budapest ausgebildete Amtsinhaber Giorgi Margwelaschwili am Sonntag nicht mehr zur Wahl stellte. Er, so Margwelaschwili am 31. August bei einem Treffen mit dem ehemaligen lettischen Präsidenten Valdis Zatlers, werde seinem Land zukünftig "auf andere Weise dienen".
Dass Georgien 2004 ein präsidentielles Regierungssystem bekam, geht auf Saakaschwili zurück, der 2003 durch die so genannte "Rosenrevolution" an die Macht kam. Mit der in seinen Händen konzentrierten Macht ließ der damalige Präsident die georgische Armee nicht nur Abchasien, sondern auch den De-facto-Staat Südossetien angreifen, der sich beim Zerfall der Sowjetunion für unabhängig erklärt hatte und in dem bis 2008 eine Kontrollkommission, in der Vertreter der georgischen und der russischen Regierungen sowie Süd- und Nordosseten mitarbeiteten, zusammen mit etwa 1.500 russischen, südossetischen und georgischen Soldaten für relativen Frieden sorgte (vgl. Krieg als Rätsel). Den daraus resultierenden Krieg verlor Saakaschwili ähnlich deutlich wie seine "Vereinte Nationale Bewegung" die Parlamentswahlen vier Jahre später.
Das Mischsystem, das entstand, nachdem man die auf den Präsidenten konzentrierten Befugnisse teilweise zurücknahm, führte zu Streitigkeiten zwischen dem Kartuli Ocneba, der seit 2012 im Parlament die Mehrheit hat, und dem 2013 gewählten Präsidenten Margwelaschwili. Die Surabischwili nahe stehende Partei nutzte die nach der Wahl 2016 erlangte Dreiviertelmehrheit deshalb, um das politische System im letzten Jahr komplett in ein parlamentarisches umzuwandeln. Darin hat der Staatspräsident zukünftig überwiegend zeremonielle Aufgaben und wird ab 2024 nicht mehr vom Volk, sondern - ähnlich wie in Deutschland - von einem Wahlmännergremium gewählt.
Wirtschaftspartner
Aber auch wenn der neue Präsident nur mehr eine Art georgischer Frank-Walter Steinmeier sein wird, bestimmt er doch den Ton mit, den die Kaukasusrepublik mit der nichtindoeuropäischen Sprache gegenüber anderen Ländern und Bündnissen anschlägt. Der russische Politikwissenschaftler Witali Schkljarow, den das russische Portal Sputnik dazu befragte, erkennt in diesem Bereich keine großen Unterschiede zwischen den beiden Stichwahlteilnehmern: Beide befürworten eine Aufnahme Georgiens in die EU und die NATO, und beide haben seiner Ansicht nach aber auch ein Interesse an einer Verbesserung des Verhältnisses zum großen nördlichen Nachbarn, "weil es offensichtlich ist, dass Russland, wenn auch kein Freund, so doch ein Wirtschaftspartner ist":
Der Großteil des georgischen Exports geht nach Russland. Und ein riesiger Teil des Tourismus, der für Georgien eine wichtige Quelle der Haushaltseinnahmen ist, ist mit Russland verbunden.
(Witali Schkljarow)
In einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit anstieg, während das Konsumniveau sank und die Landeswährung Lari im Verhältnis zum Dollar abstürzte, ist das kein Faktor, den Politiker konsequenzlos vernachlässigen können.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.