Gerontokratie: Wie die USA in die Hand einiger Greise geraten sind

Seite 2: Altersschwache US-Politiker: Mitarbeiter übernehmen das Ruder

Die Causa Feinstein verdeutlicht die wichtige Rolle der "Congressional Aides", der Mitarbeiterinnen, Assistentinnen und Beraterinnen, mit denen sich Senatoren, Kongressabgeordnete und Präsidenten umgeben. Natürlich sind Senatoren in hohem Maße von ihren Mitarbeitern abhängig. Aber Feinsteins Gedächtnisprobleme bedeuten seit Jahren, dass sie ohne die Hilfe ihrer Angestellten praktisch handlungsunfähig wäre.

Die New York Times beschreibt die Beziehung von Feinstein zu ihren Beratern wie folgt:

Sie schieben ihren Rollstuhl, erinnern Sie daran, wie und wann sie abstimmen soll, und springen ein, um zu erklären, was passiert, wenn sie verwirrt ist. Sie bleiben bei ihr in der Garderobe in der Nähe des Senatssaals, wo Frau Feinstein darauf wartet, dass sie an der Reihe ist, um abzustimmen, um dann nur kurz in der Tür zu erscheinen, um ihre Stimme in Form eines "Ja" oder "Nein" vom äußersten Rand des Saales abzugeben.

Wenn die Mächtigen des Landes dermaßen verwirrt scheinen, dass ihre Mitarbeiter sie nur kurz unbeaufsichtigt lassen können, ergibt sich schnell ein Bild übersteigerten Einflusses ebendieser auf ihre Vorgesetzten. Ja, es könnte der Eindruck entstehen, das Land würde nicht von gewählten Vertretern der Bürgerschaft, sondern Bürokraten regiert.

Dieses Bild des politischen Tagesgeschäfts in Washington ist dem Glauben in die US-Demokratie sicherlich nicht zuträglich. Andererseits kann man, angesichts der geistigen Aussetzer des US-Präsidenten, die, anders als mitunter behauptet, nichts mit seinem Stottern zu tun haben, wahrscheinlich froh sein, dass dieser von Beraterinnen umgeben ist. Das gilt im Übrigen auch für Donald Trump.

Doch die Gerontokratie in den USA hat auch direkte politische Folgen: Staats- und Regierungschefs treffen Entscheidungen für künftige Generationen, die mit den Folgen dieser Entscheidungen zurechtkommen müssen. Vielleicht ist es naiv zu behaupten, dass jüngere Politiker eher bereit sind, sich mit dem Klimawandel zu befassen als diejenigen, die nicht mehr mit dessen womöglich katastrophalen Auswirkungen konfrontiert sein werden.

Doch scheint es immerhin wahrscheinlicher, dass sich eine jüngere Generation von Politikerinnen dieser Krisen annimmt als eine, deren politisches Verständnis noch in der Tradition des Kampfes gegen die Sowjetunion steht.

Kein Wunder, dass die derzeitige Regierung mehr mit dem schwelenden Konflikt mit China und Russland beschäftigt ist. Vielleicht wäre es sinnvoller, sich darum zu kümmern, dass von der Welt noch etwas übrig bleibt, anstatt sie mit China aufzuteilen.

Jüngere Politikerinnen, die dieses Weltbild in Frage stellen, werden bestenfalls ausgelacht, schlimmstenfalls ausgebremst. Auch unter Demokraten.

Es spricht Bände über die innerparteilichen Machtstrukturen, dass der politische Einfluss des "Squad", einer Gruppe junger Kongressabgeordneter, in den ersten beiden Jahren der Biden-Führung stetig abnahm. Seit den Zwischenwahlen gibt es wieder eine republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus, und schon sind die jungen Progressiven bei ihren Kolleginnen wieder beliebter, weil sie die republikanische Mehrheit wieder kritisieren.

Die Squad-Mitglieder scheinen sich mit ihrer Rolle abgefunden zu haben und sehen ihre neue Minderheitenposition sogar als politische Chance. Progressive junge Stimmen sind also bei den Demokraten erwünscht, solange sie nicht an der Macht sind und ihre Kritik gegen die Republikaner richten.

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