Großbritannien zeigt, wohin die Inflationsreise geht
Seite 3: Thesen zur Inflation
Interessant ist in diesem Zusammenhang sind auch einige Thesen interessant, die Fefe kürzlich in seinem Blog zur Inflation angestellt hat.
Erstens: Vergesst mal die aktuellen Preise, wie teuer alles wird. Denkt mal lieber über eure Altersvorsorge nach. Wenn ihr, sagen wir mal, eine Rentenversicherung abgeschlossen habt, die euch garantiert 400 Euro im Monat auszahlt, und wir haben jetzt eine Weile 7-10 Prozent Inflation, dann kriegt ihr vielleicht 400 Euro, aber die sind viel weniger wert dann.
Fefe
Bei einer solchen Inflation über einige Jahre sind die 400 Euro praktisch wertlos, wenn man in 10 bis 15 Jahren in die Rente geht. Und niemand kann derzeit sagen, wie lange die Inflation angesichts der verheerenden Geldpolitik der EZB und dem Ukraine-Krieg so hoch bleiben wird.
Zumal wird alles vonseiten der europäischen Verantwortlichen getan wird, den Krieg zu verlängern, anstatt zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Damit - das sollte allen klar sein - werden die Energiekosten über längere Zeit in die Höhe geschraubt. So wird zum Beispiel vom grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ausgerechnet das extrem teure und umweltschädliche US-Frackinggas hofiert. Wer behauptet, damit ließe sich die Inflation senken, ist entweder blind oder er lügt.
In der zweiten These spricht auch Fefe die Tatsache an, dass die mit der Corona-Krise noch stärker ausufernden Schulden weginflationiert werden solle.
Der Staat schiebt unfassbar große Schuldenberge vor sich her, weil Geld immer als Kredit geschöpft wird. Auf der einen Seite hat jemand Guthaben, dann muss auf der anderen Seite jemand Schulden haben. Die Schuldenseite ist bei uns häufig der Staat. Daher argumentieren Ökonomen gerne, dass das OK oder sogar gut sei, wenn der Staat hohe Schulden hat, weil das heißt, dass jemand anderes ein hohes Guthaben hat. Nun machen aber zu hohe Schulden irgendwann Ärger, und wie kriegt der Staat die dann weg? Abzahlen ist nicht realistisch. Der Ausweg ist Inflation.
Fefe
So stellt Fefe richtig fest, dass die Schulden dann zwar nicht weg sind, aber im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung kleiner werden. Er nimmt an, dass der Staat (beziehungsweise die EZB) vermutlich gar keine große Eile hat, die hohe Inflation herunterzufahren, "weil das eben auch die Schulden weniger wert werden lässt".
Problematische Rechnungen
Es gibt ein Problem bei dieser Rechnung: Wenn man tatsächlich in die Stagflation abrutscht und in der Rezession die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft, dann wird der Effekt kleiner oder hebt sich vielleicht sogar wieder völlig auf.
Tatsächlich dürfte mit einer Rezession genau dann der "Schock" eintreten, den der britische Notenbankchef anspricht: Dass wegen fallender Nachfrage auch die Inflation wieder nachlässt, wenn die Beschäftigten keine entsprechenden Lohnerhöhungen durchsetzen können. Das bedeutet aber, wie schon oben angesprochen, die weitere Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Die Betrachtungen der Staatsschulden und der Rentenproblematik sind deshalb wichtig, ganz abgesehen davon, dass Menschen mit Sparguthaben schon jetzt über Nullzinsen und Inflation massiv enteignet werden, da auch von linker Seite die Inflationsgefahren gerne verharmlost werden. Hier sind unter anderem die Ökonomen Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker zu nennen. Sie schrieben in Relevante Ökonomik kürzlich:
Dabei bleiben die Befürworter einer strafferen Geldpolitik eine plausible Erklärung schuldig, wie und mit welchen gesamtwirtschaftlichen Folgen Zinserhöhungen die aktuellen Preissteigerungen bei importierten Rohstoffen zum Stillstand bringen können.
Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
Vergessen wird bei der Betrachtung zum Beispiel, dass zum Beispiel die Schweiz, die eine ganz andere Geldpolitik macht, eine Inflation von 2,5 Prozent hat, die noch im Rahmen des Inflationsziels der EZB liegt. Kauft ausgerechnet die kleine Schweiz keine Rohstoffe im Ausland?
Natürlich, aber da die Schweizer Notenbank eine andere Geldpolitik macht, anders als die EZB nicht zur Konjunkturförderung über die Geldschwemme auch den Euro nach unten geprügelt hat, hat der Schweizer Franken im Verhältnis zum US-Dollar einen deutlich höheren Wert.
Damit kauft die Schweiz ihre Energie und Lebensmittel auf dem Weltmarkt billiger ein. Das wird gerne vergessen. Darüber erklärt sich zum Teil auch, warum die Ölpreise in der Finanzkrise zum Teil fast 50 Prozent höher waren, aber der Spritpreis an unseren Tankstellen damals deutlich niedriger.
Der Handel mit dem Dollar
Da Energie auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt wird, verteuert sich Energie für die Verbraucher über den schlechteren Wechselkurs auch, wenn die Preise für Gas und Öl auf dem Weltmarkt gar nicht steigen. Mit Zinserhöhungen in anderen Währungsräumen verstärkt sich der Effekt noch, da Geld aus dem Euroraum abfließt, der Euro also weiter geschwächt wird.
Zum Franken besteht fast schon Parität. Immer mehr Experten erwarten, dass es bald auch eine Parität zum Dollar bestehen wird. Mitte Mai fiel der Eurokurs sogar unter die Marke von 1,04 US-Dollar. Damit hat die EZB, anders als sie suggeriert, sehr wohl auch eine Möglichkeit dämpfend auf die Energiepreise und damit über diesen Hebel auch dämpfend auf die Inflation einzuwirken.
Flassbeck und Spiecker zeigen aber auch auf, dass man es mit Versäumnissen in der Vergangenheit zu tun hat. Man habe es zum Beispiel versäumt, "den Finanzmärkten starke Zügel anzulegen." Das zeitigt "negative Konsequenzen für die Realwirtschaft", denn "natürlich sucht sich das viele Geld, das durch die lockere Geldpolitik auf den Finanzmärkten vorhanden ist, seinen Weg in alle möglichen Anlageformen, zu denen in erster Linie spekulative zählen – seien es Gold, Metalle, Nahrungsmittel oder andere Rohstoffe".
Beide meinen, dass Verteuerungen von Krediten, sprich Zinssteigerungen vor allem Investitionsvorhaben getroffen werden, "eben auch die jetzt noch dringender als vor dem Krieg benötigten Sachinvestitionen."
Hier beißt sich die Katze allerdings in den Schwanz. Das Problem ist, dass das viele Geld der Geldschwemme, welche auch die beiden Ökonomen kritisch sehen, seit vielen Jahren nicht produktiv investiert wird.
Warum und wie das jetzt in produktive Investitionen gelenkt werden könnte, darauf bleiben sie Antworten schuldig.
Sehr fraglich ist, dass sie als Linke argumentieren, dass die Geldpolitik "nur dann die Zügel anziehen" sollte, wenn "der andere entscheidende Politikbereich, die Lohnpolitik, sie dazu zwingt, indem letztere einen inflationären Prozess in Gang setzt."
Das hier von Flassbeck und Spiecker unterschwellig Lohnverzicht und Gürtel-enger-schnallen gepredigt wird wie vom Chef der Bank of England, ist angesichts der sozialen Lage vieler Menschen dramatisch.
In Makroskop führt Patrick Kaczmarczyk dagegen aus:
Seit dem Beginn der Coronakrise reichen noch nicht einmal die nominalen Lohnzuwächse, um eine wirkliche Inflationsgefahr heraufzubeschwören. In den USA und in Großbritannien zeigt sich ein anderes Bild: Hier gab es tatsächlich einen rapiden Anstieg der Löhne, der den Inflationsdruck in diesen Ländern befeuert und sich auch in einer höheren Kerninflation widerspiegelt. Dass die Fed und die Bank of England jetzt die Zügel anziehen, ist somit nachvollziehbar und gerechtfertigt. In Europa sieht die Sache anders aus.
Patrick Kaczmarczyk
Allerdings plädiert auch er bei einer Inflation, die zum Beispiel aus stark steigenden Rohstoffpreisen resultiert, auch für Einbußen bei der Kaufkraft. Bei Lohnverhandlungen müssten "temporär reale Einkommensverluste in Kauf genommen werden (der Unter- und Mittelschicht kann und sollte dann fiskalpolitisch unter die Arme gegriffen werden)".
Das, so ist bekannt, passiert aber tendenziell nicht, wie wir unter anderem hier schon mit Blick auf die schmale Hartz-IV-Erhöhung aufgezeigt haben.