Große Seidenstraße oder Kraft Sibiriens 2: Wer gewinnt den Wettlauf um neue Handelswege?

Erdgasleitung mit hohem Druck und Richtungsschild an der Verdichterstation.

(Bild: sdf_qwe / Shutterstock.com)

Putin und Xi planen neue Handelswege. Dabei geht es um Pipelines und die Neue Seidenstraße. Doch welches Projekt wird das Rennen machen?

Bei der Konferenz der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Astana ist der russische Präsident Wladimir Putin mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zusammengetroffen. Putin bezeichnete die russisch-chinesische Zusammenarbeit in globalen Angelegenheiten als einen der wichtigsten stabilisierenden Faktoren auf der internationalen Bühne, der weiter gestärkt werden müsse.

Dies sei nicht nur eine gute Tradition zwischen uns, sondern die Verkörperung guter Beziehungen, parierte Xi auf Putins Vorlage. Im Mai, als dieser zu Besuch in China weilte, sei dies das 75-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen den Ländern gewesen. Bei diesen Höflichkeitsfloskeln beließen es die beiden Staatslenker bis auf den Verweis von Putin: "Der Handel wächst."

Das lässt darauf schließen, dass keine neuen Entscheidungen zur Gasleitung "Kraft Sibiriens 2" gefallen sind. Gegenüber russischen Reportern bekräftigte Vizepremier Alexander Novak nach dem Treffen auf höchster Ebene: "Wir werden die Bedingungen und Parameter weiterverhandeln. Es wurden Anweisungen gegeben, dies so bald wie möglich zu tun."

Das Beste möge gewinnen

Im Mai hatte Putin zu seinem Besuch in China auf die Frage, ob es mit dem Bau von "Kraft Sibiriens 2" noch in diesem oder im nächsten Jahr losgeht und auch höhere Lieferungen möglich seien, geantwortet: "Ja. Über technische Details zu sprechen, bin ich jetzt nicht bereit, aber das Interesse an der Umsetzung dieser Projekte ist von beiden Seiten bestätigt."

Danach illustrierte er zu möglichen Routen: "Eine davon führt durch die Mongolei, und in einem Korridor ist es möglich, sowohl eine Gas- als auch eine Ölpipeline zu verlegen." Zugleich ließe sich mit einer Tankerflotte die Nordmeerroute nutzen, fast wie eine Pipeline für Lieferungen. "Alle Optionen sind möglich. Sie sind alle akzeptabel und wirtschaftlich machbar. Das Beste ist auszuwählen." Nowak sprach von einem Vertrag und ließ laut Medien durchblicken, dass Moskau und Peking auch an anderen neuen Projekten arbeiten würden.

China blickt auf Kasachstan

Xi selbst ließ hierzu nichts hören. Diskussionen um Preise und Liefermengen machen die Runde. Dass selbst Preise auf dem Inlandsniveau von Russland im Gespräch sind, mag wenig überraschen. Doch weniger Abnahme auf der Route von der Yamal-Halbinsel am Eismeer im Norden südwärts durchs Land und über die Mongolei nach China ist eine Rechenaufgabe von strategischer Bedeutung für beide Länder.

Hier schlug Xi in Kasachstan jetzt Pflöcke ein. Am 3. Juli trafen erste Frachten per Lkw und Zug von der chinesischen Westgrenze in den kasachischen Häfen Kuryk und Aktau am Kaspischen Meer ein. Von dort geht es weiter nach Aserbaidschan, Georgien, in die Türkei und in europäische Länder. "Dies ist die Wiederbelebung der Großen Seidenstraße. Die Karawane ist bereit zur Abfahrt", sagte Altai Ali, Vorsitzender des Transportausschusses, per Videoübertragung aus dem Hafen von Kuryk. Sowohl Xi als auch der Präsident von Kasachstan, Qassym-Schomart Tokajew, begrüßten diesen Fortschritt.

"Kasachstan ist das wichtigste Tor nach Zentralasien, Osteuropa und dem Nahen Osten. Kasachstan ist heute der wichtigste Verkehrsknotenpunkt für China", erläuterte der Politologe Aman Mambetalijew im Interview mit Kazinform. Dass Xi sich für Kasachstan extra Zeit genommen habe, da Auslandsreisen von ihm selten und kurz seien, machten dies deutlich. Angesichts solch großer Projektreichweite dürfte China den Bau neuer Gasleitungen, ob im Inland oder Ausland, scharf kalkulieren. Der Preis muss stimmen.

Putin manövriert

Putin möchte sich alle Optionen offenhalten. Im Hintergrund laufen Planungen, um auf Chinas Vorgehen zu parieren. Schließlich gehören Kasachstan und Turkmenistan zu seinem angestammten Einflussgebiet. Dort möchte er gewiss nicht zu viel Boden an seinen Freund Xi verlieren, der die Route für Exporte nach Europa im großen Stil nutzen will. Auch wenn China Rohstoffe benötigt, wie es Putin immer wieder betont, braucht China ebenso Absatzmärkte, damit die Wirtschaft floriert.

In Kasachstan ist seit Juli 2023 eine Gasleitung in Planung, die russisches Gas nach China transportieren soll. Sie lässt sich an westsibirische Gasfelder über bestehende Gasleitungen anschließen und ist auf 40 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr Transportleistung veranschlagt. Das sind 10 Milliarden Kubikmeter weniger als es bei Kraft Sibiriens 2. Doch um Gas aus Norden nach Süden zu bringen, ist die Mongolei keine zwingende Option.

Die globale Seidenstraße für Handelsströme leitet China

Ohnehin ist für China offen, wie Kraft Sibiriens 2 in das Bild einer globalen Seidenstraße passt. Die nördliche Seidenstraße im russischen Eismeer komplettiert den Warenstrom um den Globus. Für Xi ist das vermutlich eine attraktive Option. Der Preis wird dabei wie immer eine große Rolle spielen.

Die Gesamtproduktion von Flüssigerdgas (LNG) in Russland könnte bis 2040 rund 140 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen, sagte Dmitri Sawalow vom russischen Energieministeriums am 3. Juli auf dem östlichen Öl- und Gasforum in Wladiwostok. Das wiederum spricht für die Seidenstraße im Eismeer.