Geschlechtspopulismus

Seite 3: Strukturelle Benachteiligung?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was bleibt, ist, dass sich allgemein weniger Frauen als Männer um ein Mandat bewerben. Frauen haben wie Männer das aktive (wählen) und das passive (gewählt werden) Wahlrecht. Woran liegt es also, dass weniger von ihnen Abgeordnete werden?

Es liege an der "strukturellen Benachteiligung" von Frauen, heißt es. Die Forderung nach Parität zieht ihren Antrieb aus dieser Behauptung. Strukturelle Benachteiligungen existieren im Kapitalismus in vielfältiger Weise. Sie treffen aber nicht automatisch jede Frau, und vor allem treffen sie nicht ausschließlich Frauen. Das zu behaupten oder zu suggerieren, ist purer Geschlechtspopulismus. Auch andere gesellschaftliche Gruppen werden benachteiligt: Migranten, Behinderte, Alte - und selbstverständlich auch Männer.

Wenn beispielsweise unter den Hunderttausenden von Obdachlosen, die unter den Brücken liegen, vor allem Männer sind ("weiße Männer"!), dann muss ganz offensichtlich auch hier eine besondere Benachteiligung bestehen. Nur über die prekäre Lage von Frauen zu reden und nicht über die von Männern, heißt aus einem allgemeinen sozialen Problem ein halbes zu machen.

Und wenn Frauen per Gesetz in die Parlamente delegiert werden sollen, weil sie strukturell benachteiligt sind - wer vertritt dann die strukturell benachteiligten Männer, die auf der Straße leben?

Anders gefragt: Kann es vielleicht sein, dass es auch an den Frauen selber liegt, wenn sie in den Parlamenten fehlen und unterrepräsentiert sind? Gemäß Gendermainstream tun Frauen vieles nicht, was Männer tun, obwohl sie es tun könnten und niemand sie daran hindert. Fußball spielen zum Beispiel, nachts Graffiti sprühen oder zur freiwilligen Feuerwehr gehen.

Als sich Attac Deutschland gründete, das globalisierungskritische Netzwerk, waren viele Frauen dabei. Gefühlt die Hälfte. Man war Teil einer großen europäischen Bewegung. Doch als der Hype nachließ und die trockenen Themen übrigblieben (Finanztransaktionssteuern), waren Frauen die ersten, die wegblieben. Dabei waren sie durchaus willkommen. Bei genauer Betrachtung lässt sich hier ein geradezu dialektischer Zusammenhang erkennen. Denn zugespitzt könnte man sagen, die Frauen waren es, die aus Attac eine "männer-dominierte" Gruppierung machten - durch ihr Wegbleiben.

Wegbleiben der Frauen

Nicht nur im Bundestag gibt es wieder weniger Frauen, allgemein ist eine Abkehr von den Organen der repräsentativen Demokratie zu bemerken. In vielen Gemeinderäten von Kommunen und Dörfern ist es ähnlich. Frauen bleiben weg. Parteien und Wählervereinigungen suchen händeringend nach kandidierenden Frauen, aber finden keine oder nur wenige. Nebenbei: Immer öfter verweigern sich auch Männer diesem Job, bei dem es nichts zu gewinnen gibt. Immer öfter können nicht alle Listenplätze besetzt werden.

Wir nähern uns langsam dem Grundproblem. Vielleicht liegt es ja an der real-existierenden Demokratie und ihren Defiziten, die ein Engagement in Parteien und Parlamenten so unattraktiv machen. Und das Wegbleiben von Frauen wäre so gesehen sogar ein bedenkenswerter gesellschaftlicher Indikator.

Der Deutsche Bundestag: In Gendersicht 70 Prozent Männer und 30 Prozent Frauen - was für eine Diskrepanz! Es lässt sich aber auch ein ganz anderer Blickwinkel einnehmen, bei dem die Unterschiede verschmelzen. Die bundesweit ein paar zehntausend Abgeordneten und Gemeinderäte machen - grob geschätzt - vielleicht 0.1% aller Männer aus und vielleicht 0.01% aller Frauen. Den 99.99% Frauen, die nicht in den Parlamenten sitzen, stehen also 99,9% Männer gegenüber, die ebenfalls abstinent sind. Wo bleibt da der Unterschied?

Wer nur noch über einen allgemeinen Männerüberhang spricht, über ein angeblich "männlich geprägtes Machtsystem", vermeidet es, "Macht" wie "Parlamente" einer grundlegenden Kritik, einer politischen Beurteilung, zu unterziehen. Was soll so gut sein an diesen Organen der repräsentativen Demokratie? Was so attraktiv, dass eine Teilhabe Erfolg versprechend und befriedigend wäre? Was nützen quotierte Parlamente, wenn sie Entscheidungen fällen, die macht- und systemtreu sind und nur einer Minderheit nützen? Mit Abgeordneten, die durch den Filter der Parteien gegangen sind. Domestizierte KandidatInnen domestizierter Vereinigungen.

Bestes Beispiel Brandenburg: Grün-Rot-Rot hat ein Paritätsgesetz beschlossen, das erste in der Bundesrepublik. Doch nahezu zeitgleich erlässt die rot-rote Regierung ein schärferes Polizeigesetz, ähnlich repressiv wie in Bayern, das Polizeigewahrsam bis zu zwei Wochen ermöglicht und den Einsatz von Explosivmitteln gegen Menschen erlaubt.