Grüne Gentechnik: Volle Kraft voraus?
Die Regierungskoalition lässt umstrittenen Gentech-Mais zu und will auch sonst den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen fördern
Keine hundert Tage ist die neue Regierung im Amt und schon haben Gentech-Befürworter Grund zur Freude. Unter Verbraucherschutzminister Horst Seehofer wurden kürzlich die ersten drei Gentech-Maissorten für den uneingeschränkten kommerziellen Anbau zugelassen. Außerdem soll die „Bevorzugung“ des Bio-Landbaus abgebaut und Haftungsregeln beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) gelockert werden. Die jüngsten Aussagen des Ministers sorgen für Freude bei Agrarindustrie und Gentech-Multis. Verschnupft zeigen sich Vertreter des Bio-Landbaus, Verbraucher- und Umweltschützer.
Mit der Ablöse von Rot-Grün herrscht Aufwind in Sachen Agro-Gentechnik. Bereits die Koalitionsvereinbarung schlug versöhnliche Töne in Richtung Gentech-Produzenten, -Anwender und –Forscher an. Die grüne Gentechnik solle verantwortlich genutzt und gefördert werden:
Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen müssen gewährleistet bleiben. Das Gentechnikrecht soll den Rahmen für die weitere Entwicklung und Nutzung der Gentechnik in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen setzen. Die EU-Freisetzungsrichtlinie wird zeitnah umgesetzt und das Gentechnikgesetz novelliert. Die Regelungen sollen so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung in Deutschland befördern.
Ärgerten sich Öko-Bauern bereits über diese Ausrichtung, so stießen ihnen die jüngsten Aussagen von Minister Horst Seehofer erst recht auf. Via Medien ließ dieser nämlich ganz im Sinne der Agrarindustrie verlauten, dass die „Bevorzugung“ des Öko-Landbaus abgebaut werden sollte. Die Leistungen der konventionellen Landwirtschaft wären ebenso zu würdigen. Der ökologische Anbauverband Bioland konterte prompt:
Selbstverständlich ist es begrüßenswert, wenn einem Agrarminister konventionell wirtschaftende Bauern genauso wichtig sind wie Bio-Bauern. Es geht jedoch angesichts großer umwelt- und wirtschaftspolitischer Herausforderungen nicht um ‚Beziehungsfragen’. Mit Scheindebatten über eine angebliche Bevorzugung des Biolandbaus betreibt Seehofer die Spaltung ‚Bio gegen Konventionell', die er seiner Vorgängerin vorwirft. Stattdessen ist es nach Auffassung von Bioland Seehofers Aufgabe, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die es möglichst vielen Betrieben erlauben, ökologischen Landbau zu betreiben - im Interesse von Umwelt- und Verbraucherschutz. Eine Bevorzugung des Biolandbaus habe es in der Vergangenheit nicht gegeben. Vielmehr benachteilige die staatliche Förderstruktur insbesondere die Betriebe, die auf eine aufwendigere Qualitätsproduktion setzen.
Sollte Seehofer tatsächlich eine Art „Teile-und-Herrsche“-Spiel mit den Landwirten treiben wollen, so wird er sich wahrscheinlich jede Menge Ärger einhandeln. Wenn es um die Verteilung von Fördermitteln geht, mag eine solche Strategie gerade noch funktionieren. In Sachen Gentechnik sieht das aber schon wieder ganz anders aus. Hier ziehen konventionell und biologisch wirtschaftende Bauern oft an einem Strang. Etwa wenn es darum geht, für gentech-freie Futtermittel zu kämpfen.
Kostenwahrheit?
Bei der Forcierung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen wiederum könnten in manchen Fällen auf konventionell wirtschaftende Landwirte sogar höhere Kosten zukommen als auf Öko-Bauern. Das etwa zeigte eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie (2002). Das Joint Research Centre (JRC) rechnete dafür verschiedene Szenarien im Modell durch. Dabei zeigte sich etwa, dass der Anbau von Gentech-Raps den Bio-Bauern schwer zu schaffen machen würde. Verstärkter GV-Maisanbau hingegen würde aufgrund hoher Saatgutreinheit und bewährter Trennungsverfahren den Bio-Landbau nicht in dem Ausmaß treffen wie den konventionell wirtschaftenden Maisbauern, so die Wissenschaftler vom JRC. Insgesamt befanden die Forscher, dass Koexistenz in Europa zwar machbar, aber nicht umsonst ist. Sprich: Gentechnik als dritte Schiene des Landbaus führt zu höheren Kosten.
Das zeigt sich bereits jetzt beim Import von GV-Futtermitteln. Kommerzieller Anbau von GV-Sorten wird die Kostenproblematik noch zusätzlich verschärfen. Denn die pflegliche Trennung von GV- und konventionellem Saatgut, die permanente Kontrolle durch Stichprobenentnahme, die Aufwendungen für Koexistenz und schließlich die Trennung der Warenströme – all das sind zusätzliche Kostenfaktoren.
Nicht von ungefähr blocken Versicherungen weltweit ab, wenn es um die Absicherung von Risiken durch Gentechnik geht. Denn Verunreinigungen durch Auskreuzung (Pollenflug) und Vermischung sind nach Auffassung der Versicherer ein „vorhersehbares, unvermeidbares Risiko“ (Stellungnahme der Münchner Rück zit. nach Einfach GEN:ial) und somit nicht durch eine Haftpflichtversicherung abzudecken. Eine Versicherungslösung für die Haftungsfrage, wie sie die Koalitionsvereinbarung als Ziel anpeilt, wird deshalb bei den derzeit gebräuchlichen respektive in der EU zugelassenen Gentech-Sorten schwer machbar sein.
Kritik an der Regierung üben Öko-Landwirte und Umweltschützer auch in Hinblick auf die am 14. Dezember erfolgte uneingeschränkte Zulassung von drei Gentech-Maissorten MON 810 , die von Monsanto beziehungsweise Pioneer vertrieben werden. Diese umstrittene Maislinie (Was macht synthetische DNA im Blut?) zählt zu den sogenannten Bt-Sorten, die selbst Gifte produzieren und so Schäden durch bestimmte Insekten abfedern können. Der zugelassene Gentech-Mais aus dem Hause Monsanto schützt vor dem Maiszünsler. Dieser Schädling verursacht weltweit Ernteausfälle zwischen 3 bis 6 Prozent. Besonders betroffen sind Monokulturen, die ja aufgrund der Bewirtschaftungsform immer anfälliger gegenüber Schadinsekten sind als Mischkulturen.
Vorteile von Gentech-Mais?
In Deutschland versprechen sich einige Landwirte, die auf Böden arbeiten, welche nur schwer zu unterpflügen sind, Vorteile durch den Gentech-Mais. Das Unterpflügen gilt als die effizienteste Methode, dem Maiszünsler Herr zu werden. In den USA – mit riesigen Mais-Feldern – brachten die Bt-Sorten allerdings nur minimale Ertragssteigerungen. Für den US-Farmer rechnet sich der Einsatz des teureren Gentech-Saatguts nur in Jahren mit sehr hohem Schädlingsbefall. Außerdem sind die US-Bauern verpflichtet, gleichzeitig bis zu 40 Prozent konventionellen Mais anzubauen. Der Hintergrund dieser für US-Verhältnisse ungewöhnlich strengen behördlichen Anordnung: Insekten könnten sehr rasch gegen das von den Gentech-Pflanzen gebildete Gift immun werden. Diese unangenehme Erfahrung machten mancherorts bereits Landwirte, die mit Gentech-Baumwolle experimentierten.
Für Deutschland dürften die neu zugelassenen Sorten nur für sehr, sehr wenige Landwirte überhaupt interessant sein. Das Mega-Geschäft können sich Monsanto und Pioneer davon nicht erwarten. Könnte es sein, dass es den Konzernen, die massiv auf eine Zulassung drängten eher um einen psychologischen Effekt geht? (Monsanto hat es eilig)
Selbst Greenpeace geht nicht davon aus, dass schon bald auf einem Großteil der etwa anderthalb Millionen Hektar großen Maisanbaufläche in Deutschland Gentech-Pflanzen wachsen werden. Die Landwirte sind zurückhaltend, da sie die kritische Haltung der deutschen Verbraucher gegenüber der Grünen Gentechnik kennen und die strengen Vorschriften des Gentechnikgesetzes scheuen, so Christoph Then von Greenpeace. Vieles wird auch davon abhängen, ob das Gentechnik-Gesetz geändert wird. Sollte es im Sinne des Koalitionsvertrages zu einer Lockerung der Haftungsbestimmungen und in weiterer Folge zu großflächigen GV-Maisanbau kommen, könnte es aber für Landwirte, die gentech-frei wirtschaften möchten, Probleme geben. Denn Mais gilt als eher auskreuzungsfreudige Kulturpflanze.
Trotz des Liebäugelns mit der grünen Gentechnik versprechen beide Koalitionspartner, dass der Steuerzahler nicht mit Kosten für den Haftungsfonds belastet wird. Die Konsumenten, welche sich mehrheitlich gegen „Genfood“ aussprechen, würden derartige Kostenwahrheit wohl auf der gesamten Linie begrüßen. Denn diejenigen die auf Biegen und Brechen Gentech-Sorten haben wollen, sollen auch alle für konventionell und biologisch wirtschaftende Bauern dadurch entstehenden Kosten tragen – und das ginge weit über die Verunreinigungsfrage durch Pollenflug hinaus.