Griechenland: Wintereinbruch erwischt den Staat kalt

Seite 3: Entschädigungen, aber mit Fallstricken

Die Griechen erfuhren über die Medien, dass es auf Anweisung des Premiers für jedes Auto, das auf der Attiki Odos feststeckte, 2.000 Euro Entschädigung von der Betreiberfirma geben würde. Dies habe der Regierungschef ausgehandelt, hieß es. Es war ein Versuch über gute PR das klägliche Bild der Regierung zu verbessern.

Der erste Haken bei der Sache ist, dass die Gelder nur für die Eigentümer der Fahrzeuge vorgesehen sind. Was aber ist mit Taxipassagieren? Es gab Berichte, dass ein über Stunden feststeckender Passagier dem Fahrer eine Rechnung von mehr als 345 Euro bezahlen musste.

Und was ist mit den Fahrern? Viele sind Angestellte des Fahrzeugbesitzers. Tatsächlich haben bereits zahlreiche der Betroffenen Klage eingereicht. Verbraucherverbände informieren die Bürger über ihre Rechte.

Andere lehnen die Pauschalabfindung ab, weil sie befürchten, dadurch Ansprüche auf weitere Entschädigungen und Folgeschäden zu verlieren. Entscheidend ist zudem, dass die Eingeschlossenen nachweisen können, auf der Autobahn gewesen zu sein. Sie dürfen, wenn sie nicht als Abonnenten über ein elektronisches Erfassungsgerät verfügen, ihre Mautkassenzettel keinesfalls verlieren.

Ein ähnliches Schicksal droht einigen Zugpassagieren. Analog zu Mitsotakis Vorstoß hat der zuständige Infrastrukturminister Kostas Karamanlis mit der privaten Betreiberfirma, der früher staatlichen OSE ausgehandelt, dass jedem eingeschlossenen Passagier 1.000 Euro zustehen würden. Weil die Reise in Oinoi abgebrochen wurde, haben jedoch einige ihren Fahrpreis am Schalter zurückbekommen und dafür ihre Fahrkarte abgeben müssen.

Krankenhäuser und weitere Dramen

Unter der Schneelast brachen nicht nur Bäume. Das Tribünendach des Stadions von Panathinaikos Athen wurde ebenso eingerissen, wie die provisorischen Vorbauten am Agia-Sophia-Kinderkrankenhaus für die Aufnahme von Covid-Patienten. Im Sotiria-Krankenhaus gab es keine Essensversorgung. Teilweise war es den Angestellten nicht einmal möglich, den Vorhof des Hospitals zu passieren. Sie organisierten einen Becher Milch und ein Stück trockenes Brot für die Patienten eines der dezidierten Covid-Krankenhäuser der Hauptstadt.

Auch am Mittwoch spielten sich in Athen surreale Szenen ab. Menschen schoben einen Sarg durch die vereiste, ungeräumte Straße, weil der Leichenwagen nicht anfahren konnte. Und das Bildungsministerium erklärte, dass es am Donnerstag Fernunterricht per Internet gäbe – obwohl es an vielen Orten noch keinen Strom gibt.

Katastrophe mit Ansage

Das Wetterphänomen war von den Meteorologen korrekt und frühzeitig vorhergesagt worden. Es gab im Lauf der vergangenen Woche viele Diskussionen darüber, ob eine provisorische Schulschließung nicht ratsam wäre. Einen Vorschlag, den die Bildungsministerin Niki Kerameos rundweg ablehnte.

Die Reaktion der Regierung auf alle in diese Richtung gehenden Vorschläge war, dass sie perfekt für das Wetter vorbereitet wäre, es für alles Pläne gäbe und keine Probleme zu erwarten seien.

Erst in der Nacht vom Sonntag auf den Montag, um 23:30 Uhr, entschloss sich das Ministerium, die Schulleiter per E-Mail zu informieren, dass sie die Schulen vielleicht doch lieber geschlossen lassen sollten.

Nun sind um diese Zeit die wenigsten Schulleiter vor einem Computer und in der Regel noch weniger der berufstätigen Eltern. Die Kinder kamen also zu Schulen, die sie geschlossen vorfanden. Angesichts des massiven Wintereinbruchs beschloss die Regierung, sämtliche Einrichtungen des öffentlichen Dienstes bis auf die systemisch notwendigen am Vormittag zu schließen.

Dadurch entstand die vorgezogene Rush Hour mitten im Schneegestöber am Montagvormittag. Busse, Straßenbahnen und S-Bahnen stellten ihren Verkehr ein und das hausgemachte Chaos war perfekt. Letztendlich wurden im Nachhinein der Montag sowie Dienstag und Mittwoch von der Regierung als staatliche Sonderfeiertage deklariert. Für den Donnerstag gilt bislang eine Art Hybridlösung, die jedoch die Lohn- und Versicherungsfortzahlung für Angestellte in Gefahr bringt.

Das nächste Wintertief wurde bereits für den 2. bis 4. Februar angekündigt.