Greenpeace entdeckt wieder einen Patentantrag, der auch menschliche Embryonen umfasst
Möglicherweise aber schwächt die Umweltorganisation ihr eigenes Anliegen durch allzu plakative, vor allem die Emotionen ansprechende Formulierungen
Bei ihrem Kampf gegen "Patente auf Leben" ist Greenpeace einmal wieder auf einen Patentantrag gestoßen, der die Herstellung eines transgenen tierischen Embryos durch Klonen umfasst. Der Antrag WO 99/21415 bezieht sich direkt auf Schweineembryos, zu den Antragstellern gehört neben der Firma Stem Cell Sciences auf die amerikanische Firma Biotransplant, die vornehmlich Techniken entwickelt, um Xenotransplantationen zu ermöglichen. ERst am 26. 9. hatte Biotransplant gemeldet, zusammen mit Novartis eine neue Firma zu gründen, um Xenotransplantation vom Schein zum Menschen zu entwickeln. Mit der Formulierung "transgene tierische Embryos" sind prinzipiell auch menschliche Embryos eingeschlossen.
Greenpeace spricht daher auch gleich davon, dass in dem Patentantrag WO 99/21415 "neben Eigentumsrechten an Embryonen von Schweinen, Kühen und Schafen auch ausdrücklich menschliche Embryonen (beansprucht werden). Es sollen auch Rechte auf genmanipulierte Embryonen gesichert werden. Außerdem soll das Patent für Embryonen gelten, die Mischwesen aus Mensch und Tier sind." Und da man bei Greenpeace sieht, wie gut die Meldung über die neueste Grenzübertretung ankommt, setzt man schon am frühen Abend des 5. Oktober eine Meldung, die auf den 6. Oktober datiert ist: "Patente: Forscher züchten Mischwesen Schwein/Mensch."
Für Aufsehen hatte Greenpeace schon zu Beginn dieses Jahres gesorgt, als man ein bereits vom Europäischen Patentamt bewilligtes Patent - übrigens von denselben Firmen - entdeckte, bei dem es um ein vom Roslin-Institut entwickeltes Verfahren geht, mit dem transgene Stammzellen, also embryonale Zellen mit neuen Genen, isoliert, selektiert und vermehrt werden können, um daraus Zellkulturen oder im Prinzip auch Embryos mit gewünschten Eigenschaften zu züchten. Da dieses Patent ebenso von tierischen Stammzellen sprach, waren auch hier menschliche Stammzellen und die sich aus dem Klonen ergebenden Embryos eingeschlossen. Das Patentamt hatte nach dem Bekanntwerden eingeräumt, dass es sich um einen schweren, aber versehentlichen Fehler gehandelt habe. Mit dem bewilligten Verfahren geklonte menschliche Embryonen hätten geistiges Eigentum der Patentinhaber werden können, was gegen europäisches Recht verstößt. Die University of Edinburgh bzw. das Roslin Institute, neben den beiden Firmen Patentinhaberin, hat sich schließlich bereit erklärt, die Patentansprüche auf die Züchtung von menschlichen Embryonen auszuschließen und eindeutig von "nichtmenschlichen" Tieren zu sprechen, allerdings soll das Patent weiterhin die Isolierung, Veränderung und Züchtung einzelner menschlicher Zellen umfassen (Patent auf menschliche Embryonen entschärft). Gegen das Patent hatten Greenpeace und die deutsche Bundesregierung Widerspruch eingelegt. Entschieden wurde aber noch nichts.
Kurzbeschreibung des Patents "A method of generating a transgenic animal embryo which method includes providing a donor nucleus and a recipient cell; removing the nucleus for the recipient cell; introducing the donor nucleus into the enucleated cell to produce a couplet; and maintaining the couplet in a suitable medium for a period sufficient to allow the cell to recover a substantially normal shape. The method can be applied for porcine embryos and is exemplified with heterogenic expression of alpha 1,3-galactosyl transferase."
Laut Greenpeace soll der Patentantrag zeigen, dass die beiden Firmen bereits menschliche Zellkerne in entkernte Eizellen von Schweinen übertragen und die daraus entstehenden Embryonen für einige Zeit kultiviert haben, d.h. bis sie eine Größe von 32 Zellen erreicht haben. Das habe man, so der Vorwurf von Greenpeace, auch nicht wegen irgendwelcher medizinischer Notwendigkeiten gemacht, sondern nur um ein möglichst breites Patent zu erhalten.
Eigentlich geht es darum, aus Zellen Gewebe herzustellen, das für eine Transplantation geeignet ist und nicht abgestoßen wird. Die im Patentantrag erwähnte Alpha (1,3)-Galactose (GAL) ist ein Xenoantigen, das von menschlichen Immunzellen erkannt und bekämpft wird (Schweine erstmals geklont). Kann man das Gen ausschalten, das für die Herstelung von GAL verantwortlich ist, ließen womöglich Organe von Schweinen für die Transplantation verwenden. Beim Klonen könnte man aber auch anders vorgehen: Wird beispielsweise der Eizelle der Zellkern einer Zelle des späteren Empfängers eingefügt, die durchaus ausdifferenziert sein kann, was das hinter dem Patent stehende Dolly-Klon-Verfahren ja beinhaltet, dann ließe sich vermutlich die Immunreaktion verhindern, zumal Biotransplant auch gentechnisch veränderte Schweine gezüchtet - und patentiert - hat, die ein Gen nicht mehr enthalten, dessen Produkt zur Abstoßung führt. Das hört sich dann schon etwas anders als die spektakuläre Bildzeitungsüberschrift von einem Schwein/Mensch-Mischwesen an. Immerhin schreibt Greenpeace noch, dass die Firmen wohl nicht vorhätten, "ganze Lebewesen in Gebärmüttern herzustellen", sondern dass aus den "Chimären Organe und Gewebe" gewonnen werden sollen.
"Es ist schockierend, wie Gentech-Unternehmen mit den letzten ethischen Tabus brechen", kritisiert Martina Holbach von Greenpeace Luxemburg. "Die gezüchteten Embryonen gelten - wenn das Patent erteilt wird - nicht mehr als schützenswerte menschliche Wesen, sondern als biologisches Material und damit als Eigentum einer Firma - Experimente und Vermarktung inklusive". Eigentlich sollte sich Greenpeace dann auch konsequent vom therapeutischen Klonen absetzen, aber wahrscheinlich ist es medienwirksamer, den Horizont des reproduktiven Klonens anzumahnen. Greenpeace fordert jedenfalls dazu auf, dass grundsätzlich keine "Patente auf Leben" gewährt werden sollen, weswegen die Patentrichtlinie der EU neu verhandelt werden müsse, nach der diese Embryonen als "patentierbares biologisches Material" definiert würden - und nicht als "schützenswerte menschliche Wesen", wie dies Greenpeace sieht.
Rainer Osterwalder, Sprecher des Europäischen Patentamtes, sagte, dass auf "Mensch-Schwein-Mischwesen" keine Patente gewährt würden: "Wir haben festgehalten, dass Patent-Ansprüche, die sich mit Verfahren zur Herstellung menschlicher Embryonen befassen, aus ethischen Gründen nicht gewährbar sind." Anders ist es natürlich mit der Patentierung von Verfahren zur Erzeugung von menschlichem Gewebe - und schließlich müsste man dazu auch keine Embryonalzellen verwenden.
Vielleicht aber sollte Greenpeace, wenn es er Organisation tatsächlich primär um die Abwehr von Patenten etwa auf Mensch-Tier-Chimären geht, kreativere Wege einschlagen, wie dies Jeremy Rifkin in den USA gemacht hat: der Direktor der Foundation on Economic Trends und langjährige Kritiker der Gentechnik hatte einen ersten juristischen Erfolg erzielt, da ein amerikanisches Gericht den von ihm gestellten Patentantrag für die Herstellung von Mensch-Tier-Chimären abgelehnt hatte (Kein Patent auf hybride Mensch-Tier-Lebewesen). Die Möglichkeit, Lebensformen in den USA zu patentieren, wurde durch ein Gerichtsurteil im Jahre 1980 eröffnet. Damals ging es um einen Mikroorganismus. Seitdem können Tiere, die menschliche Gene enthalten, patentiert werden, aber die Rechtslage blieb seitdem vage. Im Ablehnungsbescheid schreibt Stephen Kunin, die Patentbehörde "glaube", dass der Kongress nicht beabsichtigt habe, Patente auf Menschen oder Lebewesen, die wesentlich menschlich sind, zuzulassen, als das Patentgesetz 1956 verabschiedet wurde. Und weil die Erfindung eines hybriden Lebewesens menschliches Leben "einbegreift", sei es eben deswegen nicht patentierbar. Nirgendwo aber wird angegeben, ab wievielen Genen etwa ein Tier menschliches Leben "einbegreift".