Großbritannien zeigt, wohin die Inflationsreise geht

Seite 2: USA: Drohende Stagflation

Klar ist, dass der Druck auf die EZB wächst, die weiterhin Durchhalteparolen ausgibt, wonach das Inflationshoch erreicht sein soll, worüber die FAZ wieder groß berichtet hat.

Lagarde will, allerdings erst ab dem Sommer, moderat die Zinsen langsam anheben. Nach elf Jahren Nullzinspolitik könnte dann eine Zinserhöhung um 0,25 Punkte kommen, während Kritiker einen entschlosseneren Einstieg in die geldpolitische Straffung wollen. Dazu gehört der Chef der österreichischen Notenbank Robert Holzmann, der eine Anhebung um 0,5 Prozent fordert.

Ein solcher Zinsschritt zu Beginn der Straffungsphase würde den Märkten signalisieren, "dass wir die Notwendigkeit zum Handeln erkannt haben", sagte er. "Alles andere würde Gefahr laufen, als schwach wahrgenommen zu werden."

Lagarde will ihre Geldpolitik weiter an den eigenen Prognosen orientieren, die sich seit Jahren als falsch erweisen. Doch man kann eine EZB-Geldpolitik darauf aufbauen, dass die eigenen Inflationsprognosen eintreffen, welche die Notenbank selbst aufgestellt hat. Das hatte der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, in einem hörenswerten Interview im Deutschlandfunk kritisiert.

Die EZB "leitet ihre Zinspolitik aus Inflationsprognosen ein bis zwei Jahre in die Zukunft ab. Sie kann die Inflation aber nicht wirklich oder eher gar nicht korrekt antizipieren", erklärt er. Anders handelt und argumentiert dagegen der BoE-Chef Bailey. Der geht davon aus, dass die Entwicklung im Ukraine-Krieg oder die der Covid-Pandemie eben nicht vorhersehbar ist.

Immer deutlicher wird, dass viel zu lange mit der Straffung der Geldpolitik gewartet wurde und sich deshalb die Anzeichen verstärken, dass man in eine gefährliche Stagflation wie in den 1970er-Jahren abgleitet, als eine hohe Inflation mit einer Stagnation oder mit einer Rezession einherging. Das ist für Ökonomen ein "toxisches Gemisch".

In den USA zeichnet sich eine Stagflation schon ab. Das Wirtschaftswachstum fiel nach der zweiten Schätzung des US Bureau of Economic Analysis im ersten Quartal 2022 mit einem Rückgang von 1,5 Prozent auf Jahresbasis noch schlechter aus, als ohnehin schon erwartet worden war.

Allerdings könnte die geldpolitische Wende der US-Notenbank FED, selbst wenn auch sie viel zu spät kam, dazu geführt haben, dass die Inflationsrate wieder sinkt. Im April stiegen die Verbraucherpreise in den USA um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Zwar verharrt die Inflation weiterhin auf einem hohen Niveau, aber sie hat sich erstmals seit August 2021 leicht abgeschwächt.

Im März hatte die Inflation noch bei 8,5 Prozent gelegen. Ob es sich dabei wirklich um eine Trendwende handelt, bleibt aber abzuwarten.

Klar ist auch, dass die Abschwächung der Konjunktur eher dazu führen wird, dass die Lagarde-EZB bei der Zinswende auf die Bremse tritt, zumal die hohe Inflation den – wohl von Lagarde gewünschten – Effekt hat, die Schulden der hoch verschuldeten Staaten wie ihr Heimatland Frankreich wegzuinflationieren.