Gerhard Baum: Compact-Verbot kann vor Grundrecht der Meinungsfreiheit bestehen

Innenministerin Faeser vor Mikrophonen von Medien

Innenministerin Faeser. Bild: Juergen Nowak, shutterstock.com

Der liberale Politiker argumentiert für Maßnahme von Innenministerin Nancy Faeser. Das Verbot nennt er gut begründet, aber schlecht kommuniziert.

Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums, die "rechtsextremistische ‚Compact-Magazin GmbH‘" zu verbieten, hat eine heftige Debatte ausgelöst.

Die einen sehen darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und warnen vor einem Präzedenzfall, der auch andere Medien treffen könnte. Andere hingegen begrüßen das Verbot als notwendige Maßnahme zur Verteidigung der Demokratie gegen extremistische Kräfte.

Innenministerin Nancy Faeser ist mit ihrem Schritt, das umstrittene Magazin Compact zu verbieten, auf massive Kritik und Gegenwind gestoßen.

Medien und Fachleute warfen ihr vor, mit dem Verbot eine vitale Grenzziehung zwischen politischen Kompetenzen und grundgesetzlichen Freiheitsrechten überschritten zu haben. Bedenken wurden auch von Seiten geäußert, die die politischen Inhalte des Magazins vehement ablehnen.

Unterstützung vom liberalen Politiker Gerhart Baum

Nun meldet sich mit dem FDP-Politiker Gerhard Baum ein früherer Innenminister und Doyen der liberalen politischen Kultur zu Wort. Baum ist Rechtsanwalt, der sich in der Politik einen Namen zu Fragen des Verfassungsschutzes geschaffen hat. Er gilt als exemplarischer Vertreter liberaler Positionen in der Bundesrepublik, mit einem Profil als wache Stimme gegen den Übereifer staatlicher Macht und ihrer Behörden.

Angesichts der vielen Einwände in den Medien, die sich gegen eine Beschränkung der freien Meinungsäußerung stark machen, hat Baums Einlassung zum Verbot ein Überraschungsmoment. Veröffentlicht ist sie auf Legal Tribune Online. Dort befürwortet Baum das Verbot.

Effektiver als ein Parteiverbot

Zusammen mit Max Schulze, Referent im Bundesjustizministerium, argumentiert Baum, dass das Verbot von Compact gerechtfertigt und notwendig sei, um die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung zu verteidigen.

Die beiden bezeichnen das Verbot als "die schärfste Waffe unserer wehrhaften Demokratie gegen Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung". Sie argumentieren, dass das Verbot unmittelbar mit der Verbotsverfügung wirksam werde und daher effektiver sei als ein Parteiverbot.

"Kein Presseorgan verboten"

Baum und Schulze sind überzeugt, dass das Compact-Verbot vor Gericht Bestand haben wird. Sie vertreten die Auffassung, dass das Bundesinnenministerium "kein Presseorgan verboten" habe, sondern mit der GmbH eine Vereinigung im Sinne des Artikels 9 des Grundgesetzes.

Dieser Artikel verbietet Vereinigungen, "deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten".

Präzisiert wird die Begründung des Verbots der Compact-Magazin GmbH mit Vorgaben des Vereinsgesetzes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2.

Das GG schützt selbst solche Freiheitsbetätigungen, die auf die friedliche Ablösung seiner Verfassungsordnung abzielen. Dass dieser Verbotsgrund bei Compact jedoch aufgrund vielfältiger kämpferisch-aggressiver Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorliegt, die zudem die Sphäre der geistigen Auseinandersetzung verlassen, macht die Verbotsbegründung – anders als die begleitende Öffentlichkeitsarbeit – deutlich.

Es ist eine wachsende Aggressivität und die Tendenz zum Umsturz, die hier erkennbar werden und hohe Besorgnis auslösen. Für die Abwendung dieser Gefahren ist das Vereinigungsverbot da.

Gerhart Baum und Max Schulze

"Mehr als Worte"

Deutlich wird hieran schon: Die Autoren rücken ihren Scheinwerferkegel darauf, dass sich die Aktivitäten von Compact nicht nur in bloßen Meinungs- und Presseäußerungen erschöpfen.

Die Aktivitäten der verbotenen Vereinigung zielen darauf ab, zu aggressivem Verhalten bis hin zum gewaltsamen "Systemsturz" zu motivieren. Sie erschöpfen sich nicht in bloßen Meinungs- und Presseäußerungen, sondern gehen über die Vernetzung mit Schlüsselfiguren der "Neuen Rechten", etwa den Vordenkern der "Remigrationspläne", bis zur Agitation in der harten rechtsextremen und gewaltbereiten Szene über.

Sie argumentieren, dass es sich bei Compact um mehr als nur Worte handle, weshalb die im Artikel. 5 GG grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit dem Verbot nicht substanziell entgegenstehe.

Sie nennen Ereignisse wie die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 sowie den "Sturm auf den Reichstag" in Berlin im August 2020 wie auch den um Dimensionen größeren auf das Kapitol in Washington im Jahr 2021, um zu unterlegen, dass die freie Meinungsäußerung gegen das Compact-Verbot kein hinreichender Einwand sein könnte.

Vereine wie Compact legen ihrer Auffassung nach den Nährboden für solche Taten, "sie schmieden Umsturzpläne".

Es sind nicht nur Worte, sondern Taten, die daraus erwachsen (können), sie bilden den entscheidenden Anknüpfungspunkt für das Vereinsverbot. Ein solches Verbot kann auch vor Art. 5 GG Bestand haben. Denn der Schutz der Kommunikationsgrundrechte endet bekanntlich spätestens mit dem Verlassen der geistigen Auseinandersetzung. Und dort, wo Gewalt beginnt.

Das Innenministerium, so Baum und Schulze habe keine gute Kommunikationsarbeit geleistet. Durch eine treffsichere Öffentlichkeitsarbeit seiner Verbotsverfügung hätte es sich "noch unangreifbarer" machen können.

Die Autoren raten Faesers Ministerium dazu, die Passagen aus der Verbotsverfügung, die das Vereinsverbot tragen, "im (Eil-)Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht einzubringen und zu verdichten".

Das Verbot sei "gut begründet, aber schlecht kommuniziert".