Globaler Protest gegen zweifelhafte Uber-Geschäfte

Seite 2: EU-Kommissarin Neelie Kroes: Gerichtliche Verbote sind "verrückt"

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Sie forderte von der EU-Kommission eine Regulierung solcher Dienste auf EU-Ebene. Doch die wies dieses Anliegen zurück. "Die Staaten haben die Kompetenzen dazu", diese Fahrdienste eigenständig zu regulieren, sagte der Sprecher von Neelie Kroes, die für Telekommunikation zuständige EU-Kommissarin. Man habe nicht vor einzugreifen, betonte er. Daran hätten auch die Taxi-Proteste nichts geändert. Denn die Mitgliedsstaaten hätten diese Kompetenzen behalten und die EU-Kommission dürfe keine "neuen Befugnisse erwerben", hörte man plötzlich sehr ungewöhnliche Töne aus Brüssel.

Kroes machte über ihre Internetseite aber eigenhändig deutlich, welchen Umgang sie sich mit Uber und Co vorstellt. "Wir können nicht mit dieser Herausforderung umgehen, indem wir sie ignorieren, streiken oder versuchen, sie zu verbieten", schrieb sie. Schon zuvor hatte sie die Proteste genauso wie die Tatsache kritisiert, dass Nutzern und Fahrern in Spanien empfindliche Geldstrafen blühen. "Damit wird das Problem nicht gelöst", sagte sie und forderte eine Wirtschaft, "die offen für Innovation ist".

Gerichtliche Verbote wie in Brüssel bezeichnete sie sogar schon als "verrückt". In der belgischen Hauptstadt wurde Uber die Tätigkeit untersagt. Und vor der Haustür von Kroes Büro droht der Firma eine Geldstrafe von 10.000 Euro für jede vermittelte Fahrt. Obwohl sie zugibt, dass die Frage nicht in ihre Kompetenzen fällt, äußert sich die Niederländerin doch drastisch. "Das Verbot schützt und hilft Passagieren nicht, sondern schützt nur das Taxi-Kartell", schrieb sie zum Brüsseler Urteil im April. Doch wenn lizenzierte Taxis wettbewerbsverzerrende Kartelle bilden, dann hätte Kroes sechs Jahre Zeit gehabt, gegen sie vorzugehen. Schließlich war sie bis 2010 EU-Wettbewerbskommissarin. Im Übrigen argumentiert Kroes wie der Uber-Chef Travis Kalanick, der dem Taxi-Gewerbe vorwirft, es wolle Wettbewerb eindämmen und "verteidige ein Monopol".

Erstaunlich ist auch, wie allgemein Kroes in der Stellungnahme zu den Taxi-Protesten vergangene Woche blieb, obwohl sie doch über einen sehr konkreten Vorgang sprach. Werde digitale Technik nicht genutzt, würden Millionen Arbeitsplätze abwandern, baute sie ein Bedrohungsszenario auf. Im konkreten Fall ist das aber nun wirklich kaum vorstellbar. Zudem warf sie bewusst verschiedene Anbieter in einen Topf. Sie spricht von Uber und Co. im selben Atemzug wie über Apps, die lizensierte Taxis vermitteln oder einen privaten Fahrer mit einem privaten Mitfahrer ohne Gewinnabsicht zusammenbringen, um Fahrtkosten zu sparen und Ressourcen besser zu nutzen.

Doch nicht nur in Brüssel gibt es schon ein Verbot. Diverse Gerichte oder Stadtverwaltungen zweifeln an der Rechtmäßigkeit und etliche Urteile stehen aus. Neben Belgien, den USA oder Spanien gibt es auch in Frankreich längst Einschränkungen. In Berlin erwirkte ein Taxifahrer im Frühjahr eine einstweilige Verfügung gegen Uber. Er vollstreckte sie jedoch unter Hinweis auf mögliche Schadensersatzforderungen nicht. In Hamburg hatte die Wirtschaftsbehörde die Vermittlung von Fahrten durch den Uber-Konkurrenten Wundercar verboten. Obwohl sich Wundercar eher als Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten versteht, sieht die Hamburger Behörde in der Tätigkeit eine kommerzielle Personenbeförderung. Die sei genehmigungspflichtig und eine solche Erlaubnis habe keiner der in der Stadt registrierten Fahrer vorweisen können.

Auch aus dem eigenen Umfeld kommt Kritik von MyTaxi. Diese App bringt ebenfalls Fahrer und Kunden direkt in Verbindung. Der Chef und Mitgründer von MyTaxi sagte im Interview zum Konzept von Uber, Wundercar und Co., dass man auch bei MyTaxi darüber schon 2009 nachgedacht habe: "Wir haben uns aus einem einfachen Grund dagegen entschieden: Es ist nicht legal", erklärte Sven Külper: "Wenn ich ein Geschäftsmodell aufbauen möchte, muss ich mich an die Gesetze und Regeln halten. So einfach ist das. Da geht die Diskussion auch gar nicht weiter." Es gäbe aus gutem Grund einen Personenbeförderungsschein fügte er an. "Es gibt bestimmte Dinge, die man erfüllen muss, damit alles sicher vonstatten geht."

Deshalb vermittelt MyTaxi lizenzierte Fahrer, die über den P-Schein verfügen. Mit der App werden allerdings Taxizentralen und deren Gebühren umgangen, womit ihnen Konkurrenz entsteht. Der Kunde kann sich über sein Smartphone die Taxen in der Umgebung anzeigen lassen, direkt den Kontakt zum Fahrer aufnehmen, die Anfahrt auf dem Handy verfolgen und sich den ungefähren Fahrtpreis berechnen lassen. Die Fahrer können damit Standzeiten minimieren. Die Vermittlungsgebühr schwankt seit Neuem zwischen 3 und 15%. Über die Umstellung, zunächst wurde nur eine Gebühr von 79 Cent erhoben, gab es aber massiven Unmut.

Zeichen für die nächste Blase

Ob legal oder illegal, nicht nur Google oder Goldman Sachs sehen im zweifelhaften Geschäft von Uber und Co. große Gewinnchancen. Uber ist das Start-up, das mit 18 Milliarden Dollar an den Börsen am höchsten bewertet wird. Dass die Firma gerade erneut 1,6 Milliarden Dollar an Investorengeldern einstreichen konnte, ist für viele ein weiteres Indiz, dass sich in diesem Sektor die Dotcom-Blase 2.0 aufbläht. Die wird von den Geldschwemmen der Notenbanken massiv gespeist. So ist wird nun wieder einmal eine kleine Firma höher bewertet als zum Beispiel der Autohersteller Fiat oder die großen Mietwagen-Firmen Hertz und Avis.

Damit werden die Parallelen zu der Blase am Neuen Markt vor 15 Jahren immer deutlicher, nur dass die Summen heute noch viel höher sind als damals. Und als Warnsignale kann auch festgestellt werden, dass sich die Investitionen in Wagniskapital heute erstmals wieder auf dem damaligen Niveau bewegen. Allerdings könnte Uber ausgerechnet eine Ausnahme sein. Anders als bei der Übernahme zum Beispiel von WhatsApp durch Facebook für sage und schreibe 19,5 Milliarden (WhatsApp-Deal macht Dotcom-Blase 2.0 deutlich), stellt sich bei Uber zumindest die grundsätzliche Frage nicht, wie die investierten Milliarden wieder eingespielt werden sollen.

Allerdings könnten die Proteste von allen Seiten dazu führen, dass sich das Geschäftsmodell, das außer für Uber praktisch für alle ruinös ist, ebenfalls durch die allseits geforderte Regulierung wie eine Seifenblase platzt. Der Druck wird mit der Ausbreitung solcher Dienste nur weiter zunehmen, genauso wie die Proteste und die Klagen von Nutzern. In der kalifornischen Heimat wird schon ein Führungszeugnis der Fahrer geprüft, die zudem ein Trainingsprogramm absolvieren müssen. Null-Toleranz gilt dort im Hinblick auf Probleme mit Drogen und Alkohol. Die Behörden wollen nun durchsetzen, dass die Versicherungssumme für Fahrer von Uber bei Unfällen von eher lächerlichen 50.000 Dollar auf eine Million Dollar angehoben wird.

Hintergrund ist hier, dass ein kalifornischer Uber-Fahrer in der Silvesternacht eine Frau und zwei Kinder überfahren hat, der auf der Suche nach Kunden war. Die sechsjährige Sophia wurde in San Francisco dabei getötet und die Eltern des getöteten Mädchens klagen auf Schadensersatz in Millionenhöhe. Die San Francisco Cab Driver Association meint, dass sonst die Stadtverwaltung haftbar sei, weil sie den Fahrdienst mit "illegalen Fahrern" zulasse. Sie macht auch immer wieder die Gefahren aufmerksam, da die Fahrer abgelenkt seien, weil sie auf der Suche nach Passagieren ständig auf die kleinen Bildschirme der Handys schauen müssten.

Und Proteste werden auch von Nutzern zunehmen. Allen sollte klar sein, dass anders als im Taxi die Rechnung angesichts des variablen Preismodells teuer ausfallen kann. Denn einen festen Fahrpreis gibt es nicht. Der wird nach Angebot und Nachfrage angepasst. Damit sollen, wenn eine große Nachfrage besteht, die Fahrer durch höhere Preise auf die Straße gelockt werden, um Angebot und Nachfrage in einen Ausgleich zu bringen. Im Feierabendverkehr oder an Sonn- und Feiertagen kann sich der Preis einer Fahrt so empfindlich erhöhen. So kritisiert der Schriftsteller Salman Rushdie über Twitter die "Surge-Price-Abzocke" von Uber. Er beschwerte sich "über eine Preisverdoppelung, nur weil dir danach ist", womit der Dienst "unbrauchbar" werde.