Grüne Handlungsverweigerung im Fall der A49
Seite 2: Rechtlicher Rahmen bei der Bundesauftragsverwaltung
- Grüne Handlungsverweigerung im Fall der A49
- Rechtlicher Rahmen bei der Bundesauftragsverwaltung
- Es hängt an Wiesbaden
- Auf einer Seite lesen
Ganz grundsätzlich ist die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) "eine Form der Landesverwaltung". Die Länder übten "hierbei Landesstaatsgewalt aus", ihre Behörden handelten als "Landesorgane, nicht als Bundesorgane", wie das Bundesverfassungsgericht dazu klarstellt3 (siehe auch hier4).
Es sei noch einmal kurz auf den ÖPP-Vertrag hingewiesen: Auf jeder Seite ist das Wappen des Landes Hessen zu sehen und nicht etwa der Bundesadler. Das liegt wahrscheinlich nicht daran, dass im Bundesverkehrsministerium das Druckerpapier knapp war und man nur noch solches mit vorgedrucktem hessischem Wappen gefunden hatte. Nein, das ist vielmehr zu erwarten und konsistent mit bekannten Ausführungen dazu. So schreibt insbesondere der frühere Richter des Bundesgerichtshof Dieter Wolst in seiner Dissertation über diese Verwaltungsform: "Das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten, bleibt stets Landesangelegenheit; ein Eintrittsrecht des Bundes sieht Art. 85 GG nicht vor."5 Im Bezug auf den ÖPP-Vertrag wäre sicherlich auch noch interessant, wer diesen denn von Auftraggeberseite alles unterschrieben hat, das ist nämlich geschwärzt und damit anscheinend geheim.
Bei der Bundesauftragsverwaltung steht den Ländern also grundsätzlich die Wahrnehmungskompetenz (und zwar unentziehbar zu). Aber auch die Sachkompetenz (Sachbeurteilung und Sachentscheidung) liegt bei den Ländern.6. Was letztere angeht, eröffnet sich dem Bund allerdings die Möglichkeit, über die Weisungsbefugnis aus Art. 85 Abs. 3 GG, diese an sich zu ziehen. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass es grundsätzlich anders aussieht, dass nämlich diese Sachkompetenz erst einmal und in der Regel beim Land liegt. Andernfalls läge sonst auch eine Form der Bundesverwaltung vor.7
Der Bund muss also aktiv die Sachkompetenz an sich ziehen, indem eine konkrete Weisung erlassen wird. Das heißt "nicht aber, daß der Bund von ihnen ohne Rücksicht auf mildere Möglichkeiten Gebrauch machen müßte"8 oder dass es keine Möglichkeiten der Länder gäbe Ihre Sicht auf die Dinge darzulegen bzw. dagegen vorzugehen. Gerade was letzteren Punkt angeht, ist es sogar so, dass die "aus der Bundestreue sich ergebende Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme gebiete, dass der Bund grundsätzlich vor Weisungserlass dem Land Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dessen Standpunkt erwägt." (Bundesfreundliches Verhalten).9 Bei einer solchen Weisung handele es vielmehr um eine "ultima ratio". Die Länder sind hier auch bzgl. rechtlichem Widerstand alles andere als verloren. Das Land Schleswig-Holstein hat sich 1995 entschieden, statt einer Weisung im Rahmen von Art. 85 Abs. 3 GG Folge zu leisten, einen Rechtsstreit mit dem Bund zu beginnen und später auch gewonnen.10
Zusammenfassend kann man sagen, dass der angedachte Übergang der Sachkompetenz im Falle einer Weisung weder instantan, noch obligatorisch oder bedingungslos vonstatten geht. Vielmehr existiert eine Koppelung an einen vergleichsweise engen rechtlichen Rahmen, welcher nicht unvorteilhaft für Hessen ist.
Die DEGES und das Wasser
Dass die Verantwortlichkeit für den Fernstraßenbau unabtretbar bei den Ländern liegt, wurde bereits ausgeführt. Das Land Hessen muss sicherstellen, dass die Planungen und Ausführungen nach bestem Wissen und Gewissen sicher sind. Das gilt noch viel mehr vor dem Hintergrund, da die Planungen von der DEGES kommen und diese vor allem private Planungsbüros zur eigentlichen Aufgabenerfüllung heranzieht.
Hans Jörg Klofat, ehemaliger Geschäftsführer dieser Gesellschaft erklärte selbst, dass die DEGES "aus der Not, am Anfang zwar ein dickes Auftragspolster, aber keine Mitarbeiter zu haben, letztlich eine Tugend gemacht" habe und dass "DEGES koordiniert, optimiert und kontrolliert". Für das "gesamte Spektrum" ingenieurtechnischer Leistungen würden ständig hunderte externe Ingenieure über Planungsbüros beschäftigt.11
Hingegen legt Dietrich Garlichs in "Grenzen staatlicher Infrastrukturpolitik" dar, dass es ganz grundsätzlich zweifelhaft und problematisch ist, in größerem Maße beim (Fern)Straßenbau auf private Planungsbüros zurückzugreifen. Er führt insbesondere an, dass "nicht selten (..) Entwürfe von Ingenieurbüros (..) grundlegend von der Verwaltung überarbeitet werden" müssten und dass grundsätzlich eine "aufwendige und personalintensive Unterstützung durch die Straßenbauverwaltungen" nötig sei.12
Die DEGES hingegen ist vom Gegenteil überzeugt und treibt dies auch gleich auf die Spitze. Mehr noch: Aufgrund der vorangegangene Ausführungen von Herrn Klofat kann man letztlich begründet annehmen, dass innerhalb der Gesellschaft wohl eine eher überschaubare Personaldecke im fachlichen Bereich vorliegt. Es ist also schon fraglich, wie gut und umfangreich die DEGES überhaupt kontrollieren kann. Im Zuge dessen sollten die oft zitierten Einschätzungen der DEGES durchaus kritischer betrachtet werden.
Daran anschließend sei auch das externe Gutachten der DEGES vom 28.09.2020 zur A49 und der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie genannt, welches Unbedenklichkeit in Hinblick auf Bau und Betrieb bescheinigt. Das hat die DEGES auch eiligst einen Tag später veröffentlicht, wahrscheinlich um den frühestmöglichen Rodungsbeginn (01.10.2020) nicht dadurch noch verschieben zu müssen. Jedenfalls ist es fraglich, wie belastbar das Gutachten ist und insbesondere auch wie genau es bei der DEGES gelesen wurde.
Das Aktionsbündnis "keine A49" hat nämlich ein Gutachten zum Gutachten erstellen lassen, wobei einige interessante Punkte ans Tageslicht kamen. Die Oberhessische Presse Marburg berichtet am 30.10.2020 über das gut 50-seitige Gegengutachten, welches "entscheidungserhebliche Mängel, die vor Baubeginn geheilt werden" müssten, anführt. Dabei seien u.a. die "Auswirkungen auf das Grundwasser (..) bisher völlig unzureichend untersucht", und im Bereich des Dannenröder Forstes seien wenig bis überhaupt keine zugrunde liegenden Daten vorhanden. Bemerkenswert: Ein Gutachten, das die Unbedenklichkeit eines Bauprojekts zeigen soll, spart die entscheidenden Fragestellungen einfach aus.
Es gibt aber noch eine solidere Quelle als die DEGES für Informationen rund um die Wasserproblematik in Verbindung mit der A49, nämlich der Zweckverband der Mittelhessischen Wasserwerke (ZMW). Dieser ist für die Wasserversorgung in der Region zuständig und unterhält dazu zahlreiche Brunnen, welche aufgrund des Wasserreichtums dort für die Wasserversorgung von etwa 500.000! Menschen genutzt werden. Dort kennt man die Sachlage und die speziellen Gegebenheiten in der Region aus naheliegenden Gründen seit langem sehr gut.
So äußerte sich der ZMW schon 2011 auf eine Große Anfrage des Kreisausschusses Marburg-Biedenkopf sehr kritisch, da die Trassenführung besonders nah an einer Reihe von Brunnen in einer Wasserschutzzone II ist. Es ist dabei die Rede von einem "sehr hohen Gefährdungspotential" für den gesamten Südflügel des Wasserwerkes Stadtallendorf. Für alle, denen das noch zu uneindeutig war, führte der ZMW zur weiteren Verdeutlichung die "Richtlinien des für Bautechnische Maßnahmen an Straßen und Wasserschutzgebieten (RiStWaG) (Abschnitt 4 - Planungsgrundsätze 4.3) wonach der "Bereich der Wasserschutzzone II (..) von Straßen freizuhalten [ist], weil alle möglichen Schutzmaßnahmen zwangsläufig unvollkommen bleiben".
Aber nicht nur die Baumaßnahmen und der spätere Verkehr sind ein Problem. Die Nazis bauten in dieser Region ein Sprengstoffwerk, wodurch während der Kriegsjahre hochgiftiger Sondermüll in die Böden sickerte und diesen schwer belastete. Das führte dazu, dass man in den 1990er Jahren eine sehr teure Bodensanierung durchführte, um zumindest die größten Schadstoffmengen zu beseitigen sowie ein durchdachtes System zur Trinkwassergewinnung und -reinhaltung etablierte. Die umfangreichen angedachten Straßenbauarbeiten können nun aber dazu führen, dass Schadstoffe wieder freigesetzt werden und dann auch die Trinkwasserreservoirs verunreinigen.
Die DEGES verspricht große Sorgfalt und erweiterte Schutzmaßnahmen, wodurch der ZMW sich über die Jahre wohl hat überzeugen lassen, seinen Unmut (zumindest schriftlich) nicht mehr ganz so unverblümt kund zu tun (vgl. hier). In letzter Zeit findet man bei der ZMW aber wieder zu alter Klarheit zurück. So spricht Karl-Heinz Schäfer, der Geschäftsführer des Verbandes in Bezug auf dieses Bauprojekt offen von einem "hohen Risiko" sowie einer "Operation am offenen Herzen" und verbindet dies noch mit einer unmissverständlichen Warnung: "Wenn es zu Verschlechterungen des Grundwassers kommen sollte, werden wir dafür sorgen, dass der Bau gestoppt wird."