Geschenkte Wahl

Seite 2: Gebrauchsanleitung

Kommen wir zur Gebrauchsanleitung. Die Sache geht so: Man beantragt Briefwahl, bekommt den Stimmzettel zugeschickt und gibt ihn nun seinem persönlichen Kandidaten, der darauf ankreuzen kann, was er will. Allerdings gibt es einen Haken. Wer seine Stimme herschenken will, muss sich möglicherweise strafbar machen. Er müsste strenggenommen einen Meineid begehen.

An Eides statt ist zu erklären, dass man den Stimmzettel selbst ausgefüllt hat. Das lässt ein bisschen Spielraum. Alternativ könnte auch auf das Wahlgeheimnis verzichtet werden. Seine Stimme offiziell einem registrierten Kandidaten und einer anerkannten Partei zu übergeben, die damit ermächtigt werden, Hunderte von Entscheidungen zu treffen – das ist gewollt und bleibt selbst bei Missbrauch straffrei.

Nicht jedoch, sich gegen diese Enteignung durch die repräsentative parlamentarische Demokratie zu wehren und seine Stimme einfach jemandem zu spendieren. Ein Meineid für einen guten Zweck? Das könnte es wert sein. Und bei 20 Millionen Meineiden für die Entrechteten dieser Republik müssten sowieso alle Staatsanwaltschaften kapitulieren.

Seit mehreren Wahlen verschenke ich also meine Wählerstimme. Aber in Zeiten von Corona ist diese Schenkaktion nun auf besondere Art fragwürdig geworden: Denn für was für einen Bundestag soll eigentlich gewählt werden?

Er hat sich im März 2020 schließlich selbst entmachtet, als er im neuen Infektionsschutzgesetz den Bundesgesundheitsminister ermächtigt hat, selber Gesetze erlassen zu können und außerdem den Landesregierungen zu erlauben, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Parlamente per Verordnungen zu regieren. Doch damit nicht genug.

Der jetzt zu Ende gehende Bundestag hat diese Selbstentmachtung dem neuen Bundestag gleich noch als Hypothek auferlegt. Bis mindestens 31. Dezember 2021 soll die "epidemische Lage nationaler Tragweite" gelten, die Bundestag, Bundesrat und Grundrechte aus dem Spiel nimmt und Grundlage für das fragwürdige Infektionsschutzgesetz ist.

Nicht nur, dass von "Epidemie" und "nationaler Tragweite" bei zurückgehendem Infektions- und Krankheitsgeschehen (nicht mal zwei Krankenhauspatienten auf 100.000 Einwohner) nur schwer geredet werden kann, auch die Grundlage des "Gesetzes" ist alles andere als belastbar. Als am 25. August über die Fortsetzung der "epidemischen Lage nationaler Tragweite" abgestimmt wurde, erhielt der Gesetzentwurf nicht einmal eine einfache Mehrheit.

Für die Veränderung der Grundrechte, wie sie mit den Corona-Gesetzen vorgenommen wurde, bräuchte es meiner Meinung nach sogar eine absolute Mehrheit von zwei Dritteln. Das "beschlossene" Epidemiegesetz erhielt stattdessen lediglich eine relative Mehrheit: 325 Stimmen von 709. Das sind gerade mal 46 Prozent der Abgeordneten.

Die Regierung Merkel verfügte nicht einmal über eine eigene Mehrheit. Anscheinend stört es in diesen Zeiten aber niemanden mehr, wenn Grundrechte von einer Minderheit der Abgeordneten außer Kraft gesetzt werden. Es geht nicht mehr um Recht, sondern nur noch um Macht.

Meinen Stimmzettel für die Veranstaltung am Sonntag hat ein Schüler bekommen. Überall wurden die sogenannten "U 18-Wahlen" inszeniert: "Wie würden die Jüngeren wählen?" Ich habe ihn ernst genommen. Nun darf er echt abstimmen.