Grün für's Gehirn
Das ist nicht politisch gemeint. Allenfalls sehr indirekt: Fast alle psychiatrischen Erkrankungen treten in Städten häufiger auf als auf dem Land
Und wie ist das beim Menschen?
Diese Frage kam eigentlich immer, wenn ich von meiner früheren Forschung dazu erzählte, wie die Umwelt auf das Gehirn von Nagetieren wirkt. Es gibt seit etwas mehr als sechzig Jahren sehr viel und sehr klassische Forschung dazu. Sie hat herausgefunden, dass die Umwelt, in der eine Maus oder eine Ratte aufwächst, tiefgreifend auf die Anatomie und Funktion des Gehirns einwirkt. Frühkindliche Erfahrungen sind besonders prägend; in dieser Zeit spielt v.a. die mütterliche Zuwendung eine Rolle, wie Michael Meaney in wegweisender Forschung gezeigt hat.
Die Umwelt außerhalb der Familie und des Nests erhält dann in der Pubertät ihren Einsatz. Nagetiere, die in dieser Zeit in einer reizarmen Umwelt gehalten werden, entwickeln sich neuronal und psychisch anders als ihre Geschwister in reizreicher Umwelt. Aber auch damit ist kein stabiler Zustand erreicht: Zeitlebens ändert das Gehirn seine Funktionsweise in Abhängigkeit von der Umwelt.
Mäusemütter, Rattenmütter, Rabenmütter
Aber fangen wir vorne an: Rattenweibchen können sehr unterschiedlich gute Mütter sein. Die guten Mütter sorgen dafür, dass der Nachwuchs leicht an die Zitzen kommt, und lecken ihn ausgiebig ab; schlechte Mütter geben sich diesbezüglich keine sonderliche Mühe. Erwachsen werden die Kinder trotzdem. Aber die Jungen von guten Müttern lernen dann viel leichter, was sich auf allerhand biochemische Unterschiede im Gehirn zurückführen lässt.
Schiebt man die Kinder schlechter Mütter guten Müttern unter, dann entwickeln auch sie sich zu guten Lernern - aber, überraschenderweise, umgekehrt auch. Das hat aber, wie eine andere Arbeitsgruppe wenig später bei Mäusen zeigte, nichts mit Genetik zu tun, sondern mit der Umwelt in der Gebärmutter. Verpflanzt man die Embryonen pflegefreudiger Mäuse in Rabenmäusemütter, so werden sie dann lernfähig, wenn sie nach der Geburt zu einer guten Mutter zurückkommen. Sonst nicht.
(Einflüsse in der Gebärmutter, etwa durch Hormone oder das Immunsystem, können, nebenbei bemerkt, allerhand weitreichende Wirkungen auf die Entwicklung der Föten haben. Sie werden auch intensiv in der Festlegung der sexuellen Präferenz diskutiert - wodurch sich eine elegante Lösung für das Dilemma anböte, wie Homosexualität zugleich eine Veranlagung und nicht genetisch festgelegt sein kann (Science: Genetik kann Sexualverhalten nicht erklären).