Glyphosat: Datenmasseure bei der Arbeit
Seite 3: Zwischen Neubewertung und Wiederzulassung
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Die Aufgabe der Neubewertung obliegt in Deutschland dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das das Risikomanagement übersieht. Ihm arbeiten das BfR (Gesundheitsaspekte), das Umweltbundesamt (UBA) (Auswirkungen auf Ökosysteme) sowie das Julius-Kühn-Institut (JKI) (praktische Aspekte) zu.
Im August 2015 kamen die Behörden zum Schluss, dass Glyphosat eine Einstufung als krebserregende Substanz nicht verdient. Dieser Bericht durchlief einen Peer-Review-Prozess bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die in ihrer Zusammenfassung der toxikologischen Bewertung im November 2015 befand, dass von Glyphosat wahrscheinlich keine Krebsgefahr für Menschen ausgehe. Außerdem könne die erlaubte Tagesdosis für Verbraucher von 0.3 auf 0.5 mg/kg Körpergewicht und Tag heraufgesetzt werden.
Der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) schließlich kam im Marz 2017 zum Ergebnis, dass Glyphosat keine Kriterien erfülle, nach denen sich die Substanz als krebserregend, mutagen oder fortpflanzungsgefährdend einstufen liesse. Die ECHA-Einstufungen bezieht sich lediglich auf die von Glyphosat ausgehende Gefährdung. Die Wahrscheinlichkeit einer Exposition und das damit verbundene Risiko wurden nicht betrachtet. Das erfolgt spätestens dann, wenn noch in diesem Jahr über die Erneuerung der Zulassung in Europa entschieden wird.
Recht auf Information: Ghostwriter-Alarm in Valhalla
Neben dem Engagieren von Auftragswissenschaftlern wie bei den Intertek Papers gibt es noch weitere Möglichkeiten im Repertoire der Manipulation: Firmeneigene Ghostwriter schreiben Teile wissenschaftlicher Artikel für Fachzeitschriften mit Peer-Review, die dann im Namen bekannter Wissenschaftler erscheinen. Das legt zumindest eine publik gewordene interne Email aus dem Hause Monsanto nahe. Wie das Nichtoffenlegen von möglichen Interessenkonflikten gilt die Beanspruchung einer Autorenschaft für die Arbeit von anderen in der akademischen Welt als ernsthafte ethische Verfehlung.
Gary Williams, Pathologe am New York Medical College in Valhalla, New York, ist nun ins Kreuzfeuer der Kritik geraten - wegen eines im Jahre 2000 erschienenen Artikels, den sein Name als Hauptautor ziert, publiziert im als industrienah geltenden Fachblatt Regulatory Toxicology and Pharmacology. Schlussfolgerung: Glyphosat stellt kein Gesundheitsrisiko für Menschen dar. Unglücklich für Williams: Eine Email von 2015 benennt ihn im Zusammenhang mit diesem Artikel als Beispielfassade einer erfolgreichen Ghostwriter-Operation. Die Universität will den Fall untersuchen.
Williams blickt auf eine 27 Jahre währende Beziehung zum International Life Sciences Institute (ISLI) zurück. Er fungiert auch als Autor der Intertek Paper-Reihe von 2016. Einer seiner Co-Autoren ist David Kirkland, seines Zeichens genetischer Toxikologe. Der besteht darauf, dass der von Monsanto offiziell gesponsorte Aufsatzkein Ghostwriter-Produkt ist und führt seine Reputation ins Feld.
Williams und Kirkland hatten als unabhängige Berater für die europäische Glyphosate Task Force gearbeitet, einer 2012 von Monsanto ins Leben gerufenen Lobbygruppe, die unter ihrem Dach jene 24 Unternehmen vereint, die an einer Neuzulassung von Glyphosat interessiert sind. Ihre Macht hat die Task Force erst kürzlich demonstriert - sie sah nach Informationen des ARD-Magazins Fakt und der Süddeutschen Zeitung der ECHA bei deren jüngsten Glyphosat-Einstufung offenbar über die Schulter. Die Lobbyisten konnten die vorläufige Bewertung einsehen und noch vor der Entscheidung kommentieren.
Bei Monsanto heißt es, dass keine Mitarbeiter an der Schriftlegung der Artikel beteiligt waren, weder 2000, noch 2016. Hauseigene Wissenschaftler würden die Autoren im Rahmen der Zusammenarbeit lediglich mit internen Forschungsergebnissen und anderen wissenschaftlichen Informationen versorgen, die Eigentum des Unternehmens sind.