German Angst: Migration steht wieder hoch im Kurs der Reizthemen

Gefährlicher als Inflation und Klimakrise? Mutmaßliche Zahnarztbesucher auf dem Weg nach Europa. Foto: geralt / Pixabay Licence

Anfang des Jahres machte sich weniger als die Hälfte der Bevölkerung große Sorgen wegen Zuwanderung. Nun toppt das Thema Inflation und Klimakrise. Mögliche Hintergründe.

Sowohl die Sorge vor der Inflation als auch die Angst vor der Klimakrise haben im Lauf dieses Jahres in Deutschland abgenommen. Stattdessen wird nach Monaten der Debatte um neue Verschärfungen des Asylrechts in Politik und Medien verstärkt Migration als Problem betrachtet. Nur der Ukraine-Krieg wird als noch bedrohlicher empfunden; die Inflation liegt aktuell knapp hinter dem Thema Zuwanderung.

Dies ergab die neueste Umfrage des Politikpanels Deutschland der Universität Freiburg, die zwischen dem 28. September und dem 8. Oktober 2023 durchgeführt wurde. 10.038 Personen haben daran teilgenommen, die Vergleichswerte stammen aus einer Panel-Umfrage im Januar dieses Jahres.

Alle bisher genannten Themen werden demnach von mehr als der Hälfte der Bevölkerung als ziemlich oder sehr bedrohlich wahrgenommen – was beim Thema Migration Anfang des Jahres noch nicht der Fall war. Die Krisenwahrnehmung bezüglich Migration hat seither um 16 Prozentpunkte zugenommen und wieder das Niveau von 2015 erreicht. 55,7 Prozent der Befragten halten nun Zuwanderung und Migration für ziemlich oder sehr bedrohlich.

Als noch bedrohlicher gilt aktuell noch den Krieg in der Ukraine – allerdings ist dieser Wert von 76,8 Prozent auf 57,2 Prozent gesunken. Starke Sorgen aufgrund von Inflation gaben zuletzt 55,3 Prozent der Befragten an – Anfang des Jahres waren dies 63,6 Prozent. Um fast zehn Prozentpunkte haben die Ängste wegen der Klimakrise abgenommen – mit 52,3 Prozent bereitet sie aber immer noch mehr als der Hälfte der Bevölkerung Sorgen.

Umfrage auf Höhepunkt politisch-medialer Debatte

Der Umfragezeitraum begann einen Tag, nachdem CDU-Chef Friedrich Merz im Interview mit Welt-TV über "Pull-Faktoren" gesprochen, und die "volle Heilfürsorge" für Asylsuchende kritisiert hatte, die angeblich Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen.

Mit Blick auf die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes war dies zumindest leicht zu widerlegen. Mehr Wahrheitsgehalt hatten Berichte über Kommunen, die seit Monaten mit der Unterbringung von Versorgung von Geflüchteten überfordert sind und zu wenig Unterstützung durch den Bund beklagen.

Berichte über Jubeldemos für die Massaker der islamistischen Hamas in Israel auf deutschen Straßen können erst am letzten Tag des Umfragezeiraums eine Rolle in der Krisenwahrnehmung gespielt haben.

Wenig überraschend sind in den Umfrageergebnissen die Unterschiede nach Parteienpräferenz: Für 96,6 Prozent der Befragten mit AfD-Absicht stellt Migration eine ziemliche oder sehr große Bedrohung dar. In der Anhängerschaft der Unionsparteien betrifft dies 71,6 Prozent, in der FDP-Klientel 59,42 Prozent, bei Personen mit SPD-Wahlabsicht 26,4 Prozent, bei jenen, die aktuell für Die Linke stimmen würden, 17,7 Prozent und bei Grünen 12,6 Prozent.

Die Klimakrise wird von 96,3 Prozent der Befragten mit Grünen-Wahlabsicht als bedrohlich erlebt – erstaunlich ist aber, dass dies im Fall der AfD nicht null, sondern immerhin 8,8 Prozent sind. Denn laut ihrer Veröffentlichungen leugnet die Partei das Problem.

Die Angst vor Corona spielt dagegen insgesamt kaum noch eine Rolle. Nur noch 5,1 Prozent fühlen sich durch das Virus ziemlich oder sehr bedroht. Anfang des Jahres waren dies noch 12,1 Prozent.

Wieder einmal nach "Wagenknecht-Partei" gefragt

Bemerkenswert ist an der aktuellen Umfrage, dass nebenbei wieder einmal nach Zustimmungswerten für eine bisher nicht existente Partei gefragt wurde: Die mögliche "Wagenknecht-Partei" zu wählen, können sich demnach 15 Prozent vorstellen. In anderen Umfragen vergangener Monate hatten dies 19 bis 20 Prozent geäußert.

Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Uwe Wagschal, der am aktuellen Politikpanel mitgewirkt hat, betont aber auch bei diesen 15 Prozent, dass unklar sei, ob sich dies tatsächlich in Stimmen umsetzen lässt: "Noch sind ein mögliches Wahlprogramm, das Spitzenpersonal und die Parteistrukturen unbekannt. In den Antworten steckt daher vermutlich auch viel Protest gegen die anderen Parteien."