Griechenland: Merkel kommt zur Rettung

Seite 3: Welche Optionen gibt es in Athen?

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Die Opposition in Athen ist nahezu machtlos gegen die Deals mit Parlamentssitzen. Sie muss für ein Misstrauensvotum 151 der 300 Stimmen im Parlament gewinnen. Minderheitsregierungen sind in der griechischen Verfassung kein groß behandeltes Thema. Die Schwelle für automatische Neuwahlen wäre erst erreicht, wenn weniger als 120 Parlamentarier hinter der Regierung stehen. Mit seinen 50 Bonusabgeordneten, die Tsipras nach dem geltenden Wahlrecht als Anführer der stärksten Partei erhielt, hat er ein dickes Stimmpolster.

Tsipras kann somit weitgehend selbst entscheiden, wann er die Vertrauensfrage stellt. Es ist dabei unerheblich, ob der Prespes-Vertrag im Parlament ratifiziert wird oder nicht. Eine Niederlage hätte in diesem Fall verfassungsrechtlich lediglich symbolische Bedeutung für den Fortbestand der Regierung Tsipras.

Politisch könnte er ein Scheitern des Vertrags, den er nun in Doppelfunktion als Premier und Außenminister vertreten muss, kaum ohne Neuwahlen überleben. Dazu wurde dem Vertrag seitens SYRIZA zu viel Bedeutung geschenkt. Zudem hat sich der Premier gegenüber ausländischen Entscheidungsträgern verpflichtet, den Namensstreit zu beenden, damit das Nachbarland in EU und NATO eingebunden werden kann. Für einen Staat, der hinsichtlich seiner Finanzen immer noch auf ausländische Unterstützung angewiesen ist, sind das keine guten Vorzeichen für eine Enttäuschung der Förderer Tsipras im Ausland.

Was kann der Besuch der Kanzlerin bewirken?

Alexis Tsipras hatte als Oppositionsführer bis Januar 2015 gewettert: "Go home Mrs Merkel!" Als Premier freut er sich, dass die deutsche Kanzlerin ihm nun mit ihrem Besuch die Regierung retten kann. Merkel gilt in Griechenland als Verfechterin einer EU-orientierten Politik. Die proeuropäische Einstellung der Kanzlerin, so das Kalkül im Amtssitz des Premiers, dem Megaron Maximou, kann die europafreundlichen Parlamentarier der Opposition zur Zustimmung zum Prespes-Vertrag bewegen. Hier gibt es bei der PASOK und vor allem bei To Potami Wackelkandidaten, die eigentlich dem Vertrag zustimmen wollen, obwohl sie die Regierung Tsipras zum Teufel schicken möchten.

Von der Symbolwirkung, die in Griechenland immer noch von der Bundeskanzlerin ausgeht, können diese Wackelkandidaten für den Prespes-Vertrag gesichert werden. Regieren will Tsipras danach offenbar mit den Abweichlern der Unabhängigen Griechen, die den Vertrag im Parlament ablehnen.

Tsipras, der den Sparkurs wie kein anderer Premier vor ihm treu durchgesetzt hat, hofft offenbar insgeheim auch darauf, der Kanzlerin ökonomische Zugeständnisse abzugewinnen. Dann hätte er mit dem ratifizierten Vertrag und verbesserten wirtschaftlichen Aussichten einen besseren Stand bei den von ihm nach Ablauf der Legislaturperiode terminierten Parlamentswahlen in Athen. Schließlich könnte er sich, nachdem er innerhalb seiner bisherigen Regierungsjahre den Schwenk vom Linken zum konservativen Sozialdemokraten vollzogen hat, den nächsten Schritt wagen und sich als ein wahrer Vertreter der europäischen Volkspartei präsentieren. Bei Tsipras, das haben seine Regierungsjahre gezeigt, gelten weder Freundschaften, siehe u.a. Varoufakis, noch ideologische Programme und erst recht keine Koalitionsverträge, nur der unabdingbare Wille zur Macht zählt.

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