Griechenland: Wachsende Gewaltbereitschaft der Bevölkerung?

Seite 2: "Nicht mit Bomben geizen" - Prominente "Sparkur"-Gegner freuen sich

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Während die politischen Parteien den Anschlag verurteilten und dem Opfer eine schnelle Genesung wünschten, gab es eine Reihe von prominenten Zeitgenossen, die den Anschlag begrüßten. Der Sekretär von Griechenlands größter Journalistengewerkschaft ESIEA, der "Vereinigung der Redakteure täglicher und wöchentlicher Presse", Giorgos Filippakis meinte, dass ihn der Anschlag auf Papademos keinesfalls stören würde.

Allerdings, so fügte er hinzu, dass er lieber auch noch eine Bombe zwischen den Beinen des ehemaligen Finanzministers Yannis Stournaras sehen würde. Filippakis begründete seine Aussage damit, dass Papademos als aktueller Präsident der Akademie Athens und Stournaras als Zentralbankchef immer noch die Interessen der Kreditgeber vertreten würden.

Die weitere Geschichte um den pensionierten Journalisten geriet zu einer Farce. Am Samstagabend schrieb er eiligst - mit Rechtschreibfehlern - auf seiner Facebookseite, dass er gerade verhaftet worden sei. Am Sonntag stellte sich heraus, dass es keine Verhaftung gegeben hatte.

Filippakis war verschwunden, sein Anwalt dementierte die Verhaftung. Dementis kamen auch von der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Am Sonntagabend ließ der Journalist die Griechen wissen, dass sein Facebook-Account angeblich von Hackern gekapert wurde.

Vorwürfe gegen den Finanzminister

Er bestätigte seine Kernaussage jedoch im Radiointerview beim Sender Flash noch einmal und begründete sie damit, dass Stournaras für 7.000 Selbstmorde von Opfern des Sparkurses verantwortlich sei. Eine gleichlautende Aussage tätigte er auf Facebook. Filippakis hatte bereits 1984 einen Anschlag der damals aktiven Gruppe des "17. Novembers" in ähnlicher Weise, seinerzeit als Artikel in der Zeitung Eleftherotypia kommentiert und war daraufhin von seinem Verleger entlassen worden.

Eine Entlassung droht ihm nun nicht mehr. Seine Gewerkschaft distanzierte sich zwar von Aufrufen zur Gewalt, vermied es jedoch, den Namen ihres amtierenden Gewerkschaftssekretärs zu nennen. Von Journalistenkollegen wie Giannis Kanellakis erhielt Filippakis sogar Zustimmung. Kanellakis meinte, es sei nicht angebracht, mit Bomben zu geizen.

Schließlich schloss sich die anarchistische Aktivistengruppe Rouvikonas an und schmiss am Dienstag Flugblätter in den Eingangsbereich des Evangelismos Krankenhauses, wo Papademos behandelt wird. Auf den Flugblättern wird Papademos der Tod gewünscht.

Trügerische Ruhe

Die Causa Papademos zeigt, dass die augenscheinliche Ruhe der Griechen gegenüber den sozialen Einschnitten der Sparpolitik eine immer größere Gewaltbereitschaft der Bevölkerung offenbar nur vorläufig überdeckt.

Als Zeitungsente entpuppte sich allerdings die Meldung, dass die Notaufnahme des Krankenhauses wegen des hohen Patienten geschlossen wurde. Die Schließung des Krankenhauses für Neuaufnahmen hatte am vergangenen Donnerstag viel profanere Gründe. In der Notfallambulanz war eine Verwandte des Generalsekretärs der neonazistischen Goldenen Morgenröte eingetroffen.

Der Generalsekretär Nikos Michaloliakos ließ es sich nicht nehmen, seine Verwandte zu begleiten. Er brachte einen Trupp Leibwächter mit, welche die anderen Patienten bedrängten. Die Leitung entschied sich daraufhin für die Schließung der Notaufnahme - bis der verletzte frühere Premier eintraf.