GroKo: Licht und Schatten in der Energiepolitik

Kraftwerk Westfalen in Hamm-Uentrop. Bild: Jürgen Liebich / CC-BY-4.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von neuen Kommissionen, dem zähen Leben der Kohlekraftwerke, Chinas Umbau und dem globalen Wachsen der Windenergienutzung

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Nun ist er also unter Dach und Fach, der von der SPD und den Unionsparteien abgeschlossene Koalitionsvertrag. Schauen wir doch mal hinein, was er zum Thema Klima und Energie zu bieten hat, worüber also die SPD-Mitglieder in den nächsten Wochen abstimmen.

Bis zum 2. März haben sie dafür Zeit, am 4. März wird dann ausgezählt, heißt es auf der Internetpräsenz der SPD. Wir sind nicht nur auf das Ergebnis sehr gespannt, sondern auch darauf, wie tief die zaudernden Partner bis dahin noch in der Wählergunst absacken.

Doch kommen wir zur geplanten Energie- und Klimapolitik. Zunächst sticht ins Auge, dass sich unter der Zwischenüberschrift "Luftreinhaltung" genau ein Satz findet. Auf zwei Zeilen wird erklärt, dass man die "Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft" novellieren möchte, um sie an den Stand der Technik anzupassen.

Angesichts der weitverbreiteten Überschreitung der Grenzwerte für die Belastung mit Stickoxiden und dem ebenso alltäglichen Betrug der Automobilhersteller ist das ein beschämend dürftiges Statement. Immerhin findet sich aber im Abschnitt über Klima und Umwelt auch die Selbstverständlichkeit, dass EU-Recht im vollen Umfang umgesetzt werden soll.

Das wäre - wenn ernst gemeint - ein Bekenntnis zu den existierenden Grenzwerten und deren weiterer Absenkung. Im Widerspruch dazu stehen allerdings die zum Teil gesetzwidrigen Bemühungen aus den Kreisen der Koalitionäre, Dieselfahrverbote zu verhindern.

Ansonsten findet sich zum Thema Klima und Energie Widersprüchliches, Kritisches und Positives. Zum einen wird wie schon im Sondierungspapier sprachlich geschickt offen gehalten, ob das 2020er Klimaschutzziel (minus 40 Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber dem 1990er Niveau) noch ernsthaft angestrebt wird.

Die Einzige dafür konkret vorgeschlagenen Maßnahme sind Sonderausschreibungen von je vier Gigawatt (GW) Onshore-Windenergie und Photovoltaik sowie ein nicht bezifferter Beitrag der Offshore-Windenergie. Die Projekte sollen bereits im nächsten und übernächsten Jahr in Betrieb gehen, das heißt, die Ausschreibungen müssten eigentlich mehr oder weniger sofort erfolgen.

"Klima-Aktionsprogramm": Kohle als Auslaufmodell

Das ist zwar für die Entwicklung der Branchen erfreulich und könnte dafür sorgen, dass der von einigen befürchtete technologischen Fadenriss vermieden wird, wenn der zuletzt starke Ausbau der Windenergie durch die mit dem Zwang zur Ausschreibung eingeführten Beschränkungen einbrechen sollte und Unternehmen in den Konkurs treiben würde. Der Beitrag zum Klimaschutz wird jedoch eher gering sein, wenn nicht zugleich Kohlekraftwerke im nennenswerten Umfang vom Netz genommen werden.

Doch dazu gibt es in dem vereinbarten Dokument keine konkreten Angaben. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber einer der Aufträge an eine neue Kommission, die die Verhandlungspartner bis zum Jahresende ein Klima-Aktionsprogramm ausarbeiten lassen wollen.

Dieses solle unter anderem "einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen" beinhalten.

Damit gestehen die einstigen Volksparteien erstmalig ein, dass die Kohle ein Auslaufmodell ist. Letztlich wird aber alles auf den vereinbarten Zeitrahmen ankommen. Zu befürchten ist, dass in einem relativ isolierten Prozess, auf den Gesellschaft und Parlament wenig Einfluss nehmen können, eine sehr lange Übergangsfrist festgelegt wird, die zum Beispiel den Braunkohletagebau noch bis ins vierte Jahrzehnt fortschreibt.

Wie beim viel zu lange hinausgezögertem Ausstieg aus der Atomkraft könnte der Öffentlichkeit damit vorgegaukelt werden, dass Thema sei erledigt.

Anteil der erneuerbaren Energieträger von 65 Prozent bis 2030

Ansonsten spricht der Koalitionsvertrag davon, dass man bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energieträger von 65 Prozent erreichen wolle. Wie schon im Sondierungspapier wird offen gelassen, ob damit die gesamte Energieversorgung oder nur der Stromsektor gemeint ist. Ersteres wäre ehrgeizig, Letzteres eher unengagiert, da es nur die Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung bedeuten würde.

Des Weiteren betonen die Verhandlungspartner zwar auch in der Energiepolitik markwirtschaftliche und eher zentralistische Maßnahmen, wie den beschleunigten Netzausbau und den EU-weiten Stromhandel, wollen aber zugleich Speichertechnologien fördern und sprechen sich für den Ausbau der in (West-)Deutschland eher unterentwickelten Kraftwärmekoppelung aus.

Interessant ist hier unter anderem, dass für Fern- und Nahwärmenetze Wärmespeicher vorgeschlagen werden. Diese würden die Koppelung von Wärme- und Stromproduktion deutlich verbessern. Die Forschung auf diesen Gebieten soll gefördert und dafür ein Fraunhofer-Institut für Speichertechnologie geschaffen werden.

Weitere interessante Punkte sind, dass die Standortgemeinden von EE-Anlagen stärker an der Wertschöpfung beteiligt werden sollen. Das würde nicht nur die Akzeptanz von Windkraftanlagen stärken sondern wäre auch ein Beitrag dazu, Einkommen und Wohlstand wieder mehr in der Fläche zu verteilen. Schließlich soll auch die Mieterstromregelung verbessert werden.

Bisher verlieren Wohnungsbaugenossenschaften ihre Steuervorteile, wenn sie ihren Mitgliedern Strom aus wohnungsnahen Anlagen verkaufen. Das soll offenbar geändert werden.

Ölpreis volatil

Derweil hat der Tumult an den Börsen auch einen energiepolitischen Aspekt: Der Ölpreis wurde von den oft herben Kursverlusten mit nach unten gerissen, aber vorerst nur ein wenig.

Die Standardsorte Brent hatte Ende Januar einen Höchststand von etwas über 70 US-Dollar pro Fass erreicht und hat seit dem gut zehn Prozent nachgelassen. Ende letzter Woche kostete das Barrel Brent nur noch etwas über 62 US-Dollar, verteuerte sich dann aber am Montag wieder etwas, nach dem auch die Börsenkurse leicht anzogen. Am Dienstag schwächelte er dann allerdings schon wieder etwas. Die Stimmung bleibt offensichtlich - wie im Aktienhandel auch - angespannt.

Längerfristig wird sich der Ölpreis aber vermutlich nicht unbedingt von den Börsenkursen beeindrucken lassen, jedenfalls solange nicht, wie deren Kapriolen nicht die Realwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Der hohe Preis passt ganz gut zur brummenden Weltwirtschaft, und die spannende Frage dürfte sein, ob er Anreiz genug ist, wieder verstärkt in Prospektion und Erschließung neuer Felder zu investieren.

Da die großen, leicht zu fördernden Felder inzwischen rar sind, nehmen die Förderkosten zu. Doch die Ölgesellschaften waren in den letzten Jahren ziemlich zurückhaltend mit den notwendigen Investitionen zur langfristigen Sicherung des Förderniveaus.

Der über mehrere Jahre zwischen 40 und 50 US-Dollar pro Fass oszillierende Ölpreis bot ihnen nicht genug Anreiz. Die Internationale Energie Agentur in Paris hatte daher wiederholt gewarnt, dass das in der Zukunft zu Versorgungsengpässen und Verteuerung führen könnte.

Über mehrere Jahre seien die entsprechenden Investitionen zurück gegangen, 2016 zum Beispiel um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2017 hatte sich allerdings bereits angedeutet, dass die Investitionen wieder steige, insbesondere in die US-amerikanischen Förderung von Schiefergas und -öl - in das sogenannte Fracking - wurde erheblich mehr Kapital gesteckt.

Viel wird vom Timing abhängen. Ölinvestitionen brauchen mehrere Jahre bevor sie Auswirkungen auf die Fördermenge haben können. Wenn zwischenzeitlich die Nachfrage zu schnell wächst, könnte es daher zu Engpässen und einem damit verbundenen Preisanstieg kommen. Das könnte in diesem Jahr noch für einige Unruhe sorgen, denn die OPEC rechnet mit einem deutlich gesteigerten Bedarf an Erdölprodukten aller Art.

2016 war ansonsten übrigens laut IEA trotz rasch fallender Preise für Solaranlagen das erste Jahr seit Beginn ihrer Statistiken, in dem weltweit mehr Geld in die Elektrizitätswirtschaft als in die Ölförderung gesteckt wurde. Für 2017 liegt noch keine Übersicht vor.

Während die Investitionen in erneuerbare Energieträger wegen des Preisverfalls 2016 bei erheblicher Zunahme der errichtetet Kapazitäten leicht zurückgegangen sind, wurde vor allem mehr Geld für den Ausbau der Netze ausgegeben. Der Bau neuer Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke nahm hingegen stark ab.

Hartnäckige Kohle

Ist die Kohle deshalb nun auf dem globalen Rückzug, wie einige angesichts der Entwicklung in China meinen, oder gibt es nur eine vorübergehende Pause nach einer starken Zunahme des Kohleverbrauchs im letzten Jahrzehnt?

Immerhin besagt die Statistik der Internationalen Energie Agentur (IEA), dass der Verbrauch 2016 im zweiten Jahr in Folge zurück ging, und zwar um 1,9 Prozent. 2016 sei 4,3 Prozent weniger Kohle verbraucht worden, wie noch 2014.

Das sei ein fast so starker Rückgang wie in der Periode 1990 bis 1992, dem bisher tiefsten Knick in der 40 Jahre zurückreichenden Kohle-Statistik der IEA. Anfang der 1990er Jahre war es allerdings eine schwere Wirtschaftskrise in Osteuropa, die den Rückgang verursachte.

Derzeit handelt es sich hingegen offenbar um einen Technologiewandel. Der wachsende Verbrauch in Indien und in anderen asiatischen Ländern habe 2016 die abnehmende Nachfrage in den USA - dort wird Kohle vor allem durch Fracking-Gas verdrängt - sowie in China und Großbritannien nicht wett machen können.

Ottmar Edenhofer, Ökonom am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, sieht allerdings die Wende noch nicht gekommen. In einem Beitrag in den Environmental Research Letters kommt er gemeinsam mit Kollegen zu dem Schluss, dass die derzeit weltweit im Bau befindlichen und noch geplanten Kohlekraftwerke, die im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen gemachten Versprechen im Falle einiger Länder in Frage stellen und das verbleibende Treibhausgasbudget aufbrauchen könnten, das zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels nicht überschritten werden darf.

Während in China und Indien die Kohlenutzung zurück gehe, könne dies durch die Entwicklung in anderen Ländern wie der Türkei, Vietnam und Indonesien zum Teil zunichte gemacht werden. Der Ausstieg aus der Kohle bedürfe daher eine engagierte und gut durchdachte politische Strategie. Vor allem arme Länder, die auf die Förderung oder Nutzung von Kohle verzichten, müssten dafür unterstützt werden, damit sie die gegebenen Falls höheren Kosten für saubere Energieformen tragen können.

Die Autoren verweisen zwar auf die weiter sinkenden Kosten für erneuerbare Energieträger wie Solar- und Windkraftanlagen. Allerdings glauben sie nicht, dass man sich darauf verlassen kann, dass die Regierungen allein aus ökonomischen Gründen die Pläne für neue Kohlekraftwerke aufgeben.

Dem könnten technische Problem wie die Netzintegration im Wege stehen aber auch die ökonomischen Interessen von Kraftwerksbetreibern und den Besitzern der Kohlegruben. Aspekte, wie sie nicht zuletzt auch aus Deutschland hinlänglich bekannt sind.

China stellt um

In China plant man derweil, den Kohleanteil an Energienutzung bis 2020 auf 58 Prozent abzusenken. Das betrifft allerdings nicht nur den Kraftwerkssektor, in dem 2015 nur knapp die Hälfte der Kohle verbrannt wurde. Der Rest findet unter anderem Verwendung in der Stahlproduktion und wird zu einem erheblichen Teil für die Heizung von Gebäuden eingesetzt. Doch das wird gerade geändert.

Das Ziel scheint in erreichbarer Nähe zu liegen. 2015 betrug der Anteil der Kohle an der Energienutzung (Verstromung, Industrie, Landwirtschaft, Wärmeversorgung und Verkehr) noch 64 Prozent, aber 2017 könnte er bereits auf 60 Prozent gefallen sein. Dazu trug unter anderem bei, dass in einigen Regionen im Norden des Landes, der Umstieg von Kohle auf Erdgas forciert wird.

Das ganze geschieht derart rasant, dass es dort im Dezember zu Versorgungsengpässen beim Gas kam. Trotz dieser Probleme wird die Umstellung eher noch energischer voran getrieben.

Ziel ist neben der Bekämpfung der enormen Luftverschmutzung die Reduzierung der Treibhausgase. Bis 2021, so ein Anfang Dezember von verschiedenen Ministerien und zentralen Behörden veröffentlichter Plan, sollen die gut ausgebauten Fernwärmenetze im Norden umgestellt sein.

Statt der Kohle werden künftig neben dem Erdgas Biomasse, industrielle Abwärme, Solarenergie und auch Strom zum Einsatz kommen. Letzteres vermutlich vor allem als zusätzliche Heizung, um Stromspitzen abzufangen, wie es auch in Dänemark seit einigen Jahren praktiziert wird, und wofür demnächst auch in Deutschland mit lokalen Wärmespeichern - siehe oben - die Voraussetzungen geschaffen werden könnten.

Insgesamt entfallen in China übrigens nach einer Analyse de Global Carbon Projects etwa ein fünftel der Treibhausgasemissionen auf Produkte, die exportiert werden. Mit anderen Worten: Ein Teil der durch den hiesigen Konsum verursachten Emissionen erfolgen in der Volksrepublik.

In der EU und in Nordamerika ist das Verhältnis entsprechend umgekehrt: Der dortige Konsum verursacht Treibhausgasemissionen, die den in den jeweiligen Länderbilanzen ausgewiesenen Beitrag zum Klimawandel übersteigen. Im Falle der EU machen diese ausgelagerten Emissionen knapp zehn Prozent der Inlandsemissionen aus, im Falle der USA ist die Diskrepanz geringer.

Mehr Windenergie

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Für den Ausbau der Windenergienutzung war 2017 ein gutes Jahr. Das zeigen die neusten Zahlen der World Wind Energy Association (WWEA).

Demnach kamen im letzten Jahr weltweit Anlagen mit einer Leistung von 52,5 GW hinzu. Gegenüber 2016 ist das ein leichtes Plus von etwas mehr als einem Gigawatt (GW). Die Windenergiebranche wächst also weiter, entwickelt sich aber zur Zeit nicht mehr so stürmisch wie die Solarindustrie. Dort stieg der Zubau zuletzt um etwa ein Fünftel auf voraussichtlich über 100 GW.

Mit den neuen Anlagen sind inzwischen knapp 540 GW Wind-Leistung installiert. Laut WWEA liefern diese etwa fünf Prozent der globalen Stromproduktion. Der Fachinformationsdienst IWR schätzt, dass 2017 erstmals über 1000 Milliarden Kilowattstunden mit Windkraftanlagen erzeugt wurden, was - grob gerechnet - dem doppelten des deutschen oder einem Sechstel des chinesischen Bedarfs entspräche.

Wie auch in der Solarenergie ist China auch bei der Windkraft der mit Abstand größte Markt. 2017 wurden dort Anlagen mit einer Leistung von 19 GW errichtet. Deren Netzintegration macht weiter Probleme, dazu demnächst mehr in einem Blogbeitrag. Nach China folgen die USA mit 6,8 GW an Neuinstallation in 2017, Deutschland (6,1 GW), Indien (4,6 GW), Großbritannien(3,3 GW), Brasilien (2 GW) und Frankreich (1,7 GW).

Trotz der leichten Zunahme der installierten Windenergie-Kapazitäten ist übrigen der in dieser Branche investierte Betrag im vergangenen Jahr um 12 Prozent zurück gegangen, berichtete letzten Monat da PV Magazine unter Berufung auf den Analyseservice der Nachrichtenagentur Bloomberg. Das ist ein deutlicher Hinweis auf die Kostenreduktion.

In der Solarbranche nahmen die Investitionen im gleichen Zeitraum etwas zu, allerdings um lediglich drei Prozent. Der Zuwachs an installierter Leistung betrug hingegen rund 20 Prozent.

Mit anderen Worten: Die erneuerbaren Energieträger verbilligen sich weiter. Vielleicht sollte sich also die nächste Bundesregierung - wer auch immer sie stellen wird - ein wenig mehr auf deren Ausbau und eine Überwindung der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten konzentrieren, statt im Irak potenziell verfeindete Lager - die kurdischen Peschmergas und die Regierungstruppen - militärisch auszurüsten und auszubilden, um in der wichtigen Ölförderregion einen Fuß in die Tür zu bekommen.