Globaler Erdüberlastungstag: Ab heute leben wir auf Pump

Symbolbild: Noupload / Pixabay Licence

Ressourcen sorglos aufgebraucht: Heute ist Erdüberlastungstag. Die Menschheit hat alles verbraucht, was eine sich selbst erhaltende Natur binnen zwölf Monaten liefern kann.

In der Welt der Ökonomie bräche heute die Katastrophe aus: Der 2. August 2023 ist "Weltüberlastungstag", jener Tag, an dem alle Rohstoffe aufgebraucht sind, die ein sich selbst erneuernder Planet in einem Jahr zur Verfügung stellen kann. Frischluft, Trinkwasser, Äpfel, Baumwolle, Fisch oder Bauholz: Nach Berechnungen des Global Footprint Network braucht die Menschheit derzeit statistisch 1,75 Erden, um jene Ressourcen zu beschaffen, die die Natur des Planeten in zwölf Monaten zu produzieren vermag.

Und weil wir schon seit Jahren auf viel zu großem Fuß leben, würde jede Bank ein Kreditersuchen ablehnen: In der Ökonomie würde heute jedes Werk geschlossen, weil es nichts mehr zu Produzieren gibt, jeder Laden geschlossen, weil es nichts mehr zu Verkaufen gibt, jedes Smartphone aus bleiben, weil es keinen Strom mehr gibt.

Aber wir sind ja nicht in der Ökonomie, sondern in der Ökologie. Dort ist längst sichtbar, wie das Leben auf Pump wirkt: Land- und Bodendegradation sind weit verbreitet, die Fischbestände können sich nicht regenerieren, weltweite Entwaldung, der Verlust biologischer Vielfalt, die Gletscherschmelze, ungewöhnliche Hitzewellen, Waldbrände, Dürren und Überschwemmungen, die den menschlichen Wettbewerb um Nahrung und Energie verschärfen.

Gefährliche Selbstzufriedenheit

"Das größte Risiko, abgesehen von der ökologischen Überschreitung selbst, liegt in der Selbstzufriedenheit gegenüber dieser Krise", erklärt Steven Tebbe vom Global Footprint Network.

Seit 1961 wird der Weltüberlastungstag – auf Englisch "Earth Overshoot Day" – berechnet, 1987 lebte die Menschheit erstmals auf zu großem Fuß: Overshoot Day war der 19. Dezember. 1995 hatten die Menschen am 21. November jene Ressourcen verbraucht, die eigentlich bis zum Jahresende reichen müssen, 2011 war es der 21. August. Theoretisch dürften wir Menschen dann der Natur keine Rohstoffe mehr entnehmen, nicht einmal mehr Trinkwasser. Weil wir es aber natürlich trotzdem weiterhin tun, zapfen wir das grüne Kapital der Erde an: Wir leben quasi auf Kredit.

Immer mehr, immer schneller: Jedes Jahr rückt der "Earth Overshoot Day" weitere Tage im Jahr nach vorn. Einzig das Jahr 2020 bildete eine Ausnahme, die weltweite Corona-Pandemie sorgte dafür, dass der Erdüberlastungstag zurück auf den 22. August fiel. Aber dies war laut Global Footprint Network nur kurzfristig – schon im Jahr 2021 hatte der Earth Overshoot Day wieder das Niveau von 2019 erreicht.

Deutscher Durchschnitts-Lifestyle: Als hätten wir drei Erden

Dabei verteilt sich der Ressourcenverbrauch auf der Welt sehr unterschiedlich: Würden alle so leben wie im Durchschnitt die US-Amerikaner, wären 5,1 Erden notwendig,wie die US-Amerikaner, wären 5,1 Erden notwendig, um die Nachfrage nach Rohstoffen zu decken. Australier leben auf 4,5 fiktiven Erden, Japaner auf 2,9.

Auf diesem Niveau wirtschaften auch wir Deutschen: Würden alle so haushalten wie wir, wären drei Erden nötig. Hauptgründe sind der im globalen Durchschnitt deutlich höhere Energieverbrauch sowie die immer noch übermäßige Belastung von Luft, Böden und Grundwasser - unter anderem durch Verkehr und Massentierhaltung.

In Indien dagegen leben die Menschen auf 0,8 Erden, was bedeutet, dass dort Rohstoffe „übrig“ sind, die dann anderswo verbraucht werden, etwa bei uns. "Unsere Art zu leben, zu arbeiten, zu produzieren und zu konsumieren, verschlingt die Ressourcen des Planeten schneller, als dieser sich erholen kann. Dem muss diese Bundesregierung endlich entschieden entgegentreten", fordert Myriam Rapior, die stellvertretende Vorsitzende des BUND. "Wir fordern die Regierung deshalb auf, ein verbindliches Ressourcenschutzgesetz auf den Weg zu bringen."

Den größten Anteil an der ökologischen Überschuldung hat das Treibhausgas Kohlendioxid. Wir stoßen davon deutlich mehr aus, als die Erde absorbieren kann. Global betrachtet machen die Kohlendioxid-Emissionen mehr als die Hälfte unseres Fußabdruckes aus. Den produzierten Treibhausgasen wird jene Fläche gegenrechnet, die nötig wäre, um die gleiche Emissionsmenge an auf natürliche Weise langfristig zu binden - etwa in Wäldern.

China berechnet Brutto-Ökosystem-Produkt

Einerseits steigen die menschengemachten Emissionen jedes Jahr weiter an, 2021 waren es 37,123 Milliarden Tonnen Treibhausgasäquivalente, soviel wie nie zuvor. Gleichzeitig schrumpft aber die Biokapazität der Erde, weil immer mehr Wald abgeholzt wird.

Um das Problem aus der ökologischen Ecke herauszubekommen und in die Welt der Ökonomie zu transferieren, haben Wissenschaftler das Konzept des Brutto-Ökosystem-Produkts entwickelt: Dabei wird ganz ähnlich wie beim BIP, dem Bruttoinlandsprodukt, ermittelt, welche Ökosystemleistungen die Natur erbringt, beispielsweise durch Wälder, intaktes Grünland oder Grundwasserspeicher. China ist weltweit das erste Land, in dem diese Leistungen nicht nur durch einen Indikator erfasst werden, sondern auch monetarisiert werden können.

Freilich hat das noch keine großen Auswirkungen: Es ist bislang nicht bekannt, dass ein chinesischer Parteifunktionär, der sich am Brutto-Ökosystem-Produkt seines Gebietes bereichert hat, ins Gefängnis gesteckt wurde. Anders, als wenn er sich dagegen am BIP bereichert hat. (Nick Reimer)

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