Grüne Geldanlagen: Wie nachhaltig sind sie wirklich?
Nachhaltig, ethisch, sozial – damit werben inzwischen zahlreiche Finanzakteure. Wie Sie falsche Versprechen erkennen. Gespräch mit Finanzexperten Bernd Villhauer.
Das Weltklima verändert sich und die Nachrichten werden immer düsterer. Mehr Waldbrände, heftigere Wirbelstürme, mehr Hitzetote, steigende Meeresspiegel. Die Signale sind eindeutig, doch das Interesse vieler Menschen am Klimaschutz scheint nachzulassen.
In einem Bereich gibt es einen Gegentrend: bei der Geldanlage. Unternehmen werben mit ihrem Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und andere Finanzakteure werben zunehmend mit grünen Investments.
Der Bewusstseinswandel scheint in vollem Gange. Doch das grüne Etikett ist nicht selten trügerisch. Oft wird dem alten, wenig nachhaltigen Geschäft nur ein grünes Mäntelchen umgehängt.
Bernd Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos-Instituts und Gründer einer Beratungsgesellschaft für nachhaltiges Finanzwesen, hat nun ein Buch zum Thema vorgelegt. In "Meine Bank wäscht grüner. Die Ökolügen der Finanzbranche" beschreibt er die verschiedenen Spielarten des Greenwashings, wie wir es erkennen und damit umgehen können.
Herr Villhauer, der Begriff "Nachhaltigkeit" ist seit seinem Aufkommen umkämpft. Schon vor knapp zwei Jahrzehnten plädierten deutsche Wissenschaftler dafür, dass er im politischen Diskurs nicht nur Faktoren aus Umwelt- oder Klimaschutz enthalten sollte, sondern auch Sicherheit der Arbeitsplätze, regionale Lebensqualität etc. Was verstehen Sie unter "Nachhaltigkeit"?
Der Begriff wird tatsächlich in vielen verschiedenen Zusammenhängen benutzt, in allen möglichen Feldern, mal als Zielbestimmung, mal als Beschreibung. Ich meine, wir können uns immer wieder die klassische Definition in Erinnerung rufen, die im Wesentlichen besagt, wir sollen keinen Raubbau betreiben.
Es geht also darum, mit allen Ressourcen langfristig klug umzugehen. Das lässt sich erweitern und operationalisieren mit den SDGs, den Zielen für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen aufgestellt haben. Wichtig ist, dass wir transparent machen, mit welchem Nachhaltigkeitsbegriff wir jeweils arbeiten.
In einem Newsletter einer internationalen Wirtschaftszeitung fand sich kürzlich ein Text von ExxonMobil. Der Ölkonzern betonte sein Engagement bei der Erzeugung von Wasserstoff und bei der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Ziel sei, die Emissionen um 30 Prozent zu senken. Wird ExxonMobil damit zu einem Kandidaten für nachhaltiges Investment?
Nachhaltiges Investment bedeutet eben nicht nur die Frage: "Kaufe ich die Aktie, oder nicht?" Sondern es bedeutet, z. B. Engagement für strategische Neuausrichtungen genauso ernst zu nehmen.
Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, ExxonMobil als kritischer Aktionär in die Pflicht zu nehmen und alle Möglichkeiten zu nutzen, es zu einem zukunftsfähigen Unternehmen zu machen.
Davon zu trennen ist aber die Frage, ob ich als institutioneller Investor einen bestimmten Prozentanteil meines Portfolios in nachhaltige Investments legen muss – dann genügen Willensbekundungen und ökologische Nebengeschäfte nicht, um den Status als "nachhaltiges Investment" zu bekommen.
Aber hier ist nicht Schwarzweiß-Malerei angesagt, sondern ein realistischer Blick auf Transformationen. Mal sehen, was ExxonMobil wirklich umsetzt.
Wenn Anleger in Fonds oder Einzelaktien investieren möchten, woran können sie erkennen, ob es sich um ein nachhaltiges Investment handelt? Gibt es festgelegte Kriterien dafür?
Da sprechen Sie einen wichtigen, wunden Punkt an. Ich empfehle, nur Finanzakteuren zu vertrauen, die einen langen track record über Anlagen haben, bei denen echte Wirkung, also eine quantifizierbare Verbesserung der Umweltbilanz, gezeigt werden kann.
Sie können natürlich zeigen, wo z. B. eine grüne Anleihe oder die Neuausgabe von Aktien bei der Gründung einer Firma kluge nachhaltige Geschäftsmodelle unterstützen; Impact lässt sich oft messen.
Aber da steckt der Teufel im Detail – und ich meine, wir können nicht von allen Anlegern das Spezialwissen erwarten, das man benötigt, um zu wissen, welche Recyclingfirmen nun wirklich das Mikroplastik in den Weltmeeren verringern und wie ich mit einem Investmentvehikel diese unterstützen kann.
Deshalb: nach den Aktivitäten und Erfahrungen der letzten 15–20 Jahre fragen und die aussondern, die sich eben erst auf den Nachhaltigkeitszug gesetzt haben.
Sie schreiben, am Finanzmarkt geht es um Informationen und weil diese in Zahlen ausgedrückt sind, lassen sich Öko-Schwindeleien der Finanzbranche erkennen. Vorausgesetzt, man hat das entsprechende Fachwissen. Wie tief muss der durchschnittliche Anleger Ihrer Meinung nach in Materie der Finanzbranche eintauchen, um das notwendige Wissen zu erwerben? Und wo kann er sich informieren?
Ich finde, dass es kaum eine spannende Lektüre als Bilanzen gibt – aber das ist nicht jedermann Geschmack. Die Interessierten müssen selbst entscheiden, wie viel Zeit sie für die eigenen Anlagen und deren Nachhaltigkeitsprofil aufwenden wollen. Es gibt begeisterte Rentner, die sich ein Fachwissen angeeignet haben, das Profis aus Fondshäusern in den Schatten stellt.
Aber es gibt auch den (sehr viel häufigeren) Fall, dass ich mich nicht mehr als 5–10 min pro Woche mit diesen Themen beschäftigen möchte. Dann empfehlen sich Fachmagazine wie "finanztest", "ECOreporter" oder "Öko Invest" oder der Blick auf einschlägige Siegel wie das FNG-Siegel.
Fragen Sie sich, wie wichtig Ihnen Ihre finanzielle Souveränität ist. Die Deutschen denken meist über die Anschaffung einer Waschmaschine deutlich länger nach als über den Kauf von Aktien oder Fonds.
Sie zählen in Ihrem Buch einige Beispiele für Greenwashing auf, darunter auch ETFs. Sie argumentieren, weil ETFs nur die jeweiligen Indizes nachbilden, investieren sie auch in automatisch in wenig nachhaltige Unternehmen. Auf der Info-Seite für ETFs, justetf.com, wird allerdings erklärt, dass es jetzt schon 103 Indizes für nachhaltige Investments gibt und 132 entsprechende Fonds. Wird die Finanzbranche schon nachhaltiger oder wie glaubwürdig sind solche Aussagen?
Je größer der Marktanteil nachhaltig agierender Unternehmen wird, umso eher können auch nachhaltige ETFs gebaut werden. Das grundsätzliche Dilemma ist aber nach wie vor das der Marktbreite: wenn ich die Kostenvorteile eines ETF nutzen möchte, dann muss ich auf möglichst einfache Weise automatisiert Indizes nachbilden. Um das kommt man nicht herum.
Aus meiner Sicht gibt es schon gute erste Ansätze für ETFs, die sich auf Nachhaltigkeitsindices beziehen – nur muss man eben genau hinsehen, welche Kriterien diese Indizes als Ausgangspunkt nehmen. Da sieht es oft düster oder dunkelbraun aus. "ESG" im Fondsname genügt nicht, dazu liegen in den genannten Medien schon Vergleichsuntersuchungen vor.
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Sie berichten davon, dass die großen Vermögensverwalter aus den USA mit politischem Gegenwind zu tun haben. BlackRock etwa hatte angekündigt, ESG-Kriterien viel stärker bei Investments zu berücksichtigen. Aber große Anleger drohten damit, Gelder abzuziehen. Gibt es auch in Deutschland und Europa eine solche Gegenbewegung? Und wodurch wird sie verursacht?
Bisher haben wir diese Entwicklung in Europa und in Deutschland nur ansatzweise. Die manchmal etwas hysterisch anmutende Auseinandersetzung in den USA hat eine ganz andere Qualität.
Dort sind es unter anderem republikanische Abgeordnete, die eine Schädigung der Öl- und Gasindustrie fürchten (mit dem Verlust von Arbeitsplätzen ihrer Wähler oder womöglich dem Verlust von Wahlkampfspenden) und es gibt einen Kulturkampf um Formen des "woke capitalism".
Das führt dann dazu, dass gar nicht mehr auf ökonomische Vernunft oder Rendite geschaut wird, sondern bestimmte Nachhaltigkeitsstrategien aus grundsätzlichen Gründen bekämpft werden.
Die politische Gemengelage hierzulande ist eine andere und auch die hiesigen Populisten haben sich anders aufgestellt. Aber da wir aus den USA oft das Schlechte kopieren und das Gute liegen lassen, könnte sich noch einiges tun. Die Schlüsselfrage wird sein: Wer sind die Verlierer der ökologischen Transformation?
Zum Abschluss: Ist der Finanzmarkt überhaupt dafür legitimiert, eine nachhaltige Entwicklung herbeizuführen? Oder sollte das nicht demokratisch legitimiert über staatliche Vorgaben geregelt werden?
Wenn wir uns ehrlich fragen, in welcher Welt wir leben wollen und wie wir deshalb mit den ökologischen Krisen (wovon die Klimakrise nur eine und vielleicht noch nicht einmal die wichtigste ist) umgehen wollen, dann müssen wir ökonomische, politische, kulturelle, psychologische und viele andere Rahmenbedingungen ehrlich analysieren.
Von "Legitimierung" würde ich hier nicht sprechen – ich selbst würde jedenfalls nicht wollen, dass vor allem in den Finanztürmen über meine Zukunft entschieden wird. Dazu bin ich zu sehr Demokrat und ein Fan der freien Bürgergesellschaft.
Aber die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft kann nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft zusammenwirken. Die Finanzindustrie hat immer schon mit den Risikolandschaften der Zukunft zu tun gehabt und investiert viel Intelligenz, Zeit und Geld in ein gutes Verständnis des Kommenden – daher hat sie eine Schlüsselrolle.
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