Grüner Deal – mit welchem Ziel?

Der Klimakrise widmen sich inzwischen Parteien von links bis rechts. Wege und Absichten unterschieden sich erheblich. Das eigentliche Problem aber berühren sie alle kaum

"Die Bewältigung der Klimakrise", so heißt es auf der Internetseite der Klimaschutzbewegung Fridays for Future, sei "die Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts." Kritische Nuklearwissenschaftler erklären die Gegenwart zur gefährlichsten Zeit nicht erst seit Hiroshima: Sie haben ihre Weltuntergangsuhr, die die Nähe zur Gefahr eines finalen Infernos für die Menschheit ausdrückt, auf symbolische100 Sekunden vor zwölf gestellt.

Ihre Begründung verbindet mehrere Zukunftsgefährdungen, die sich gegenseitig durchdringen und verstärken: Neben die Hoch- und Atomrüstung sowie die internationalen Spannungen treten die Risiken, die sich aus der ökologischen Katastrophe ergeben und die sozialen Kontraste, die die Fliehkräfte der Gesellschaft verstärkten.

Im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts werden diese Zukunftsgefährdungen immer dringender. Das Erfordernis nach schnell greifenden Veränderungen kann allerdings dazu führen, dass wichtige Akteure durch den Handlungsdruck an der Aufgabe scheitern, die notwendigen Schritte nachhaltig zu gestalten.

In dieser Situation debattieren ökologisch motivierte Menschen die Frage, wie fundamental gesellschaftliche Veränderungen ausfallen müssen, um nachhaltigen Klima- und Umweltschutz zu gewährleisten. Die Gleichzeitigkeit der Zukunftsgefährdungen, auf die die Nuklearwissenschaftler verweisen, wirft die Frage auf, ob es wirklich reicht, auf die Gefahrenlage mit einem Paket konkreter Innovationen zu reagieren, ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzutasten.

Nach Albert Einstein kann man Probleme nicht mit der Denkungsart lösen, mit der sie entstanden sind. Damit rückt die Frage auf die Agenda, ob der Kapitalismus als Gesellschaftssystem überhaupt die notwendigen Fähigkeiten aufweist, die die Menschheit für die Überwindung der Zukunftsgefährdungen benötigt.

Eine erste Antwort ergibt sich, wenn wir uns die Datumsentwicklung des Erdüberlastungstages vergegenwärtigen: Als der Club of Rome die Menschheit vor einem halben Jahrhundert über die Grenzen des Wachstums aufklärte, lag der Tag, an dem die Menschheit innerhalb eines Jahres so viel Ressourcen verbraucht hatte, wie innerhalb eines Jahres auf der Erde nachwachsen, Anfang Dezember.

Inzwischen liegt der Erdüberlastungstag Ende Juli.

Rückblick: das Grundsatzprogramm der Grünen 1980

Der von seinen Befürwortern als Marktwirtschaft bezeichnete Kapitalismus funktioniert auf der Basis der Konkurrenz – statt der Kooperation –, mit dem Prinzip des unbegrenzten Wachstums im begrenzten System Erde.

Das kann sich die gefährdete Natur der Erde auf Dauer nicht leisten. Wir haben keine zweite Erde in der Reserve.

Das erste Grundsatzprogramm der damaligen Partei Die Grünen aus dem Jahr 1980 besagte noch:

Wir wenden uns gegen eine Wirtschaftsordnung, in der die wirtschaftlich Mächtigen über den Arbeitsprozess, das Arbeitsergebnis und die Existenzbedingungen der großen Mehrheit der Bevölkerung bestimmen.

Das aktuelle Grundsatzprogramm mit dem Titelmotto Veränderung schafft Halt hat sich von dieser fundamentalen Kritik am Wirtschaftssystem verabschiedet und in den Gleichklang der Macht eingefügt. Im Kapitel unter der Überschrift "Sozial-ökologische Marktwirtschaft" lesen wir:

Den Weg zur sozialökologischen Marktwirtschaft bereitet ein Green New Deal. Er schafft den neuen Ordnungsrahmen für faires, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften, indem er auf ein Bündnis aus Arbeit und Umwelt baut. Er investiert mutig in die Zukunft. Er setzt neue Kräfte für Kreativität und Innovationen frei. Er sorgt für sozialen Ausgleich und fördert eine geschlechtergerechte Gesellschaft.

Das Wort "fair" verbinden die Grünen mit dem Konzept der Konkurrenz. Was die Menschheit allerdings zur Überwindung der Zukunftsgefährdungen dringendst benötigt, ist eine weltumspannende Ethik der Kooperation statt des noch so fairen Wettbewerbs. Fair kann ein Wettbewerb ohnehin nicht sein, wenn wenige Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren.

Forscher der Hochschule Zürich haben festgestellt, dass 147 Konzerne die Ökonomie der Welt beherrschen. Mit dieser Erkenntnis ist auch klar, es gibt keinen Markt im Sinne des Bildes. Der Begriff ist ein Propaganda-Narrativ, um die öffentliche Meinung zu vernebeln und für den Kapitalismus zu gewinnen.

Kapitalismus ist im Übrigen mehr als der Verkauf in einem "Markt" genannten Prozess aus Angebot und Nachfrage; ehe es dazu kommt, sind die Waren erst einmal zu produzieren.

Dies blendet der Marktbegriff komplett aus. Der Begriff einer sozialökologischen Marktwirtschaft nimmt kritische Ökologen mit in die Parteiarbeit, und er eröffnet den Bündnisgrünen Machtperspektiven für Koalitionen, die in ihrer Gründerzeit undenkbar schienen. Dass dann noch von Geschlechtergerechtigkeit die Rede ist, macht den Propagandaeffekt nur noch zusätzlich klar; von diesem Ziel ist unsere Gesellschaft ebenfalls weit entfernt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.