Griechenland: Wintereinbruch erwischt den Staat kalt

Nicht unüblich: Schnee in Griechenland. Bild: Wassilis Aswestopoulos

Nach Schneefällen geht vielerorts nichts mehr. Die sind zwar nicht ungewöhnlich, hatten dennoch verheerende Konsequenzen. Und dann ist da noch Corona

Dass in Griechenland in erheblicher Menge Schnee fällt, ist trotz des Klischeebilds von Strand, Meer und Sonne keine Seltenheit. Verschneite Strände gibt es im Winter allerdings. Auch die Hauptstadt Athen hat in den vergangenen gut hundert Jahren einige sehr dichte und ergiebige Schneefälle erlebt. Das, was dieses Jahr eine Premiere feierte, war das komplette Staatsversagen, dem eine vollmundige Vorankündigung voranging, alle Verantwortlichen seien auf jegliche Szenarien vorbereitet.

Eine Statistik des Nationalen Observatoriums in Athen zeigt auf, dass es auch im laufenden Jahrtausend Tage mit 25 Zentimeter Schnee in Athen gab. Der Rekord liegt bei 1,50 Meter und wurde im Februar 1911 gemessen. Dass aber selbst am zentralen Syntagma-Platz Schneeketten vorgeschrieben wurden, das gab es in der Erinnerung der Menschen noch nie.

Die "Hoffnung" widerlegt neoliberale Dogmen

"Elpida" – Hoffnung – heißt das Sturmtief, das Griechenland in Atem hält. Es traf nicht nur Athen. Auch auf der Insel Euböa, die im Sommer durch die Brandkatastrophe betroffen war, wurden zahlreiche Orte eingeschneit. Die dortige Bevölkerung ist jedoch im Gegensatz zu den Hauptstädtern an widrige Umstände gewöhnt.

Massive Verkehrsprobleme außerhalb Athens gab es auf der Bahnstrecke von Athen nach Thessaloniki. Die Kälte sorgte zudem für den Tod hunderttausender Fische im Meer.

"Die Hoffnung kommt und dann sind sie weg" war der Slogan, mit dem am 25. Januar 2015 Alexis Tsipras den Wahlsieg errang. Der Name des Tiefs sorgt im Land für zahlreiche Wortspiele. Mit einer gehörigen Portion Sarkasmus versuchen viele, über die schweren Tage hinwegzukommen.

Auf der teuersten Privatautobahn des Landes, der Attiki Odos, steckten ab Montagmorgen knapp 4.500 Menschen im Schneegestöber fest. 3,30 Euro kostet eine Fahrt über die Umgehungsstraße der Hauptstadt. Abonnenten bekommen einen Preisnachlass auf 2,80 Euro. Diese Einnahmen wollte sich der Autobahnbetreiber nicht entgehen lassen und ließ immer mehr Fahrzeuge durch die Mautstationen einfahren, als es bereits wenige Meter weiter massive Staus gab.

Betroffene Autofahrer berichten, sie hätten extra an der Mautstation nachgefragt, ob die Straße befahrbar wäre. Trotz bereits bestehender Probleme wurde ihnen dies wahrheitswidrig versichert.

Warnungen der Feuerwehr, die Straße dringend zu schließen, wurden überhört. Wie der Fernsehsender Skai aufdeckte, missachtete die Betreiberfirma auch eine Anweisung der Polizei, die um zehn Uhr vormittags die Sperrung anordnete. Der Sender fand zudem heraus, dass allein die Betreiber eine Sperrung anordnen dürfen, so steht es in dem mit dem Staat abgeschlossenen Vertrag.

Das Narrativ der neoliberalen Regierung, demzufolge allein die Privatwirtschaft für eine funktionierende Infrastruktur sorgen könne, wurde selten so eindrucksvoll widerlegt, wie der vom zuständigen Ministerium an Skai weitergeleitete Autobahnbetreibervertrag.

Auch am Mittwoch kam die private Betreiberfirma ihren Pflichten nicht nach. Seeleute der Kriegsmarine wurden vom Staat auf die Autobahn geschickt, um dort Autos freizuschaufeln. Auch für die Eingeschlossenen, die zum großen Teil erst am Dienstagmorgen ihre Fahrzeuge verlassen konnten, gab es keine Hilfe der privaten Firma. Die Kommunistische Partei organisierte ebenso wie das Heer Trupps, welche einem Teil der in ihren Fahrzeugen eingeschlossenen Menschen zumindest Wasser, Nahrung und Decken brachten. Ohne Verpflegung ließen die Autobahnbetreiber auch ihr eigenes Personal, das in den Mauthäuschen festsaß. Die übrigen privaten Autobahnen hatten solche Situationen durch eine frühzeitige Sperrung vermieden.

Nach Angaben des zuständigen Ministeriums stellte sich heraus, dass die Schneeräumfahrzeuge des Autobahnbetreibers nicht einsatzbereit waren und dass es keinen Vorrat an Streusalz gab. Die Firma selbst weist alle Anschuldigungen von sich, allerdings ist der Geschäftsführer von Attiki Odos zurückgetreten.

Niemand möchte bislang erklären, warum die Autobahn bis 17 Uhr noch Fahrzeuge einfahren ließ, obwohl Streckenabschnitte bereits seit elf Uhr nicht mehr passierbar waren. Es soll im Laufe der Aufarbeitung detailliere Erklärungen geben.