Groteskes politisches Spiel nach dem Trump-Putin-Treffen

Bill Browder, einer der Hauptpersonen der antirussischen Kampagne. Bild: Piraya Film AS/ Tore Vollan

Ein Vorschlag Putins zur wechselseitigen Befragung von Angeklagten wird kategorisch abgelehnt und von Browder und Co. bewusst falsch ausgelegt

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Auf der Pressekonferenz nach einem längeren Gespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, dessen Inhalte noch unbekannt sind, machte der russische Präsident ein überraschendes Angebot, wie wir bereits berichtet haben (Helsinki: Putin, Rechtshilfe und Bill Browder). Angesprochen darauf, ob er die kurz vor dem Treffen noch schnell angeklagten 12 Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes GRU in die USA ausliefern werde, sagte er, es gebe doch ein Rechtshilfeabkommen, nach dem russische Behörden nach einer offiziellen Anfrage die Beschuldigten vernehmen könnten. Wenn man sich gegenseitig entgegenkäme, könnten bei den Vernehmungen auch Amerikaner teilnehmen.

Entgegenkommen heißt für Putin, dass Vertreter Russlands auch bei Vernehmungen von einigen Amerikanern teilnehmen, die von Russland des Steuerbetrugs bezichtigt sind oder deswegen bereits in absentia verurteilt wurden. Namentlich nannte Putin Bill Browder, der allerdings schon lange kein US-Bürger mehr ist, weil er sich, um Steuern zu sparen, in Großbritannien einbürgern ließ, wo man gerne Reiche aufsammelt.

Das bietet schon Einblick in die Haltung des zum hehren Menschenrechtler konvertierten Investmentfond-Verwalters, der in Russland seine Geschäfte machte, als in den neunziger Jahren das Staatseigentum nach amerikanischem Konzept des Neoliberalismus privatisiert wurde und manche geschäftstüchtige und auch kriminelle Menschen zu Milliardären und Oligarchen machte. Die Geschäftspartner von Browder haben nach Putin 1,5 Milliarden US-Dollar an Gewinnen eingefahren, ohne in Russland oder in den USA dafür Steuern gezahlt zu haben.

Neben Browder, der mehrmals in Russland wegen Steuerbetrug in absentia verurteilt wurde, hat nach der Pressekonferenz die russische Generalstaatsanwaltschaft beispielsweise noch den ehemaligen russischen US-Botschafter Michael McFaul (2012-2014) genannt. Dazu den NSA-Agenten Todd Hyman, "der unter Eid eine Klage für Browder an einem US-Gericht eingereicht hat, Svetlana Engert, die aus Russland die gestohlenen Dokumente aus der kriminellen Ermittlung mitgenommen hat, und Alexander Shvartsman, der Browders Vertreter war, während dieser sich in den USA aufhielt".

Man würde auch gerne mit Vertretern anderer Geheimdienste sprechen, beispielsweise mit Christopher Steele, einem Ex-Agenten des britischen MI-6, der in Russland tätig war und die angeblichen Enthüllungen über Donald Trump im sogenannten Trump-Dossier zunächst im Auftrag rechter Kreise und dann, als sich abzeichnete, dass Trump gegen Clinton antreten wird, in dem der Demokraten.

Nachdem Donald Trump während der Pressekonferenz sagte, Putins Vorschlag, die Geheimdienstmitarbeiter auch in Anwesenheit von amerikanischen Ermittlern befragen zu lassen, sei "unglaublich", wurde von Anti-Trump-Medien und -Politikern daraus gemacht, er befürworte auch die Befragung der Amerikaner durch russische Ermittler. Darauf ging Trump - manchmal kommt man in die Verlegenheit, ihn verteidigen zu müssen - gar nicht ein.

Seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders sagte, Trump werde sich mit seinem Team treffen. Wenn es dazu etwas zu sagen gäbe, würde dies mitgeteilt. Am Donnerstag wurde sie genauer bzw. schwenkte auf den Kurs der Gegner ein, nachdem im Senat eine Resolution einstimmig gegen eine Befragung verabschiedet worden war. Den Vorschlag Putins habe Trump abgelehnt, teilte sie mit, aber man hoffe, dass Putin die 12 Geheimdienstmitarbeiter in die USA schicken werde, "um ihre Unschuld oder Schuld zu beweisen".

Der demokratische Senator Chuck Schumer, der die Resolution eingebracht hatte, erklärte, dass die USA niemals "unsere Bürger, ganz abgesehen von Botschaftern wie McFaul von einem ausländischen Gegner verhören" zu lassen. Verdacht auf Steuerbetrug hin oder her, russische Ermittler dürfen bei Vernehmungen amerikanischer Bürger nicht anwesend sein.

Das ist eigentlich auch nicht vorgesehen, Putin hatte es als Tauschgeschäft vorgeschlagen. Aber davon will man in den USA nichts wissen, wo man zwar von der Schuld der russischen Geheimdienstmitarbeiter überzeugt ist, aber von der möglichen Verstrickung amerikanischer Bürger in unlautere Geschäfte in Russland scheinheilig nichts wissen will.

In der Resolution wird dies zwar eingeschränkt auf Regierungsmitarbeiter, aber auch hier wird blanko gefordert, dass unabhängig vom Grund niemand von Diplomaten über Politiker bis hin zu Geheimdienstmitarbeitern oder Militärs "von der Regierung Wladimir Putins befragt" werden dürfen.

Fabrikation von Fake News: Vom Vernehmen zum Ausliefern

Auf die Spitze mit Fake News treiben es McFaul und auch Bill Browder. McFaul sieht die Beschuldigung als "völlig fabriziert", was auch stimmen könnte, wir wissen aber auch nicht, wie tragfähig die Beschuldigung der 12 russischen Geheimdienstmitarbeiter ist.

Insgesamt wird letztlich suggeriert, es sei eine Frage der Ehre der Supermacht USA, ob sie Mitarbeiter auch auf amerikanischem Boden, wo ihnen nichts geschehen kann, befragen lässt. Das erinnert an die Zeit vor dem Beginn des Internationalen Strafgerichtshof, gegen den weite Kreise in den USA massiv opponierten und dessen Einrichtung versucht wurde zu verhindern.

Nachdem dies durch politischen und finanziellen Druck nicht möglich war, verabschiedete der Kongress 2002 den American Servicemembers' Protection Act ("Hague Invasion Act"), nach dem die USA auch mit militärischen Mitteln US-Angeklagte aus Den Haag befreien können und jede Mitarbeit mit diesem untersagt ist (US-Bürger und Alliierte sollen auch mit Gewalt vor dem Zugriff des Internationalen Gerichtshofs geschützt werden).

Schnell wurde auch die Fake News, etwa von Senator Johnny Isakson, verbreitet, als ging es darum, amerikanische Bürger an Russland zu Vernehmungen zu schicken. Davon war auch in Putins Vorschlag nicht die Rede. Schon in einer ersten Reaktion auf die Senatsresolution suggerierte Bowder, es gehe darum, ihn und 11 Regierungsangehörige, die beim Magnitski-Gesetz mitgewirkt haben, auszuliefern.

US-Medien, die kritisch gegenüber Trump sind und die antirussische Linie der Transatlantiker verfolgen, befragen gerne den "Menschenrechtsaktivisten" Browder, dessen Magnitski-Geschichte aber nicht hinterfragt wird, wenn es um Russland geht und stärken den Eindruck, er sei einer der größten Feinde Putins. CNN gab so Browder ein Interview, in dem er sagte, dass eine Auslieferung "an Putin" für ihn ein Todesurteil bedeute.

Wie gesagt, Putin hatte nicht von einer Auslieferung gesprochen, Trump hatte dies schon gar nicht irgendwie befürwortet. CNN schreibt denn auch, dass es nur darum gegangen wäre, dass Ermittler der jeweils anderen Seite an den Befragungen teilnehmen dürfen. Gleichwohl wird Browder weiter unkommentiert zitiert:

Die Russen haben zu zahlreichen Gelegenheiten sehr klar gesagt, dass sie mich in Russland haben wollen … und wenn ich wieder in Russland bin, würden sie mich töten wollen. Alles, was diesen Prozess beginnt, ist in Wirklichkeit ein Todesurteil für mich.

Bill Browder

Das ist nicht nur der Versuch, sich als gefährdete, aber unschuldige Person eines bösen Putin-Regimes darzustellen, sondern an dem Mythos weiter zu stricken, dass er wegen des Magnitski-Gesetzes zum Hauptgegner Putins wurde. Browder, der einstige Investmentkapitalverwalter, ist der große Vereinfacher.

Alles, was schlecht ist in Russland, ist Putin - und der ist nicht nur ein Böser, sondern auch einer, der sich bereichern will. Das scheint Browder mittlerweile ganz fern zu liegen, aber er kämpft gerne um Aufmerksamkeit als persönlich bedrohter Putin-Gegner und spielt in die Hände des amerikanischen und westlichen Nationalismus, der den Westen als gut und Russland als bös sehen will, bislang offensichtlich mit Erfolg, auch wenn man es angesichts der Argumentation kaum glauben will:

What President Trump was saying is that he wants to take a bunch of loyal patriots, people who have given up money for government service to serve their nation, who have been protecting this nation against Russian interference, Russia organized crime, and he wants to hand them over to the Russian criminals. To hand me over to Putin is basically to hand me over to my death.

Bill Browder

Die falsche Darstellung des Putin-Vorschlags hat zuletzt den Außenminister Pompeo gezwungen zu sagen, dass die USA niemanden zur Vernehmung ausliefern werden: "Die Regierung wird keine Amerikaner nach Russland schicken, um von Wladimir Putin und seinem Team vernommen zu werden".